Borussia Dortmund: Sechs Beobachtungen zum Finaleinzug
Von Dominik Hager

Borussia Dortmund steht nach einem überzeugenden 5:0-Erfolg gegen Holstein Kiel im DFB-Pokalfinale. Das Team scheint im Saisonendspurt noch einmal richtig Fahrt aufzunehmen und die eigentlich holprige Saison zu einem erfolgreichen Ende zu bringen. Wir schauen uns zunächst an, welche Erkenntnisse der souveräne Auftritt hervorgebracht hat.
1. Der BVB ist endlich stabil
In der Saison 2020/21 war eigentlich ziemlich oft der Wurm drin. Auf zwei gute Spiele folgten meist zwei schlechte. Vor allem gegen schwächere Gegner fing man sich immer wieder bittere Punktverluste, was häufig auch an der fehlenden Einstellung lag. Die Pleite gegen Eintracht Frankfurt am 27. Spieltag scheint jedoch irgendetwas ausgelöst zu haben. Womöglich hat das Team erst zu diesem Zeitpunkt verstanden, dass ein Champions-League-Qualifikationsplatz böse auf der Kippe steht.
Seitdem folgten vier Siege in der Liga, der Erfolg gegen Kiel im Pokal und zwei Niederlagen gegen Manchester City. Gegen das vielleicht stärkste Team der Welt zeigte die Terzić-Elf dennoch starke Leistungen. Demnach lässt sich sagen, dass der BVB seit sieben Spielen nicht mehr schlecht gespielt hat. Das gab es in dieser Saison noch nie.
Während gerade die Spiele gegen Underdogs meistens unglaublich zäh und ideenlos waren, legte das Team gegen Kiel Spielfreude an den Tag und blieb über 90 Minuten konzentriert. Die Schwarz-Gelben scheinen endlich so richtig gefestigt zu sein. Die Top-Form kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, zumal der Klub sich jetzt keinen Ausrutscher mehr leisten darf.
2. Es geht auch ohne Erling Haaland
Nachdem die Meldung vom Haaland-Ausfall publik wurde, dürften sich die Sorgenfalten einiger BVB-Anhänger vertieft haben. Um einen defensiv eingestellten Außenseiter zu knacken, braucht man häufig einen Top-Stürmer für die entscheidenden Tore.
Am Samstag stellten sich jedoch alle Befürchtungen als haltlos heraus. Der BVB hat gezeigt, dass es auch ohne Haaland geht - und das sogar sehr gut. Es ist wichtig zu sehen, dass die Borussen in der Offensive nicht auf einen Mann angewiesen sind, sondern gemeinsam Chancen und Tore kreieren können. Das Zusammenspiel zwischen Hazard, Sancho, Reyna und Reus funktionierte einwandfrei und war stets zielgerichtet. Immer wieder nutzten die technisch starken Spieler ihre Klasse und kombinierten sich sehenswert in Richtung Kieler Tor.
Noch bemerkenswerter war dabei die Effizienz, die von den Offensivspielern an den Tag gelegt wurde. Häufig spielen sich Mannschaften ohne Stürmer reihenweise Chancen heraus, treffen aber das Tor nicht.
Gegen Kiel konnte die komplette Offensivreihe nochmals Selbstvertrauen sammeln, was für die kommenden Aufgaben entscheidend sein kann. Vor allem, wenn Haaland weiter ausfallen sollte. Der Norweger soll jedoch laut Sportdirektor Michael Zorc für das nächste Liga-Duell wieder einsatzbereit sein.
3. Giovanni Reyna endlich wieder in Top-Form
Giovanni Reyna war eigentlich über weite Teile der Saison eher eine Enttäuschung, selbst wenn man derart jungen Spielern auch die ein oder andere Schwächephase zugestehen muss. Vor allem in der Rückrunde lief beim 18-Jährigen nicht viel zusammen. Seit einigen Wochen trumpft der US-Amerikaner aber mächtig auf.
Bereits gegen den VfB Stuttgart und Werder Bremen hatte er mit seinen Torbeteiligungen großen Anteil daran, dass die Champions-League-Plätze noch in Aussicht sind. Gegen die "Störche" war es erneut das Mittelfeld-Talent, das den Torreigen sehenswert eröffnete. Es ist klar zu sehen, dass seine Leichtigkeit und sein Selbstvertrauen zurück sind. Reyna geht erfolgreich in Dribblings, ist stark im Kombinationsspiel und verfügt über einen harten und präzisen Schuss.
Trotz seiner Jugend nimmt er in der Offensive zunehmend die Zügel in die Hand und entlastet damit Sancho und Reus. Im Saisonendspurt ist Reyna definitiv einer, von denen die entscheidenden Aktionen ausgehen können.
4. Edin Terzić hat die Mannschaft im Griff
So manch einer dürfte sich mittlerweile die Frage stellen, ob es die Verpflichtung von Marco Rose unbedingt gebraucht hätte. Es ist keineswegs sicher, dass der derzeitige Gladbach-Trainer von seiner Art und Spielidee gut nach Dortmund passt.
Edin Terzić dürfte hingegen die meisten Experten und Fans ziemlich überrascht haben. Der 38-Jährige blüht richtig auf, jetzt wo er aus dem Schatten von Favre ausgetreten ist. Dem jungen Coach ist Woche für Woche anzumerken, dass er vor Tatendrang und Esprit strotzt. Dieser Funke hat sich auch auf die Mannschaft übertragen. Der BVB-Coach scheint die richtigen Ansprachen zu finden und dem Team den Spaß am Fußball zurückgegeben zu haben. All das war beim Spiel gegen Kiel klar zu sehen, indem die Akteure auch nach der frühen Führung heiß auf weitere Tore waren.
Edin Terzić passt auch als Typ perfekt nach Dortmund, zumal er mit seiner Begeisterungsfähigkeit und Energie ähnlich wie Klopp die Menschen mitreißen kann. Sollte der BVB unter Terzic die Champions-League-Qualifikation erreichen und das Pokalfinale gewinnen, dürfte die Rückversetzung ins zweite Glied kompliziert werden. Längst haben andere Teams den Trainer ins Auge gefasst, wodurch Dortmund möglicherweise bald ganz auf ihn verzichten muss.
5. Ball flach halten und aufs Wesentliche konzentrieren
Der Sieg gegen Kiel war zweifellos beeindruckend. Jedoch darf man dabei nicht vergessen, dass unter anderem mit Leipzig, Leverkusen und den formstarken Mainzern noch deutlich anspruchsvollere Aufgaben warten.
Die nächsten Spiele werden den Dortmundern nicht derart locker von der Hand gehen wie das Duell gegen die Störche.
Holstein Kiel hat sich gegen die Borussen definitiv nicht von der besten Seite gezeigt und zu diesem deutlichen Ergebnis beigetragen. Nach all dem, was der Klub in den letzten Wochen durchmachen musste, ist das jedoch auch verständlich. Erst konnte das Team aufgrund der Quarantäne-Verordnung 18 Tage nicht mitmischen, danach standen drei Spiele binnen einer Woche an. Nach dem Wiedereinstig in die Liga gegen Osnabrück und Nürnberg ist es nur verständlich, dass die Spieler körperlich noch nicht voll da waren.
Zudem fehlten zuletzt mit Ioannis Gelios und Alexander Mühling zwei ganz wichtige Leute. Von daher lässt sich schon recht klar sagen, dass die Kieler an diesem Tag verständlicherweise nicht so ganz der Gradmesser waren. Die Dortmunder müssen jetzt den Ball flach halten, sich auf die kommenden Spiele konzentrieren und geduldig bleiben, wenn es mal nicht so gut laufen sollte.
6. Morey-Verletzung trübt die Freude: Jetzt kommt es auf Łukasz Piszczek an
Nach der Verletzung von Youngster Morey schien sich in Dortmund niemand mehr so richtig über den Sieg zu freuen. Eine so schwere Verletzung eines Teamkollegen zieht einen durchaus runter.
Sportlich könnte der Morey-Ausfall auch teuer werden, wenngleich der Spanier kein fixer Stammspieler ist. Jetzt wird also alles auf Łukasz Piszczek hinauslaufen, der kurz vor Ende seiner BVB-Zeit nochmal die Kohlen aus dem Feuer holen muss. Zuzutrauen wäre es dem 35-Jährigen durchaus.
Allerdings weiß keiner so genau, ob der Routinier gegen extrem offensivstarke Teams wie Leverkusen oder Leipzig bestehen kann. Ein kleines Fragezeichen muss hier schon gesetzt werden.