Die Reus'sche Meisterschafts-Ansage: Richtig so, aber bitte dran festhalten!
Von Yannik Möller
Ein paar Wochen vor dem Saisonauftakt in der Bundesliga hat sich Marco Reus sehr kämpferisch und mutig zum Titelkampf geäußert. Der BVB habe den Kader, um Meister und Pokalsieger zu werden, so der Kapitän. Eine richtige Ansage, die dann aber auch vom ganzen Team getragen und über die Saison beibehalten werden muss. Ein Kommentar.
In der anstehenden Saison 2021/22 schickt sich der FC Bayern an, die Bundesliga zum zehnten Mal in Folge zu gewinnen und Meister zu werden. So gut wie jeder geht davon aus, dass das auch so passieren wird. Sogar die Trainer: In der traditionellen kicker-Umfrage war Steffen Baumgart der Einzige, der den BVB an der Spitze sah.
In der vergangenen Spielzeit konnte Dortmund durch einen sehr guten Endspurt noch auf den dritten Platz rutschen. Auch den DFB-Pokal gewann man unter Edin Terzic. Für Marco Reus ist das Ziel in dieser Saison klar, er wählte eine sehr offensive Ansage (via Bild): "Wir haben den Kader, um Deutscher Meister zu werden, den Pokal zu gewinnen und in der Champions League weiterzukommen!"
Selbstverständlich gibt es zu dieser Aussage wieder einmal viele Diskussionen. Doch wieso überhaupt? Wenn der Kapitän des gewöhnlich ersten Bayern-Jägers so mutig eine Titelansage formuliert, weil er um die Stärke der Mannschaft und des Trainerteams weiß, dann kann das doch nur richtig sein.
Reus mit verständlicher Titel-Hoffnung: Dortmund kann in dieser Saison zuschlagen
Reus gibt also ein couragiertes Ziel aus, das ist soweit richtig. Lügen braucht er nicht. Der 32-Jährige braucht sich nicht hinstellen und erklären, man würde sich mit der Vizemeisterschaft und einem tollen Halbfinale im Pokal zufriedengeben.
Das ist natürlich nicht die Selbstverständlichkeit, die er mit Spielern wie Erling Haaland, Neuzugang Donyell Malen, tollen Youngstern wie Jude Bellingham und Giovanni Reyna oder erfahrenen Hochkarätern wie Mats Hummels, Axel Witsel und sich selbst vorleben sollte. Dass er diesen Ausweg erst gar nicht sucht, ist ihm anzurechnen.
Wie erfrischend und belebend ein spannender Titelkampf nach jahrelanger Vorherrschaft sein kann, sieht man derzeit sehr gut in der Formel 1. Max Verstappen fordert Lewis Hamilton heraus. Dafür hat der Niederländer ein sehr gutes Auto und den absoluten Willen, sein Ziel zu erreichen.
Um diese Chance aber überhaupt zu bekommen, braucht es einerseits das Selbstbewusstsein und andererseits die volle Überzeugung. Das strahlt Reus mit seinem Statement ebenfalls aus. Auch wenn der BVB schon mehrmals den Meisterkampf annehmen wollte, so ist der Zeitpunkt dieses Mal genau richtig.
Die Münchener stehen zurzeit vor ungeklärten Personalfragen, die für etwas Unruhe sorgen,. Vor dem Verlust von viel Erfahrung (Javi Martinez, David Alaba, Jerome Boateng) und vor der Frage, ob und wenn ja wie schnell Julian Nagelsmann die PS des Rekordmeisters auch auf die Straße kriegt.
RB Leipzig hat zwar eine sehr gute Kaderbreite vorzuweisen, doch genauso sehr größere Verluste zu beklagen. Wie der FCB muss man sich mit Jesse Marsch auch erst einmal auf einen neuen Trainer einstellen. Auch hier ist der Ausgang ungewiss.
Natürlich sticht dieser Aspekt auch bei Schwarz-Gelb hervor. Marco Rose ist mit seinem Team ebenfalls bei einem neuen Klub. Dazu lief die letzte Saison bei Borussia Mönchengladbach nicht gerade fehlerfrei und allzu erfolgreich ab. Doch warum verstecken, wenn die gleichen offenen Fragen auch bei den anderen Titelfavoriten gestellt werden müssen.
Dass der BVB-Kader trotz des Wechsels von Jadon Sancho vor Qualität strotzt, braucht man an dieser Stelle nicht nochmal extra zu erklären. Schon alleine der potenzielle Doppelsturm aus Haaland und Malen, der genauso gut über die Flügel für Angst und Schrecken sorgen kann, ist definitiv für eine titelreife Anzahl an Toren gut.
Voraussetzung für das erhoffte Titelrennen: Der BVB muss am Ziel und der Überzeugung unbedingt festhalten
Einen Haken gibt es aber trotzdem. Wie bereits erwähnt muss die Überzeugung wirklich da sein. Das scheint sie bei Reus zu sein, das ist gut und wichtig. Sie muss aber von der gesamten Mannschaft, dem Trainerteam und der Vereinsführung mitgetragen werden. Wenn sich vereinzelt Spieler hinstellen und erklären, sie wollen in diesem Jahr Meister werden, dann aber beispielsweise Trainer und Klubchef dieser Frage ausweichen und auf die Konkurrenz verweisen, zieht man nicht an einem Strang. Dann macht man sich kleiner, als man ist.
Dazu darf es nicht kommen. Außerdem dürfen sich die Dortmunder angesichts dieses Ziels nicht aus der Bahn werfen lassen. Schwächephasen wird es in dieser Saison genauso geben wie in den letzten Jahren. Aber auch in München, auch in Leipzig. Wenn also mal eine kleine Durststrecke kommt, darf diese Zielsetzung nicht direkt über Bord geworfen werden.
Eine vorschnelle Abkehr vom Titeltraum ist nahezu gleichbedeutend mit dem endgültigen Verlust dessen. Viele BVB-Fans sind der Meinung, dies sei auch der Grund, weshalb man in den letzten Jahren so häufig so deutlich gegen die Bayern verlor - weil man schon mit einer falschen Einstellung zu den jeweiligen Duellen fuhr. Ein Beispiel, wie es nicht passieren darf.
Eine solche Schwächephase gilt es dann zu überwinden, weiter am Ziel zu arbeiten und sich derweil nicht von der zu erwartenden Rose-Terzic-Diskussion einnehmen zu lassen. Denn das Zeug, in dieser Saison ganz oben anzugreifen, hat Dortmund. Und es ist gut, dass Reus das so offensiv thematisiert.