Bundesliga schielt auf volle Stadien - und das völlig zurecht
Von Yannik Möller
Dieser Tage sorgte Fredi Bobic mit seinem Aufruf zu vollen Stadien und einer potenziellen Klage für Schlagzeilen. Hybris, unverantwortlich, unverschämt - so klangen nicht gerade wenige Reaktionen auf diesen Vorstoß. Dabei hat der Hertha-Manager recht. Ein Kommentar.
"Wir werden dahinkommen, dass wir alles öffnen. Es ist nicht mehr aufzuhalten", hatte Fredi Bobic vor ein paar Tagen bei Bild TV verlauten lassen. Damit bezog sich der Sport-Geschäftsführer von Hertha BSC zwar auf die allgemeinen Corona-Einschränkungen, primär aber natürlich auf die Öffnung der Fußball-Stadien.
Derzeit lassen die Vereine bis zu 50 Prozent der möglichen Zuschauer zu, eine Obergrenze von 25.000 gilt auch. Was für die einen schon zu viel ist, war und ist für Bobic zu wenig. Er selbst glaubt sogar an potenziell rechtliche Schritte: "Wir würden uns einer Klage anschließen."
Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken auf diese Aussagen waren vorhersehbar kritisch. Teilweise war von "unkaputtbarer Hybris" zu lesen, andere hielten alleine schon den Vorschlag für gefährlich. Stichworte wie Vorbildrolle und steigende Inzidenzen waren natürlich ebenso vorhanden.
Bobic hat recht: Impfungen und Konzepte ermöglichen volle(re) Stadien in Deutschland
Und dennoch hat Bobic mit seinem Vorstoß recht - und gleichzeitig einen Nerv getroffen. Dass alleine schon das reine Erwägen einer Klage als Kritikpunkt genommen wurde, ist doch ein fatales Signal. Das Nutzen rechtlicher Möglichkeiten ist in einem Rechtsstaat völlig legitim. Wer Vertrauen in die Institutionen hat, der wird niemanden davon abhalten oder kritisieren wollen, der über einen solchen Schritt nachdenkt.
Das an sich hat aber noch nichts mit der Einschätzung zu tun, vollere oder ganz volle Stadien wären nun möglich. Und dennoch hat er damit recht. Schon die grundsätzliche Voraussetzung der frischen Luft ermöglicht viel mehr. Wie oft sollen Experten wie Aerosolforscher noch im TV auftreten und erklären, dass eine Virusübertragung in derartigen Umgebungen sehr unwahrscheinlich ist?
Dazu kommt die fortschreitende Impfquote. In Deutschland sind fast 60 Prozent der gesamten Bevölkerung doppelt geimpft. Unter den Erwachsenen ist die Quote nochmals deutlich höher und innerhalb der Risikogruppe ohnehin. Inzwischen hat jeder über zwölf Jahre die Möglichkeit, sich und andere durch die weiterhin sehr wirksamen Impfungen zu schützen.
Doch bevor zu sehr in allgemeine Corona-Politik abgedriftet wird: ein solcher Fortschritt muss weitestgehend Normalität bedeuten. Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, treffen eine für mich äußerst unverständliche, schlussendlich aber legitime Entscheidung. Das darf aber nicht zu vorenthaltenen Freiheiten für andere führen.
Und ja, selbstverständlich ist der Stadionbesuch auch eine Freiheit. Keiner darf anderen vorwerfen, wie sie ihre Freiheiten definieren. Gleichzeitig wird niemand eine Gefahr ausmachen können, wenn 50.000 bis 80.000 geimpfte oder genesene Zuschauer an der frischen Luft ein Fußballspiel ihrer Lieblingsmannschaft anschauen. Wie und wann soll man diesen Schritt auch sonst gehen?
Das entspräche der 2G-Regel, mit den bereits gängigen Ausnahmen für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen (noch) nicht impfen lassen können. Rechtlich wäre das Ausschließen von getesteten, also ungeimpften aber gesunden Fans, ein weiteres großes Thema. Doch darum soll es in diesem Fall nicht primär gehen.
Angewandte Logik ist keine Bevorzugung - Teilweise (!) 2G-Regel als Ausgangspunkt
Wann also, wenn nicht jetzt, könnten die Stadien weiter öffnen? Dabei geht es auch nicht um eine Bevorzugung. "Schon wieder der Fußball!", schreien einige. Wobei ich ohnehin keine Bevorzugung darin sah, dass eine Branche im Frühsommer 2020 ihren Beruf ausüben durfte - abgesichert durch ein weltweit gelobtes und anerkanntes Hygienekonzept.
Man ist nun an einem Zeitpunkt angekommen, an dem weitere Öffnungen schlichtweg logisch sein müssten. "Nicht mehr aufzuhalten", wie Bobic es formulierte. Daran ändern auch steigende Inzidenzen nichts. In Hamburg beispielsweise wurde dieser Aspekt dieser Tage gut aufgeschlüsselt: demnach läge die Geimpften-Inzidenz bei etwa drei bis vier. Der Rest mache etwa 78 aus (via mopo).
Es gibt also keinen Grund, ein Stadion nicht mit Fans vollzupacken. Diese könnten ausschließlich geimpft und genesen sein, oder zu einem gewissen Großteil. Über die genaue Umsetzung und einem Schritt-für-Schritt-Fahrplan müsste diskutiert werden. Mehr als 50 Prozent Auslastung ist jedoch schon jetzt überfällig.