Baumann oder Nübel: Eine Analyse, wer ter Stegen als DFB-Keeper vertreten sollte

Die DFB-Elf braucht während der Abstinenz von Marc-André ter Stegen eine neue Nummer eins. Hoffnung dürfen sich Oliver Baumann und Alexander Nübel machen. Auf wen sollte die Wahl des Bundestrainers fallen?
Oliver Baumann, Alexander Nübel
Oliver Baumann, Alexander Nübel / Alexander Hassenstein/GettyImages
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Bundestrainer Julian Nagelsmann muss sich entscheiden: Wer soll Marc-André ter Stegen während seiner Verletzungspause als deutsche Nummer eins vertreten? Die beiden Kandidaten sind ausgemacht, Hoffenheims Oliver Baumann und Stuttgarts Alexander Nübel streiten sich um den Platz zwischen den Pfosten. Janis Blaswich, der dritte von Nagelsmann nominierte Torhüter, ist als klare Nummer drei eingeplant.

Sicher ist, dass Oliver Baumann mindestens in einem der beiden anstehenden Nations-League-Spiele starten wird. "Oli und Alex waren schon bei uns und haben ihre Sache gut gemacht. Vor allem Oli hat in der Liga und in der Europa League einen tollen Saisonstart hingelegt. Er hat es verdient, Spielzeit zu bekommen, und das wird er auch bekommen. Ich bin mir noch nicht 100%ig sicher, wie die Verteilung der Spielzeit sein wird, ob man zwei Spiele oder jeweils ein Spiel machen wird", erklärte Nagelsmann nach der Kadernominierung am Donnerstag.

Dem kicker zufolge wird Baumann auf jeden Fall bei der ersten der beiden Partien am Freitag in Bosnien und Herzegowina zwischen den Pfosten stehen. Der 34-Jährige soll zudem gute Chancen haben, auch im zweiten Spiel, am Montag gegen die Niederlande, zu beginnen. Nübel muss womöglich weiter auf sein Debüt warten. Bereits im Sommer hatte er das Nachsehen gegenüber Baumann, als es darum ging, wer von dem Duo als Nummer drei hinter Manuel Neuer und ter Stegen zur Heim-EM fährt.

Baumann weiß trotz vieler Gegentore zu überzeugen

Wäre die Wahl auf Baumann die richtige für den Bundestrainer? Wir werfen einen Blick auf die Statistik. Dort fällt zunächst auf, dass Baumann in der laufenden Saison die zweitmeisten Gegentore aller Bundesliga-Keeper hinnehmen musste, 16-mal in sechs Spielen griff er hinter sich, nur Timon Weiner von Holstein Kiel ließ noch mehr Schüsse passieren. Schuld an der Gegentorflut ist der Schlussmann jedoch nicht.

Laut fbref kommt die TSG Hoffenheim wegen Baumanns Leistungen sogar noch glimpflich davon. Der durchschnittliche Abschluss, den Baumann in den letzten 365 Tagen auf seinen Kasten bekommen hat, hat einen expected-Goals-Wert von 0,34. Damit lässt die TSG bessere Abschlüsse zu, als 95% der Hintermannschaften in den europäischen Top-Fünf-Ligen. Bedeutet: Kaum ein Keeper hat es derzeit so schwer wie Oliver Baumann.

Daran gemessen, haben die Hoffenheimer pro 90 Minuten sogar 0,1 Gegentore weniger kassiert als erwartbar gewesen ist. Ein Indikator für eine starke Torhüterleistung, durch die Baumann besser als 75% aller Keeper in den Top-Fünf-Ligen zu verordnen ist.

Beide Keeper passen zu Nagelsmanns Anforderungen

Anders sieht es bei Alexander Nübel aus. Der Stuttgarter weist in derselben Kategorie einen negativen Wert auf (-0,18), der VfB hat in dem Zeitraum also mehr Gegentreffer bekommen, als erwartbar war. Im Vergleich zu den anderen Stammkeepern Europas schneidet Nübel damit schlecht ab, ganze 86% der Torhüter in den Top-Fünf-Ligen sind besser als er, was diesen Wert betrifft.

Im System von Julian Nagelsmann sind jedoch nicht nur die Qualitäten auf der Linie gefragt, der Bundestrainer fordert von seinen Torhütern, dass sie sich im Spielaufbau beteiligen und die Bälle von hinten heraus sicher zum Mitspieler bringen. Zudem soll der Torhüter als letzter Mann hinter der Abwehrkette agieren und wenn nötig, auch außerhalb des Strafraums Angriffe unterbinden.

Was das angeht, weisen beide Keeper Spitzenwerte auf. Sowohl Nübel (1,69 Abwehraktionen außerhalb des Strafraums pro 90 Minuten - besser als 88%) als auch Baumann (1,86 Abwehraktionen außerhalb des Strafraums pro 90 Minuten - besser als 93%) verlassen regelmäßig den Sechzehner, um zu klären.

Auch das Aufbauspiel gehört für beide Keeper zu ihren Stärken. Beide suchen auch unter Druck die spielerische Lösung und finden dabei zuverlässig ihre Mitspieler. Nagelsmann kann beide ins Tor aufstellen, ohne seine Spielweise ändern zu müssen.

Ist Nübel die bessere Option für die WM?

Mit Blick auf die Leistungsdaten lassen sich also gute Argumente dafür finden, dass Baumann die Nase vorne hat. Für Nübel spricht sein Alter. Mit Blick auf die WM in zwei Jahren ist es bei Nübel sicherer, dass er dann immer noch sein volles Leistungsvermögen abrufen kann, als bei Baumann, der dann 36 Jahre alt sein wird.

Für Nagelsmann scheint diese Perspektive jedoch ohnehin nicht relevant zu sein. Trotz der Verletzung ist Marc-André ter Stegen weiterhin als Nummer eins für die WM eingeplant. "Er ist unsere Nummer eins - und das bleibt er auch“, erklärte der Bundestrainer unlängst.

Im Worst-Case-Szenario kann ter Stegen nach der Verletzung nicht an die alte Leistungsfähigkeit anschließen und Baumann erlebt noch vor der WM einen altersbedingten Leistungseinbruch. In diesem Fall müsste Nagelsmann relativ spontan vor der WM eine neue Nummer eins installieren, die zuvor kaum Länderspielerfahrung sammeln konnte.

Ein Risiko, das der Bundestrainer jedoch offenbar bereit ist, einzugehen. Zumal die Wahl auf Baumann zu seiner Message aus dem September passen würde: Die Nations League soll für die DFB-Elf keine Zeit für Experimente sein, sondern eine Möglichkeit, sich eine Gewinnermentalität anzueignen. Dafür darf es ohnehin keine jungen und alten Spieler geben, sondern nur gute und nicht ganz so gute. Baumann das Vertrauen auszusprechen, ist vor diesem Hintergrund die konsequente Entscheidung.


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