Baustellen 2024: Die Weihnachts-Wunschliste der DFB-Frauen
Von Helene Altgelt
Die DFB-Frauen werden froh sein, das Jahr 2023 abzuhaken: Verpatzte WM, Trainer-Chaos, Formkrise - es lief nicht gut in den zwölf Monaten. Was muss nächstes Jahr besser werden, was sind die Ziele? Die Weihnachts-Wunschliste.
Olympia-Qualifikation sichern
Der erste To-Do-Punkt steht schon bald an: Die Olympia-Qualifikation sichern. Mit Ach und Krach konnte die DFB-Elf sich für das Halbfinale der Nations League qualifizieren, jetzt fehlt noch ein Sieg, um die Koffer für Paris 2024 packen zu können.
Die Elf von Horst Hrubesch hatte Losglück: Im Halbfinale treffen die DFB-Frauen auf Frankreich. Les Bleues sind bereits als Gastgeber qualifiziert, und stehen so weniger unter Druck. Außerdem bekäme Deutschland im Falle einer Niederlage eine zweite Chance, weil dann der dritte Platz für die Qualifikation reicht.
Frankreich ist zwar ein starker Gegner, aber nicht unschlagbar. Deutschland besiegte sie bereits bei der EM 2022 und danach bei einem Freundschaftsspiel - besonders Alexandra Popp trifft gerne gegen die Französinnen.
Die Chancen für die Olympia-Qualifikation stehen also nicht schlecht. Zur Wahrheit gehört auch: Wenn Deutschland weder gegen Frankreich, noch gegen die Niederlande oder Spanien gewinnen kann, wäre es verdient, Olympia nur vom TV aus zu verfolgen. Die zweiten Olympischen Spiele in Folge ohne Deutschland wären kein gutes Zeichen, eine Teilnahme allein für das Selbstvertrauen und das Prestige sehr wichtig.
Schnelle Sicherheit bei der Trainer-Frage
Die deutschen Spielerinnen haben oft betont, wie sehr sie die Unsicherheit nach der WM belastet hat: Lange war nicht klar, ob Martina Voss-Tecklenburg weitermacht, und wenn nein, wer sie dann ersetzt. Mit Horst Hrubesch hatte der DFB zwar die ideale Zwischenlösung parat - aber es bleibt eine Zwischenlösung.
Mit Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen gilt es, schnell Klarheit auf der Trainerposition zu schaffen. Das wird nun die Priorität von Nia Künzer sein, die als Sportdirektorin für das Frauen-Nationalteam zu großem Teil für die Abarbeitung der Weihnachts-Wunschliste verantwortlich ist.
Nach der Olympia-Qualifikation folgen gleich die nächsten Herausforderungen, bald steht die Qualifikation für die EM 2025 an. Je mehr Zeit der neue Trainer dafür hat, desto besser. Gleichzeitig ist Vorsicht geboten, denn nach dem verkorksten Jahr 2023 ist klar: Einen Griff ins Klo kann sich der DFB jetzt nicht leisten.
Neues Stammgerüst finden
Größte Herausforderung für den neuen Trainer oder die neue Trainerin wird es sein, ein neues Stammgerüst für die Nationalelf zu finden. Bei der EM 2022 war die feste Achse von Martina Voss-Tecklenburg ein großer Baustein des Erfolges.
Aber diese Achse ist ins Wanken geraten. Alexandra Popp und Marina Hegering sind über 30, ihre Nachfolgerinnen müssen eingearbeitet werden. Und auch im Mittelfeld, dass das eigentlich Prunkstück der DFB-Elf sein soll, gibt es mehr offene Fragen als Selbstverständlichkeiten. Lina Magull und Sara Däbritz waren unter Voss-Tecklenburg stets gesetzt, aber das Trio mit den beiden und Lena Oberdorf funktionierte dieses Jahr nicht.
Talent gibt es genug, aber welche Konstellation ist die beste? Im nächsten Jahr wird es wohl einige Experimente geben. Sjoeke Nüsken, Linda Dallmann oder Sydney Lohmann sind im Kreis der Kandidatinnen für die Startelf. Es gilt, eine Balance zwischen Erfahrung und den dringend benötigten Veränderungen zu finden.
Junge Talente an die Elf heranführen
Zu den Veränderungen gehört auch, neue Gesichter an die DFB-Elf heranzuführen. Horst Hrubesch hat damit bereits begonnen und Elisa Senß von Leverkusen ihr Debüt verschafft - die spielstarke Sechserin ist ein neues Profil im Nationalteam und hatte bereits lange in der Frauen-Bundesliga auf sich aufmerksam gemacht.
Der Kreis der Nationalspielerinnen war zuvor recht geschlossen gewesen. Aber für neue Impulse, und um den Konkurrenzkampf anzukurbeln, sind neue Gesichter nötig. 2024 könnte dafür ein gutes Jahr sein, schließlich steht außer den Olympischen Spielen - bei denen die Teilnahme noch fraglich ist - kein großes Turnier mit entsprechendem Druck an.
Wiederaufbauen, experimentieren, ausprobieren, das muss die Devise sein. Mit Spielerinnen wie Vivien Endemann oder auch Talenten aus Essen wie Kowalski und Piljic gibt es genug Kandidatinnen für die Nationalelf. Gleichzeitig ist die Entwicklung von Klara Bühl, Jule Brand und Co., die dieses Jahr die Erwartungen noch nicht erfüllen konnten, extrem wichtig. 2024 könnte ein Übergangsjahr sein, das sinnvoll genutzt werden muss.
Eine neue spielerische DNA entwickeln
Jenseits der personellen Probleme stellen sich auch einige taktische Fragen. Wer sind wir eigentlich, wie wollen wir spielen - und vor allem: Wie wollen wir eigentlich gewinnen? Diese Fragen dominierten nach der WM, und auch in der Nations League konnte noch keine wirkliche Antwort darauf gefunden werden.
Klar ist, der WM-Ansatz hat nicht funktioniert - träger Ballbesitzfußball mit defensiven Schwächen war es gegen Südkorea und Kolumbien. Aber was ist die Alternative? Tiki-Taka wie bei Spanien braucht Jahre bis zur Perfektion, ein Konterfußball wie der von Schweden passt auch nicht unbedingt zum Team.
Am ehesten wird Deutschland wohl zum EM-Erfolgsrezept zurückkehren wollen. Das heißt: Stimmiges Pressing, Dominanz im Mittelfeld - und Effizienz vor dem Tor. Dazu muss aber mehr Variabilität aus dem Ballbesitz kommen, wenn die DFB-Frauen nicht erneut zu berechenbar werden wollen, besonders gegen die großen Gegner.