Bronze gegen die Weltmeisterinnen? Die 90min-Tipps zu Spanien gegen Deutschland
Von Helene Altgelt
Den ersten Matchball für eine olympische Medaille haben sie vergeben. Die DFB-Frauen verloren ihr Halbfinale gegen die USA mit 0:1 nach Verlängerung. Der Traum, doch noch ins olympische Dorf nach Paris einzuziehen, ist geplatzt. Aber die defensiv starke Leistung macht Trainer Horst Hrubesch Mut. In Lyon geht es im Spiel um Platz 3 (9. August, 15 Uhr, live im ZDF) gegen Spanien um Bronze.
Spanien war in den letzten Jahren das dominante Team im Frauenfußball. Aber die schwachen Auftritte im Viertelfinale und dann im Halbfinale, wo sie Brasilien mit 2:4 unterlagen, haben gezeigt: Auch der Topfavorit ist nicht unbezwingbar. Ist da was drin für die DFB-Frauen? Die 90min-Redaktion ist da gespalten. Die Tipps zum Spiel.
Adriana Wehrens: Individuelle Qualität gibt den Ausschlag für Spanien
Alles oder nichts heißt es für Deutschland, wenn es im Duell um den dritten Platz beim Olympischen Fußballturnier um Bronze geht. Der Gegner ist kein Geringerer als der amtierende Weltmeister Spanien, der etwas überraschend im Halbfinale gegen Brasilien verloren hat (4:2). Für den internationalen Fußball der Frauen hatte das Ausscheiden große Bedeutung, denn es signalisiert, dass La Roja doch nicht so unantastbar scheint, wie es der Eindruck nach der letztjährigen WM und der Nations League noch vermittelt hat.
Für die Deutschen stellt dieser Fakt einen letzten Hoffnungsschimmer dar, die Heimreise womöglich noch mit einer Auszeichnung im Gepäck antreten zu können. Die Chancen auf ein Erfolgserlebnis gegen die Spanierinnen sind aktuell wohl höher als noch in den vergangenen zwölf Monaten. Denn sowohl im Viertelfinale gegen Kolumbien, wo Las Chicas Superpoderosas zwischenzeitlich mit zwei Toren führten (Endstand 2:4), als auch gegen Brasilien leistete sich die Mannschaft von Montserrat Tomé ungewohnt viele Fehler.
Betrachter kommen beim Zusehen der letzten spanischen Auftritte gar den Gedanken, dass der mit Stars gespickte Kader durch die jüngsten Erfolge womöglich zu arrogant auftritt und sich ein wenig auf den eigenen Lorbeeren ausruht. So beschwerten sich etwa sämtliche Spielerinnen der spanischen Truppe nach dem Halbfinal-Aus über das Zeitspiel der Brasilianerinnen. Auch wenn diese Regelung zuletzt häufig in der Kritik gestanden ist, war Brasilien über die 90 Minuten hinweg schlichtweg die bessere Mannschaft.
Doch auch das DFB-Team hat sich über den bisherigen Turnierverlauf hinweg nicht immer nur mit Ruhm bekleckert. Während einige Ausfälle aufgrund von Verletzungen bzw. Krankheiten für zwangsläufige Änderungen in der Startelf sorgten, gerieten verschiedene Mannschaftsteile in die Kritik. Mal schafften es die Verteidigerinnen nicht, mit der Schnelligkeit der Gegnerinnen mitzuhalten, mal waren es die Offensivspielerinnen, denen die letzte Konsequenz vor dem Tor fehlte.
Die bisherige Turnierleistung der Deutschen war keineswegs perfekt, doch dass es das Team unter diesen Voraussetzungen so weit gebracht hat, verdient volle Anerkennung. Gegen Spanien kann die Mannschaft sich nicht nur die Bronzemedaille sichern, sondern auch Horst Hrubesch in seiner letzten Partie als Interimstrainer einen gebührenden Abschied bereiten.
Mein Tipp: Auch wenn Deutschland allen Grund hat, mit großer Motivation in die Begegnung zu gehen, kann ich mir gut vorstellen, dass es Spanien gelingen wird, sich nach den letzten Auftritten wieder zu steigern. Denn dann ist die individuelle Qualität bei La Roja schlichtweg größer als im derzeitigen deutschen Kader, was schlussendlich ausschlaggebend sein wird. 2:0 Endstand für Spanien.
Carmen Stadelmann: Deutschland gewinnt überraschend Bronze!
Für das Spiel um Gold hat es zwar nicht gereicht, im kleinen Finale haben die DFB-Frauen dennoch die Chance auf eine überraschende Medaille. Um am Ende das bronze-farbene Schmuckstück in den Händen zu halten, muss aber gegen Spanien eine weitere Leistungssteigerung passieren – und zwar in der Offensive.
Im Halbfinale gegen die USA überzeugte abermals die deutsche Defensive und ließ gegen die starken Stürmerinnen des USWNT kaum nennenswerte Chancen zu. Steht die Abwehrreihe auch gegen Spanien so stabil, wird das die Ibererinnen nerven. Zumal die amtierenden Weltmeisterinnen auffällig viele Chancen brauchen, um Tore zu erzielen.
Horst Hrubesch verlangt von seiner Mannschaft, dass sie "Tore machen". Eine Mammutaufgabe, hat die deutsche Delegation doch seit 240 Spielminuten keinen Treffer ins Tornetz befördern können. Im Mittelfeld scheint eine Lücke zu klaffen, die verschiedenen Akteurinnen zu weit auseinander. „Big Game Bühl“ lässt ihre gewohnte Stärke vermissen und bei Jule Brand auf der anderen Seite fehlt es an der letzten Konsequenz.
Die DFB-Frauen müssen wieder anfangen als Kollektiv zu spielen, geduldig sein und dann Nadelstiche setzen. Das verlangt aber keinen Angsthasenfußball: Risikoreiche und kreative Aktionen beleben das Spiel der Deutschen, waren in letzter Zeit aber zu selten zu sehen. Die spanische Defensive offenbarte in ihrem Halbfinale gegen Brasilien einige Unsicherheiten. Die deutsche Frauennationalmannschaft wird dennoch nicht viele Chancen bekommen, aber sollten die Wenigen, die sich ihnen bieten, dann auch nutzen.
Die La Roja wird dem Spiel ihren Stempel aufdrücken wollen, damit müssen die DFB-Frauen klarkommen. Konzentriertes Verteidigen ist auch in diesem kleinen Finale der Schlüssel, um in die Partie zu kommen. Lässt die DFB-Auswahl hinten nichts zu, werden sie vorne definitiv Möglichkeiten bekommen. Findet Spanien allerdings schnell ins Spiel, kann es ein langer Nachmittag für Deutschland werden und die Qualitäten der amtierenden Weltmeisterinnen zu groß sein.
Mein Tipp: Ich erwarte eine zerfahrene Partie, auch aufgrund der körperlichen Erschöpfung vieler Spielerinnen. Das Match wird von Fehlern auf beiden Seiten geprägt sein. Dennoch glaube ich an den Kampfgeist der DFB-Frauen. Hinten werden sie wie gewohnt konzentriert verteidigen und entgegen dem Trend diesmal auch vorne für Gefahr sorgen. Letztendlich reicht dann auch ein Tor, um 1:0 gegen Spanien zu gewinnen und Horst Hrubesch mit der Bronze-Medaille den perfekten Abschied zu ermöglichen.
Theresa Alexander: Kraftakt - aber am Ende reicht es nicht
Der Traum vom Finale ist geplatzt, doch nun hat die deutsche Mannschaft die Chance, bei den Olympischen Spielen die Bronzemedaille zu gewinnen. Das wäre ein großer Erfolg, doch es geht gegen Weltmeister Spanien - keine leichte Aufgabe für Horst Hrubesch und sein Team, doch Spanien ist schlagbar - das haben diese Olympischen Spiele gezeigt.
Das letzte Spiel gegen die USA verlief unglücklich für die DFB-Elf: Bis Sophia Smith in der 95. Minute eiskalt zuschlug, ließ die Mannschaft um Ann-Katrin Berger nicht viel zu. Die Defensive stand besser als noch vor einer Woche beim Gruppenspiel gegen die Amerikanerinnen, doch in den letzten Spielen wurde immer deutlicher, dass es auch in der Offensive hapert.
Vielleicht sind die Spielerinnen einfach nur müde, aber es fehlt oft an klaren Chancen, die dann auch genutzt werden. Im Spiel gegen die USA und auch im Viertelfinale gegen Kanada erzielte die deutsche Nationalmannschaft kein einziges Tor - eine Schwäche der Mannschaft und um Spanien zu schlagen, muss nicht nur die Defensive stehen, sondern auch die Offensive mehr zeigen als in den letzten Spielen.
Spanien hingegen galt für viele als klarer Favorit auf den Sieg bei den Olympischen Spielen. Im Weltfußball hat sich eine spanische Dominanz entwickelt: Die Herren-Nationalmannschaft hat erst vor wenigen Wochen die Europameisterschaft gewonnen, die Damen-Nationalmannschaft im vergangenen Jahr die Weltmeisterschaft, und auch im Jugendbereich sind die Spanierinnen und Spanier äußerst erfolgreich, und als wäre das nicht genug, dominieren Real Madrid bei den Herren und der FC Barcelona bei den Damen auch noch den Vereinsfußball.
Der Rest der Welt musste dabei zuschauen, doch Brasilien hat es geschafft die Spanierinnen zu schlagen und schon im Viertelfinale kam Spanien ins Wanken und wäre fast an Kolumbien gescheitert, aber eben nur fast. Nun liegt es an Deutschland, den Traum der Spanierinnen von einer Medaille zu zerstören und den eigenen zu erfüllen.
Für die Spielerinnen auf beiden Seiten waren es sicherlich keine leichten Tage: Nach dem geplatzten Traum vom Finale und den anstrengenden Wochen bei Olympia ist es sicher nicht einfach, noch einmal die Kraft für das Spiel um Platz drei zu finden, aber jetzt gilt es noch einmal alles zu geben und alle Kräfte zu bündeln, um sich den Traum von einer Medaille bei Olympia zu erfüllen.
Mein Tipp: Ich denke, dass die deutsche Mannschaft nochmal alles geben wird, um sich mit mit einer Medaille zu belohnen, aber dass Spanien das Spiel knapp mit 2:1 gewinnen wird.
Helene Altgelt: Spanien mit viel Wut im Bauch
Fünf Spiele sind absolviert, der Tank ist leer. Olympia 2024 ist ein brutales Turnier für die Spielerinnen. Brütende Hitze, kleine Kader, nur wenig Verschnaufpausen zwischen den einzelnen Spielen. Die Hoffnung auf eine Medaille trägt alle durch das Turnier, aber jetzt, auf den letzten Metern, könnte der Sprit ausgehen.
Vor allem das Spiel um Bronze ist hart. Einen Tag vor dem Finale wird die Partie ausgetragen. Diese 24 Stunden können für die Spielerinnen als Ruhetag Gold - haha - wert sein. Die DFB-Frauen müssen immerhin nicht nochmal reisen, können für das kleine Finale in Lyon bleiben, wo sie auch schon auf die USA trafen.
Deutschland spielte stark auf, verlor erst in der Verlängerung mit 0:1. Eine gute Leistung, aber auch erneut ein Kraftakt. Wie schon bei dem Sieg gegen Kanada im Elfmeterschießen. Auch Spanien dürfte aus dem letzten Loch pfeifen, das Spiel gegen Kolumbien ging ebenfalls ins Elferschießen. Und gegen Brasilien gab es zwar keine Verlängerung - dafür aber 17 Minuten Nachspielzeit, das kommt dann schon fast aufs Selbe heraus.
Aber Spanien hat einen entscheidenden Vorteil, selbst wenn man Taktik und individuelle Qualität ausklammert. La Roja hat bei dem Turnier bisher enttäuscht, hat etwas zu beweisen. Deutschland dagegen kam sowieso erst auf den letzten Drücker nach Olympia, war schon in der Gruppenphase ausgeschieden, feierte eine Elfer-Party.
Es war nicht alles perfekt, aber die DFB-Frauen haben die Erwartungen jetzt schon übertroffen. Wenn man es positiv sieht, können sie jetzt sorgenlos angehen. Aber wenn Spanien durch den Frust nicht gehemmt, sondern beflügelt wird, könnte das auch eine bittere Angelegenheit werden.
Mein Tipp: Zugegebenerweise war ich bei den meisten Spielen zu pessimistisch. Unentschieden gegen Sambia, Niederlage gegen Kanada - meine miesepetrigen Tipps sind schlecht gealtert. Zu hoffen wäre es, dass das auch mit diesem passiert: Deutschland hat im letzten Spiel keine Kraft mehr - und verliert klar mit 0:3.