BVB mogelt sich zu drei Punkten in Mainz: 5 schwarz-gelbe Erkenntnisse zum Spiel
Von Oscar Nolte
Der BVB ist ergebnistechnisch hervorragend in das neue Jahr gestartet. Auf den Heimsieg gegen den FC Augsburg folgten am Mittwochabend drei Punkte beim schweren Auswärtsspiel in Mainz. Der Rückstand auf den FC Bayern ist damit auf überschaubare fünf Punkte geschrumpft.
Soweit die positiven Aspekte. Tatsächlich schrillen nach den Auftritten gegen Augsburg und Mainz sämtliche Alarmglocken. Nachdem der BVB bereits am Sonntag schludrig, kopflos und uninspiriert auftrat, klingelte es in Mainz schon nach einer Minute: Ecke, Kopfball, Tor - ohne wirkliche Gegenwehr. Ein abgefälschter Schuss von Ryerson, der beim Gegentreffer ganz schlecht aussah, fand nur drei Minuten später seinen Weg ins Mainzer Tor. Bis zur 90. Minute passierte anschließend nicht mehr viel verwertbares; dann stach wie schon gegen Augsburg Joker Reyna zum glücklichen 2:1 nach einer Ecke.
5 schwarz-gelbe Erkenntnisse zum Auswärtssieg in Mainz:
1. Ohne Bellingham & Reus hat der BVB weder Kopf, noch Herz
Kapitän Marco Reus und Überflieger Jude Bellingham standen Edin Terzic gegen Mainz nicht zur Verfügung. Und das Duo fehlt der Mannschaft an allen Ecken und Enden.
Allein schon als Führungspersönlichkeiten, vor allem aber als herausragende Fußballer, die die Kontrolle über das eigene Spiel übernehmen können. Der eigene Ballvortrag beim BVB ist ohne Bellingham und speziell im offensiven Bereich ohne Reus kaum bundesligatauglich. Es fehlt an Esprit, an Überzeugung, an Dynamik. Mit Bellingham und Reus fehlen aber vor allem die beiden Spieler, die die außergewöhnliche Qualität haben, die Mitspieler schlichtweg in allen Bereichen besser zu machen. Davon profitieren vor allem Spieler der Marke Julian Brandt, Youssoufa Moukoko oder Karim Adeyemi, die ohne diese Zuarbeit schnell komplett abtauchen.
2. Zwischenräume sind Lava
Ohne die außerirdischen Momente eines Marco Reus' oder Jude Bellinghams wird deutlich, wie statisch die taktische Ausrichtung der Mannschaft unter Edin Terzic ist.
Mainz konzentrierte sich quasi über 90 Minuten auf eine stabile und tiefstehende Defensive. Gegen solche Gegner sind gerade die Besetzung der Flügel und eben der Zwischenräume elementar. Beides konnte der BVB in Mainz überhaupt nicht einlösen.
Die Flügel für einen Moment außen vor lassend, wurde gegen Mainz deutlich, wie planlos vor allem die Mittelfeldspieler auftreten. Im eigenen Ballbesitz fanden sich Özcan, Brandt und Can (später Reyna) in auffällig vielen Situationen auf einer Höhe knapp hinter der Mittellinie wieder. Auch auf den Flügeln standen sich Guerreiro und Malen, auf der anderen Seite Ryerson und Adeyemi, regelmäßig auf den eigenen Füßen herum. Wirklich viel investieren musste Mainz nicht, um den BVB daran zu hindern, sich in gefährliche Räume zu kombinieren - es liefen ja auch schließlich keine Schwarz-Gelben in diese Räume hinein.
3. Malen und Adeyemi sind keine Flügelspieler - und in der Form nicht zu gebrauchen
Donyell Malen und Karim Adeyemi werden von Edin Terzic auf den Flügeln eingesetzt und sollen dort mit ihrer Schnelligkeit und Dribbelstärke für Alarm sorgen. Klingt gut - sofern man eine FIFA-Karriere spielt.
Im echten Leben muss man wieder und wieder und wieder feststellen, dass weder Donny Malen, noch Karim Adeyemi für die Flügel gemacht sind. Die ohnehin grausige Form beider Spieler wird durch die Fehlbesetzung auf den Außenpositionen immer schwerwiegender und zum echten Problem für den BVB.
Von Malen und Adeyemi kommt auf den Außen schlichtweg nichts. Gar nichts. Adeyemi überzeugt bislang nur durch seine Schnelligkeit, ist abgesehen davon technisch, taktisch und hinsichtlich der Effizienz absolut überfordert mit dem Niveau, das in Dortmund verlangt wird. Bei Malen räumen sich nach guten Ansätzen in beiden Vorbereitungen (Sommer und Winter) so langsam die letzten Zweifel aus, dass der Niederländer ein sündhaft teures Missverständnis ist.
Es wäre spannend zu sehen, was beide Spieler dem BVB geben könnten, wenn sie zentraler eingesetzt werden würden. Auf den Flügeln sind Malen und Adeyemi aber maßlos überfordert und werden mehr und mehr zu Sinnbildern für den grauen Fußball, den der BVB aktuell spielt.
Wie schwach und überfordert Malen und Adeyemi aktuell sind, misst sich vor allem daran, dass die Ergebnisse aktuell fast ausschließlich von der Bank geliefert werden: Gio Reyna, Jamie Bynoe-Gittens und Sebastien Haller hinterließen wie schon gegen Augsburg auch in Mainz einen bleibenden Eindruck, der sich erneut auch in Zahlen messen lassen konnte (Bynoe-Gittens traf gegen Augsburg, Reyna gegen Augsburg und jetzt auch Mainz und Haller bereitete den Siegtreffer in Mainz vor). Nicht umsonst ist der BVB in dieser Saison die Mannschaft mit den meisten Jokertoren der Liga.
4. Wer gegen den BVB Tore schießen will, schießt sie
Edin Terzic sagte einmal über seine Philosophie (sinngemäß zitiert aus der Erinnerung, Angabe ohne Gewähr): wichtiger als Gegentore zu vermeiden ist es, ein Tor mehr als der Gegner zu schießen.
Mit diesem Versprechen muss sich die Borussia mächtig abmühen. Denn: wer aktuell gegen den BVB ein Tor schießen will, tut es einfach. Dass die Mannschaft nicht bereit ist, zu verteidigen, wurde auch gegen Mainz deutlich. Der Mainzer Lee, der nicht gerade für seine Sprunggewalt bekannt ist, darf bei der Ecke zur Führung unbedrängt einköpfen, während Ryerson nur daneben steht und nicht einmal mit in die Luft steigt. Als Mainz gegen Ende der Partie die sich bietenden Räume der Dortmunder bespielte, brannte es zudem jedes Mal lichterloh.
Dass Mainz und Augsburg ohne Probleme und ohne viel Aufwand oder Finesse Tore gegen den BVB erzielen ist hinsichtlich dessen, was bis Saisonende auf die Borussia zukommt (Chelsea in der Champions League, FC Bayern, Leverkusen, Wolfsburg, Leipzig und Co. in der Liga) kein gutes Omen.
5. Der BVB verkörpert Stagnation
Der BVB stagniert. Das ist das Problem, das rund um die Borussia aktuell für die größten Bauchschmerzen sorgt. Taktisch, spielerisch, mental: es gibt keinen Prozess, keine Entwicklung - gefühlt nicht einmal eine Grundlage bei dieser Mannschaft. Es stehen aktuell einfach elf in schwarz und gelb gekleidete Fußball-Profis auf dem Rasen, die wahnsinnig gut Fußball spielen können. So kommen die Ergebnisse zustande.
Wohin diese Reise führen soll, ist nicht abzusehen. Beziehungsweise schon: es geht weder vor- noch rückwärts, weder zur Seite, noch nach oben oder unten. So lässt sich die aktuelle Stagnation im Verein beschreiben. Und so verlief auch das Spiel gegen Mainz: es gibt einen Ball und Spieler, die ihn irgendwo hinschießen - viel mehr ist da nicht los.