Berechtigte Kritik an Kehl, Terzic & Watzke? Das Transferzeugnis für den BVB
Von Dominik Hager
Der BVB hat sich im Sommer 2023 ausschließlich bei anderen Bundesliga-Klubs bedient und keine wirklich kreativen Lösungen ausgepackt, wie es in der Vergangenheit oft der Fall war. Viele sprechen von einer eher biederen BVB-Transferphase, obwohl einige bekannte Spieler gekommen sind. Wir bewerten die Arbeit der Dortmunder Verantwortlichen.
Zugänge:
Spieler | Ablöse | Abgebender Verein |
---|---|---|
Felix Nmecha | 30 Millionen Euro | VfL Wolfsburg |
Marcel Sabitzer | 19 Millionen Euro | FC Bayern |
Niclas Füllkrug | 13 Millionen Euro | Werder Bremen |
Ramy Bensebaini | Ablösefrei | Gladbach |
Der BVB hat mit Nmecha, Sabitzer, Füllkrug und Bensebaini vier Akteure aus der Bundesliga verpflichtet. Der teuerste Neuzugang war Felix Nmecha, der für 30 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg kam. Unter einem guten Stern steht der Deal nicht unbedingt, weil der Mittelfeldspieler mit teils schrägen Instagram-Posts auffiel, die als queerfeindlich interpretiert werden konnten. Zudem hat Nmecha auch in der Bundesliga noch nichts gezeigt, was 30 Millionen Euro rechtfertigen könnten. Der 22-Jährige hat Anlagen, die an Bellingham erinnern, jedoch ist aktuell schwer zu sagen, wohin die Reise geht. Seine ersten Pflichtspiele waren noch nicht überzeugend, jedoch gilt das für die ganze Mannschaft. Flop-Potenzial besteht allerdings definitiv.
Mit Marcel Sabitzer ist man hingegen eher auf Nummer sicher gegangen. Der Österreicher hat früher in Leipzig überzeugt und auch in der abgelaufenen Saison ordentliche Leistungen beim FC Bayern und Manchester United geliefert. 19 Millionen Euro Ablöse sind vertretbar, jedoch hätten sich einige in Dortmund ein wenig mehr Mut gewünscht. Bei Sabitzer weiß man in etwa, was man bekommt, jedoch steckt auch kein absolutes Top-Potenzial mehr in ihm.
Ähnliches gilt auch für Ramy Bensebaini. Der langjährige Gladbacher ist insbesondere auf dem Weg nach vorne doch eher beschränkt in seinen Fähigkeiten und spielerisch deutlich schwächer als Guerreiro. Defensiv kann der Algerier mit seiner unbequemen Spielweise sicher punkten, ist aber auch nicht fehlerfrei und zudem immer auch für einen Ausraster gut. Immerhin war Bensebaini ablösefrei, eine Top-Lösung ist er sportlich allerdings nicht.
Kurz vor dem Transfer-Ende überraschten die Schwarz-Gelben dann noch mit dem Füllkrug-Transfer. Ein solcher Top-Torjäger kann sicherlich helfen und doch wäre der Bedarf auf anderen Positionen dringender gewesen. Außerdem stellt sich die Frage, was ein kopfballstarker Mittelstürmer bringt, wenn es praktisch keine Spieler gibt, die ordentliche Flanken schlagen können.
Wen hätte der BVB noch verpflichten müssen?
Die Borussen waren lange an Edson Alvarez dran, entschieden sich dann aber gegen den Mexikaner, um Emre Can und den eigenen Geldbeutel zu stärken. Das blinde Vertrauen in Can kann sich rächen, da es erstens keinen vernünftigen Ersatzmann auf der Sechs gibt und der 29-Jährige in den letzten Jahren auch kein Garant für konstant starke Leistungen war. Dem BVB fehlt im Mittelfeld definitiv auch ein Spieler, der seine Stärken im Aufbauspiel hat und mit strategischen Fähigkeiten und Technik glänzen kann.
Negativ kommt hinzu, dass man die Außenvereidiger-Position nicht ausreichend gestärkt hat. Ryerson, Wolf und Bensebaini sind ordentliche Bundesliga-Spieler, verkörpern allerdings definitiv kein absolutes Top-Niveau. Morey ist zwar womöglich wieder ein Kandidat, jedoch von zahlreichen Verletzungen in den letzten Jahren gezeichnet. Wer Meister werden möchte, benötigt mehr als nur guten Durchschnitt. Negativ hinzu kommt, dass keiner der Akteure die fußballerischen Fähigkeiten von Guerreiro ansatzweise kompensieren kann. Wenn es schon im defensiven Mittelfeld keine spielstarken Akteure gibt, hätte ein solcher auf den Außenverteidiger-Positionen nicht geschadet.
Schwierig zu bewerten ist zudem die Situation auf dem Flügel. Grundsätzlich hat man mit Adeyemi, Malen, Reyna, Brandt und den beiden Youngsters Duranville und Bynoe-Gittens viele Optionen, jedoch fehlt ein klassischer Winger mit Spitzenformat. Ein Akteur, der Speed, Technik und Flankenstärke vereint, steht nicht zur Verfügung.
In der Innenverteidigung ist man mit Süle, Schlotterbeck und Hummels gut, aber auch dünn besetzt. Der gehandelte Bella-Kotchap hätte auch als Vorgriff für ein nahendes Hummels-Karriereende Sinn ergeben.
Abgänge:
Spieler | Ablöse | Aufnehmender Verein |
---|---|---|
Jude Bellingham | 103 Millionen Euro (+X) | Real Madrid |
Raphael Guerreiro | Ablösefrei | FC Bayern |
Ansgar Knauff | 5 Millionen Euro | Eintracht Frankfurt |
Mahmoud Dahoud | Ablösefrei | Brighton |
Felix Passlack | Ablösefrei | VfL Bochum |
Luca Unbehaun | Ablösefrei | SC Verl |
Soumaila Coulibaly | Leihe | Royal Antwerpen |
Tom Rothe | Leihe | Holstein Kiel |
Nico Schulz | Ablösefrei | Vereinslos |
Anthony Modeste | Ablösefrei | Vereinslos |
Grundsätzlich muss man dem BVB ja gratulieren. Mit Jude Belligham haben die Borussen eines der weltweit großen Talente verpflichtet, dieses zur Weltklasse geformt und für über 100 Millionen Euro verkauft. Trotzdem ist man geneigt zu sagen, dass die Schwarz-Gelben mit dem Verkauf an Real Madrid einen gewaltigen Fehler gemacht haben. Sieht man sich an, dass für Moises Caicedo, Enzo Fernandez und Declan Rice mehr Geld geflossen ist als für Bellingham, sieht das eher so aus, als hätte man noch ein wenig mehr herausholen können - auch wenn durch Boni noch gut 30 Millionen Euro hinzukommen könnten. Die Erklärungen von Watzke, wonach man in einem Jahr 60 bis 70 Millionen Euro weniger bekommen hätte, sind geradezu absurd. Man sehe sich nur den 30-jährigen Kane an, der mit einem Jahr Restvertrag 100 Millionen Euro gekostet hat. Die Preise auf dem Markt haben angezogen und Watzke diese Entwicklung verschlafen.
Neben Bellingham hat der BVB mit Raphael Guerreiro wohl den besten Techniker des Teams verloren. Der Portugiese war und ist zwar verletzungsanfällig und hat defensive Schwächen, hätte aber noch immer einen enormen Mehrwert mitgebracht. Einen solchen Spieler ablösefrei ziehen zu lassen, was nach aktuellem Kentnisstand vermeidbar war, ist ein Schuss ins eigene Bein.
Die weiteren Abgänge sind allesamt vertretbar, wobei der fußballerisch beschlagene Dahoud durchaus eine Rolle hätte spielen können. Zudem ist Tom Rothe gewissermaßen der Josip Stanisic der Dortmunder. Der Youngster hätte auf der schwach besetzten Außenverteidiger-Position durchaus eine Rolle spielen können. Wenn man schon nicht den Mut hat, viel Geld in einen Top-Spieler zu investieren, hätte man hier der Jugend eine Chance geben können. Auf der anderen Seite kann er in Kiel regelmäßig(er) spielen und sich so vielleicht noch besser weiterentwickeln.
Diese Spieler hätten noch verkauft werden sollen:
Fraglich ist, ob Salih Özcan noch einen Mehrwert bietet. Ein wirklich hochwertiger Ersatz für Can auf der Sechs ist er jedenfalls nicht. Zudem hätte man auch für Thorgan Hazard besser einen Abnehmer gefunden, selbst wenn er als Linskverteidiger-Back-up eine Rolle spielen könnte (was dann auch schon alles über das BVB-Management sagt).
Eine Leihe hätte im Falle von Youssoufa Moukoko Sinn ergeben. Der Youngster ist nach dem Füllkrug-Transfer nur noch die Nummer drei im Angriff. Demnach wird das Top-Talent der Borussen wohl nur wenig Spielzeit erhalten.
Fazit:
Der BVB hat keine gute Transferphase hingelegt. Der zu günstige Verkauf von Bellingham und der unnötige Guerreiro-Verlust werfen einen Schatten auf die Leistung der Verantwortlichen. Bei den Käufen hat sich der Verein überraschend unkreativ gezeigt und mit Nmecha nur einen Akteur mit Entwicklungspotenzial verpflichtet. Wenn Spieler wie Bellingham und Guerreiro gehen, erwartet man von einem ambitionierten Klub, dass auch zumindest ein Kracher kommt. Unter dem Strich bleibt zwar ein sattes Transfer-Plus, aber eine qualitätsärmere Mannschaft. Diese wurde zwar nach den Wünschen von Edin Terzic zusammengestellt, der auf Mentalität, Laufstärke und Athletik baut, jedoch spielerisch weniger zu bieten hat. Derzeit sieht es eher so aus, als würde sich Terzic an seiner eigenen Kader-Politik die Finger verbrennen. Der Kader weißt weiterhin Schwächen auf den beiden Außenverteidiger-Positionen und im zentralen Mittelfeld auf. Vor dem BVB 2023/24 dürften die Bayern nicht wirklich Angst haben und auch Leipzig und Leverkusen, die auf dem Transfermarkt deutlich besser agiert haben, könnten vorbei gezogen sein.
Bewertung: 3/10
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