BVB-Krise? Lang lebe die Scheindebatte!
Von Oscar Nolte
Der BVB hat im Supercup gegen den FC Bayern verloren. In der Bundesliga folgte eine Pleite gegen den SC Freiburg. Es sind die erwarteten Querelen, die vor der Saison von allen Seiten prognostiziert worden. Und trotzdem wirkt es so, als stünde der Baum schon wieder in Flammen. Über die ewigen Scheindebatten in Dortmund.
Es ist beeindruckend, welche Dynamiken einige wenige Menschen in Gang setzen können. Beim BVB gilt das für den Teil der Fans, vor allem in sozialen Netzwerken, die eine Niederlage mit einem K.o. gleichsetzen. So geschehen nach den Pleiten gegen den FC Bayern und den SC Freiburg. Medial wird das ganze dann aufgegriffen und dem BVB eine handfeste Krise angeschrieben.
"Meister der Inkonstanz", lese ich am frühen Sonntagmorgen. Schon wieder über einen "Kleinen" gestolpert, heißt es. Dass dieser "Kleine" mittlerweile eine der etabliertesten Mannschaften in der Bundesliga und obendrein unglaublich heimstark ist - geschenkt. Der Druck, der aus dieser Ecke erzeugt wird, wurde über die vergangenen Jahre aber so gewaltig, dass selbst die Mannschaft ihn zu spüren bekommt. Manuel Akanji hielt nach der Freiburg-Niederlage eine Brandrede, die den Anschein vermuten lässt, dass der BVB morgen absteigt. Warum diese Unruhe?
Vielleicht, weil Erling Haaland "auch nur ein Mensch" ist? Der Norweger darf sich kein durchschnittliches Spiel erlauben, ohne hinterfragt zu werden. Neuzugang Donyell Malen funktioniert ja ohnehin überhaupt nicht. Und die defensiven Sorgen kriegt man in Dortmund eh nicht in den Griff. Warum also überhaupt festhalten an Marco Rose? Der Cheftrainer hat dem BVB die aktuelle Krise ja ohnehin eingebrockt. Die nach dem Auftakt-Sieg gegen Eintracht Frankfurt sicher geglaubte Meisterschaft ist in weite Ferne gerückt. Hat das in diesem Konstrukt also überhaupt noch Sinn?
Es sind Scheindebatten, die beim BVB immer wieder geführt werden. Und doch sind sie stark genug, um die Mannschaft, um den Verein immer wieder zu verunsichern. Ich sehe es bereits kommen: Lustlos-Reus ist wieder im Formtief, die Kaderplanung der Borussia ist nicht nachhaltig genug und Marco Rose ist letztlich doch kein Jürgen Klopp. Je mehr Raum diese Fantasie-Verirrungen bekommen, desto gefährlicher wird das Umfeld in Dortmund. Und was das bewirken kann, darf gerne auf Gelsenkirchen nachgefragt werden.
Ein Gedankenexperiment: der BVB hat etwas mehr Spielglück und gewinnt sowohl den Supercup, als auch das Spiel gegen Freiburg. Dazu fehlte tatsächlich nicht ganz so viel. Ein, zwei individuelle Fehler weniger (ja, auch von Ihnen, Herr Akanji), ein Freistoß, der nur das Aluminium trifft und eine etwas bessere Chancenverwertung - schon steht der BVB mit vier Pflichtspielsiegen aus vier Spielen dar. Was dann los wäre, kann man sich vorstellen.
Richtig: eine andere Scheindebatte. Nämlich die, dass der BVB endlich wieder eine reale Chance auf die Meisterschaft hat. Das liegt an der hervorragenden Kaderplanung und der Installierung Marco Roses als Cheftrainer. Der erreicht beim BVB nämlich trotz schwieriger Vorbereitung und personellem Mangel ungeahnte Höhen. 'Meister der Konstanz' titeln dann die deutschen Fussball-Medien.
Zwischen diesen beiden Szenarien liegt so wenig - und doch so viel. Es sind genau diese Scheindebatten, die dem BVB zu oft ein Bein stellen. Ja, die Spiele gegen den FC Bayern und den SC Freiburg gingen verloren. Warum darf das so nicht einfach mal stehen gelassen werden? Warum darf nicht die Leistung der Spieler, die taktische Aufstellung differenziert analysiert und eingeordnet werden?
Dass es in Freiburg schwer ist, gerade nach einem frühen Rückstand, ist doch klar. Dass der BVB unter einem neuen Trainer und nach dieser schweren Vorbereitung sich erst finden muss, sowieso. Gleiches gilt für Donny Malen, der gefühlt seit einem Tag das schwarz-gelbe Trikot trägt. Und doch naht die erste BVB-Krise. Das ist ausgemachter Blödsinn.
Mund abputzen, weiter arbeiten, sollte die Devise in Dortmund nun lauten. Von Meisterschaften, Fehleinkäufen und fehlender Mentalität will ich in diesem Jahr nichts mehr hören. Denn ich bewerte den Start unter Marco Rose als extrem vielversprechend und freue mich auf das Bundesliga-Spiel am Freitag gegen die TSG Hoffenheim. Ohne wenn und aber und vor allem ohne Scheindebatten, die ich vorher führen möchte.