Von Rose bis zu den Bossen: Wer hat Schuld am BVB-Ausscheiden?
Von Jan Kupitz
Borussia Dortmund ist vorzeitig aus der Champions-League-Gruppenphase ausgeschieden. Und das in keiner "Todesgruppe" - sondern in einer Gruppe, in der die Gegner Ajax Amsterdam, Sporting Lissabon und Besiktas Istanbul heißen. Schlicht und ergreifend peinlich.
Doch wer trägt die Schuld am blamablen Ausscheiden? 90min geht auf Spurensuche.
5. Marco Rose
Rose kann einem schon leid tun. Da kommt er nach einer schwierigen Rückrunde mit Gladbach nach Dortmund, wo Edin Terzic in den vorangegangenen Monaten für dermaßen viel Furore gesorgt hatte, dass sich der Großteil der Anhängerschaft lieber seinen Verbleib gewünscht hätte.
Als wäre das nicht schlimm genug, muss er in schöner Regelmäßigkeit sein Team umbauen, weil ihm die Spieler verletzungsbedingt wegfallen wie die Kölner beim Karneval (siehe Punkt 3).
Und als wäre das immer noch nicht schlimm genug, hat er einen Kader zur Verfügung stehen, der einfach nicht den Ansprüchen von Borussia Dortmund genügt (mehr dazu siehe Punkte 1).
Aus den vorhandenen Bedingungen hat Rose dafür ziemlich viel herausgeholt. Auch wenn er gewiss nicht alles richtig gemacht hat. Doch die Hauptschuld am Ausscheiden tragen andere.
Schuld am BVB-Ausscheiden: 2/10
4. Schiedsrichter
Sicher: Der BVB hatte - insbesondere in den letzten beiden Spielen - nicht besonders viel Glück mit den Schiedsrichter-Entscheidungen.
Hummels' Rote Karte war ein Skandal. Dass die Sperre bestehen blieb, ein noch größerer. Auch der Platzverweis von Can ist zumindest umstritten, da aus den TV-Bildern nicht eindeutig hervorgeht, weshalb er die Rote Karte sah.
ABER: Die Schuld am Ausscheiden in erster Linie beim Schiedsrichter zu suchen, ist viel zu billig. War der Schiri Schuld, dass der BVB in Amsterdam unterging? War der Schiri Schuld, dass individuelle Fehler (in beiden Ajax-Spielen sowie in Lissabon) zu Gegentoren führten? War der Schiri Schuld, dass Dortmunds Offensive ohne Haaland einem lauen Lüftchen glich?
Ihr kennt die Antworten, wir kennen die Antworten.
Mit etwas mehr Schiri-Glück wäre der BVB im Rennen um das Achtelfinale vielleicht noch dabei. Man sollte allerdings nicht glauben, dass es einzig und allein an den Entscheidungen der Unparteiischen lag.
Schuld am BVB-Ausscheiden: 3/10
3. Medizinische Abteilung
Ein Bereich, der sicherlich am schwierigsten zu durchschauen und dementsprechend auch zu beurteilen ist. Wer von uns kann schon einem Physio, Arzt oder Athletiktrainer vorschreiben, wie er seinen Job besser machen könnte?
Und doch kommt man einfach nicht umhin, die medizinische Abteilung beim BVB zu hinterfragen. Ein dermaßen großes Verletzungspech, das die Dortmunder in den vergangenen Wochen und Monaten ereilt, kann kein Zufall sein. Beim besten Willen nicht.
Dass sich ein Morey das Kreuzband reißt, ist bitter und schlichtweg Pech. Dass ein Dahoud im Rasen hängen bleibt und sich das Knie leicht verdreht, ist ebenso kaum von außen zu beeinflussen.
Aber diese unsäglich vielen Muskelverletzungen beim BVB müssen doch einen tiefer liegenden Grund haben. Und tragen definitiv dazu bei, dass die Dortmunder nicht ihre ganzen PS auf den Rasen bringen konnten.
Schuld am BVB-Ausscheiden: 5/10
2. Spieler
Hier wird's schwierig.
Man könnte es sich leicht machen, mit dem Finger auf einen Schulz zeigen und sagen: 'Der hat das 0:1 verschuldet, wegen dem sind wir draußen.'
Das wäre dann zwar richtig, trifft aber irgendwie nicht den Kern. Denn ein Schulz, da sind wir uns einig, hat schlichtweg nicht das Zeug dazu, in der Champions League zu spielen. Das ist ihm gegenüber nicht bös gemeint, aber es ist so. Also was soll er machen, wenn er in der Champions League aufgestellt wird?
Wenn uns jemand in ein Flugzeug setzen würde und uns sagt: 'Flieg mal in die USA damit' - wir wären ebenso hoffnungslos überfordert.
Ein Schulz verschuldet nicht mit Absicht das Gegentor. Er verschuldet es, weil er überfordert ist. Weil er keine Mitspieler hat, die ihm Sicherheit geben. Weil die Gegenspieler ein höheres Niveau haben.
Das soll natürlich nicht bedeuten, dass wir die Spieler von aller Schuld freisprechen. Gewiss nicht. Denn sie sind nun einmal Profis und haben dementsprechend mehr zu zeigen, als insbesondere in der Champions League rauskam.
Es soll zeigen, dass solche Zuweisungen komplexer sind, als einfach mit dem Finger auf das vermeintlich schwächste Glied zu deuten.
Stattdessen könnte man sich auch mal einen Can, Witsel oder Brandt vorknöpfen und fragen, was die denn so veranstalten? Denn das war auch nicht wirklich besser - obwohl sie (anders als ein Schulz) den Anspruch haben, Führungsspieler zu sein. Auch bei ihnen muss man mal die Qualitätsfrage stellen und hinterfragen, ob sie eine tragende Rolle bei einem Verein wie Borussia Dortmund spielen sollten?
Fragt ihr mich: Nein, sollten sie nicht.
Und damit kommen wir dann auch zu den Hauptschuldigen bei Punkt 1.
Schuld am BVB-Ausscheiden: 7/10
1. BVB-Bosse/Kaderplaner
Die Wurzel des Problems liegt in der Kaderplanung des BVB. Allein ein Blick auf die Rollenverteilung innerhalb der Mannschaft (ohne auf die Qualität der einzelnen Spieler einzugehen), zeigt, dass da etwas schief gelaufen ist:
Verletzungsanfällige Innenverteidiger. Bis auf den jungen Knauff keine Flügelspieler, die das Eins-gegen-eins suchen können. Dafür gefühlt 15 Spieler, die ihre Stärken im Mittelfeldzentrum haben.
Unausgewogenheit at its best.
Der BVB-Kader hat so viele Baustellen, dass es einem Wunder gleicht, dass Schwarz-Gelb in der Bundesliga (noch) mit dem FC Bayern mithalten kann. In der Champions League wurden die Schwachstellen dagegen gnadenlos aufgedeckt.
Spieler wie Schulz, Passlack, Witsel, Can, Brandt, Wolf, Pongracic oder Tigges haben schlichtweg nicht (mehr) das Potential für einen Klub, der von sich beansprucht, zu den acht bis zehn besten Europas zu gehören. Kann man ihnen dafür einen großen Vorwurf machen? Nein! Aber denjenigen, die sind an Bord geholt haben.
Und das sind nun einmal Zorc und Co.
Als kleine Entschuldigung kann die Coronapandemie herhalten. Aber andere Klubs haben es auch geschafft, einen anständigen Kader auf die Beine zu stellen. Und die Fehler in der Kaderplanung wurden nicht nur in diesem Sommer, sondern auch in den Vorjahren gemacht.
Bei allem Lob dafür, Spieler wie Haaland und Bellingham an Land gezogen zu haben: Das Talent hätte auch ein Blinder entdeckt. Beim BVB sind sie wegen der Strahlkraft des Vereins, nicht weil die Dortmunder Macher ein besonders tolles Auge hatten, wie zum Beispiel bei einem Kagawa oder Lewandowski vor etlichen Jahren.
Der aktuelle Kader ist nicht gut genug zusammengestellt worden. Nicht mal annähernd. Basta.
Schuld am BVB-Ausscheiden: 9,9/10