Bittere Bilanz: Nagelsmann ein größeres Thema als die Schiedsrichter-Qualität
Von Yannik Möller
Auch am vergangenen Bundesliga-Spieltag gab es zahlreiche und auch grobe Fehlentscheidungen der Schiedsrichter- und VAR-Teams. Dass der Ausraster von Julian Nagelsmann das größere Thema war, als die auffallend häufigen Fehlentscheidungen der Unparteiischen, ist der Lage nicht gerechtfertigt.
Ein Kommentar.
Darf ein Trainer so ausrasten? Ist die Wortwahl "weichgespültes Pack" einfach zu viel, trotz des nachvollziehbaren Drucks und bei allen Emotionen? Sollte die Schiedsrichter-Kabine ein Tabu für Trainer und Spieler sein? Was für Auswirkungen hat das auf Schiedsrichter im Amateurbereich?
Allesamt wichtige Fragen, das ist klar. Sie wurden weit und breit diskutiert, nachdem sich Julian Nagelsmann sehr über die Rote Karte gegen Dayot Upamecano aufgeregt hatte. Schon während des Spiels des FC Bayern wurde im Netz über diese Entscheidung diskutiert, so auch in diversen TV-Sendungen, die sich dieser Tage mit dem Bundesliga-Wochenende auseinandersetzten.
'Nagelsmann-Debatte' anstatt ernsthafter Schiedsrichter-Diskussion: Die Bundesliga hat ein Problem!
Was einerseits verständlich ist, hat andererseits aber auch für ein erneutes Abflauen der Diskussion über die offenbar spürbar sinkende Qualität der deutschen Profi-Schiedsrichter gesorgt.
Schließlich war es längst nicht nur die Upamecano-Rote, die für Verwirrung sorgte. Ein Leverkusen-Elfmeter und diverse fragwürdige Entscheidungen in diesem Spiel, oder eine eigentlich klare Rote gegen Ellyes Skhiri, die um ein Vielfaches deutlicher war als die kleinste Berührung des Bayern-Verteidigers. Ein klarer Strafstoß, der dem HSV verwehrt blieb. Dazu gab es erneut minutenlangen Austausch zwischen Referee und VAR-Kollegen. Und die Liste könnte man weiter fortführen, wenn man auch auf die letzten Spieltage oder gar auf den bisherigen Saisonverlauf schaut.
Obwohl es dutzende Kameras gibt, ein zusätzliches VAR-Team in Köln sowie die Möglichkeit, sich über Funk und Bildschirme erneut auszutauschen, sind grobe Fehlentscheidungen bei den Profi-Schiedsrichtern in Deutschland eher Regel als Ausnahme.
Dass darüber nicht längst im größeren Rahmen diskutiert wird, sondern lieber eine über eine verbale Entgleisung eines Trainers, der sich unmittelbar danach auch wieder entschuldigte, führt zu keiner positiven Entwicklung.
Die Nagelsmann-Debatte, wie ich sie an dieser Stelle einmal taufen möchte, hat dieses eigentlich viel wichtigere und größere Thema überschattet.
Längst ist es zu einem großen Problem geworden, dass die Unparteiischen in den Profi-Ligen hierzulande offenbar nicht in der Lage sind, ihre Spiele größtenteils fehlerfrei über die Bühne zu bekommen. Und dabei geht es nicht einmal um Fehler, die schlichtweg passieren. Ein falscher Einwurf, eine unrechtmäßige Ecke - alles kein Problem. Aber die Anzahl der klaren Fehlentscheidungen, die trotz und teilweise sogar mit dem VAR getroffen werden, ist viel zu hoch und insbesondere in dieser Saison (zumindest gefühlt) deutlich angestiegen.
Dabei ist aber nicht der VAR das Problem, sondern die Qualität der ausgebildeten Personen, die dieses Werkzeug bedienen und derjenigen, die mit der Pfeife auf dem Platz stehen.
Keine Frage: Es erfordert Mut, sich in diesem millionenschweren Geschäft auf das Grün zu stellen und diese so wichtigen Partien zu leiten. Das darf aber keine Entschuldigung sein, weshalb diese so wichtige Debatte über eine augenscheinlich mangelnde Qualität der aktuellen Profi-Referees in Deutschland immer wieder verschoben und nur an der Oberfläche angekratzt wird.
Wie es auch Manuel Gräfe dieser Tage bei Twitter formulierte: "Jedes Wochenende das Gleiche. Wirklich schwierig langsam, da es Ex-Kollegen (davon viele wirklich nett), Bekannte und Freunde betrifft - aber die Entscheidungsqualität ist in Gänze zu schwach. Aussagen von Schiedsrichtern belegen die Probleme."