Zurück zu den Wurzeln: Der neue alte Weg des FC Barcelona
Von Guido Müller
Nach dem Ende der diesjährigen Sommer-Transferperiode haben sich die europäischen Klubs, wie jedes Jahr, personell neu aufgestellt. Im Guten wie im Schlechten. Vor allem beim FC Barcelona wird dieser Sommer 2021 später einmal in die Klub-Annalen eingehen: als der Sommer, in dem man sich von den ganz großen Namen verabschieden musste.
Kleinere Brötchen backen - das ist jetzt das neue Motto bei den Azulgrana. Man könnte auch die Heilige Schrift, mutatis mutandis, bemühen. Denn den fetten (15) Jahren unter der Ägide von Lionel Messi, dem Weltbeherrscher des Fußballs der letzten eineinhalb Jahrzehnte, dürften nun einige magerere folgen.
Die culés werden sich wünschen, dass es nicht gleich (biblische) sieben werden, denn eine solche Zeitspanne ist im Fußball eine halbe Ewigkeit. Von fünfzehn Jahren gar nicht erst zu reden...
Substanzverlust ist offensichtlich
Am Tag Eins nach der Stunde Null sieht es beim FC Barcelona auf den ersten Blick tatsächlich ziemlich ernüchternd aus. Kein Wunder: wo vorher Lionel Messi und Antoine Griezmann die Offensive schmückten (auch wenn der Franzose im Nou Camp nie an die Form seiner ersten Atlético-Zeit heranreichte), müssen sich die Fans nun mit etwas weniger klangvollen Namen zufriedengeben.
Wobei ein Memphis Depay noch durchaus in die Kategorie "internationale Spitzenklasse" einzuordnen ist. Ob er noch in den Bereich "Weltklasse" kommen kann, wie sie la pulga über die letzten eineinhalb Dekaden verkörpert hat, ist jedoch zweifelhaft.
Noch deutlicher wird der Substanzverlust eine Niveau-Stufe darunter. Ein Antoine Griezmann, der insgesamt zwar hinter den (zu hohen?) Erwartungen geblieben, trotzdem aber auf eine akzeptable Tor-Bilanz bei den Azulgrana gekommen ist (52 Scorerpunkte, aufgeteilt auf 35 Treffer und 17 Assists, in 102 Spielen), wird nun durch den früheren Gladbacher Luuk de Jong ersetzt.
Die Bilanz des Holländers aus den letzten zwei Jahren beim FC Sevilla: 24 Torbeteiligungen (19 Tore, 5 Vorlagen) in 94 Spielen. Etwas rausgerissen wird diese für einen Stürmer eher ernüchternde Statistik durch seine Sternstunde im unter Corona-Bedingungen gespielten Europa League-Finalturnier der Saison 2019/20.
Zunächst traf er beim 2:1-Sieg der Andalusier im Halbfinale gegen Manchester United - und steuerte fünf Tage später, beim 3:2 im Finale gegen Inter, sogar zwei Tore zum späteren Triumph bei. Danach wurde es jedoch wieder ruhig um den Holländer, der sich zuletzt sogar auf Rang drei der Stürmer-Hierarchie der Südspanier relegiert sah.
Absolute Weltklasse gegen gehobenes internationales Niveau eingetauscht - und dennoch mit traditionell hohen Ambitionen in die neue Saison gestartet: diesen Spagat bewältigen zu können, muss der FC Barcelona erst noch beweisen.
In den finanziellen Zwängen liegt auch eine Chance
Doch vielleicht liegt in den dramatischen finanziellen Zwängen (Folge eines unbekümmerten Prassens in der Vergangenheit) ja auch eine Chance.
Wir vergessen nicht: ein Lionel Messi wurde seinerzeit nicht für eine Mega-Ablöse von irgendeinem argentinischen Klub losgeeist, sondern stellte sich, 13-jährig und in Begleitung seiner Eltern, die ihm in Europa eine Hormontherapie ermöglichen wollten, dem Klub persönlich vor.
Dies wird auch in den kommenden Jahren der Weg der Blaugrana sein müssen: gute Talente rechtzeitig für sich gewinnen - und mit ihnen wachsen. Denn zum Ausbildungsverein will man ja nun auch nicht gleich verkommen.
Und das muss man auch nicht: die bereits gezeigten Leistungen der Talente der Gegenwart bezeugen ja schon, dass dieser Weg durchaus gangbar ist und auch kompatibel mit neuen sportlichen Erfolgen sein kann.
Wer jedenfalls Spieler wie Pedri, Ansu Fati, Yusuf Demir, um nur mal drei zu nennen, in seinen Reihen weiß, dem braucht vor der Zukunft eigentlich nicht bange zu sein.
Auch wenn diese ohne echten Superstar angegangen wird.