Barcelona-Frauen auf Shoppingtour: Leben auf Pump trotz finanzieller Probleme?
Von Helene Altgelt
Der Stadionname, die TV-Rechte, die Topverdiener, die digitalen Inhalte: Beim FC Barcelona geht es in den letzten Jahren zu wie beim Sommerschlussverkauf - alles muss raus, alles wird verscherbelt. Grund dafür ist bei den Katalanen weniger der fehlende Platz in der überquellenden Rumpelkammer, als schwerwiegende finanzielle Probleme.
Nachdem Barça 2021 fast Bankrott gegangen war, verkaufte der neue Präsident Joan Laporta alles, was zu verkaufen war, um frisches Geld zu bekommen. Dafür verzichtet der Klub langfristig auf einen Teil der Einnahmen. Die finanziellen Probleme sind damit aber längst nicht gelöst. Der Traditionsklub hat weiter horrende Schulden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro und könnte wegen Verstöße gegen die Finanzregularien der UEFA sogar ab der Saison 2024/25 aus den europäischen Wettbewerben ausgeschlossen werden.
Der Gürtel beim ehemaligen Weltklasseklub muss enger geschnallt werden, und Barça leidet immer noch aus den exzessiven Ausgaben der letzten Jahre: Die Gehälter der Spieler sind enorm, 2023 waren es sogar die höchsten in Europa - und dazu muss der Klub noch einige Gehälter nachzahlen.
Dominanz im Frauenfußball trotz Finanzchaos
Kurz, die Situation ist alles anders als rosig. Da kommen die positiven Schlagzeilen aus dem Frauenfußball für Barcelona wie gerufen. Dort ist die Barça-Welt noch heile: Tiki-Taka-Fußball wie aus dem Lehrbuch, zu Weltklassespielerinnen gereifte Eigengewächse, Dominanz in Spanien und darüber hinaus, begeisterte Fans.
Die finanziellen Probleme des Klubs scheinen der Frauensparte nicht zu schaden, Barça ist beim Wettbieten um die besten Spielerinnen stets ganz vorne dabei und verstärkt sich jede Saison noch mehr. Zuletzt wurde bekannt, dass Wolfsburg-Stürmerin Ewa Pajor sich nach der Saison wohl den Katalanen anschließen wird. Die Lücke auf der Position zu schließen, war Barça offenbar viel Geld wert - eine Ablösesumme von 500.000 Euro steht im Raum, genauso hoch soll Pajors jährliches Gehalt sein.
Finanzchaos und teure Blockbuster-Transfers bei den Frauen - wie passt das zusammen? Warum kann sich Barça die stolzen Gehälter seiner Spielerinnen leisten und befindet sich weiter auf Expansions- statt Sparkurs?
Barça bei Einnahmen im Frauenfußball in eigener Liga
Zum einen sind die Barça-Frauen bei den finanziellen Fragen in ihrer eigenen Liga - und das ist positiv gemeint, statt wie bei den Männern negativ. Wie groß der Vorsprung zwischen Barcelona und dem Rest der europäischen Frauenfußballklubs ist, zeigt eine Analyse von Deloitte: Die "Football Money League" berechnet die Einnahmen und Ausgaben der Vereine. In der Saison 2022/23 verzeichnete der Klub im Frauenfußball Einnahmen in Höhe von 13,4 Millionen Euro - stolze 5,4 Millionen Euro mehr als der zweitplatzierte Klub, Manchester United.
Barcelona konnte seine Einnahmen damit um 74% steigern, lag besonders bei der Vermarktung vorne. 8,5 Millionen Euro verdiente der Klub durch Werbedeals, Trikotverkäufe etc. Die Lücke zu den anderen Vereinen ist extrem groß - Bayern, der deutsche Verein mit den höchsten Einnahmen, hatte "nur" 3,1 Millionen Euro auf der Habenseite. Die Vereine auf Rang 11 bis 15 bei den Einnahmen kamen insgesamt auf 7,3 Millionen Euro - also etwa halb so viel wie die Einnahmen von einem einzigen Klub, Barcelona.
Das zeigt, wie stark die Vermarktung der Frauenabteilung ist. Die Trikots von den Gesichtern des Teams wie Alexia oder Aitana Bonmatí werden mehr verkauft als die von einigen Spielern der Herrenmannschaft, und von den Zuschauerzahlen können andere Klubs nur träumen (zumindest vor dem temporären Umzug, denn das Camp Nou wird aktuell renoviert). Gerade auf Social Media hat Barcelona Femini eine extrem große Präsenz.
Dadurch haben sie, und das ist ein entscheidender Punkt, sich eine eigene Marke aufgebaut. Zwar nicht komplett unabhängig von dem "Hauptklub" Barcelona, aber doch näher dran als viele andere Vereine. Und der finanziellen Misere des Vereins zum Trotz geht der Trend weiter stark nach oben.
In der laufenden Saison 2023/24 soll es zum ersten Mal eine insgesamt positive Bilanz geben, rechnet die spanische Zeitung Sport vor. Die Einnahmen werden voraussichtlich erneut stark wachsen, auf 18 Millionen. Schon in der letzten Saison war die Frauenfußball-Abteilung nicht weit weg davon, profitabel oder immerhin ausgeglichen zu sein, was der Plan gewesen war - 2022/23 belief sich das Minus insgesamt auf 129.000 Euro.
Am Ende dieser Saison soll dann ein Plus von 2,3 Millionen Euro stehen. Bemerkenswert ist, dass die Bilanz weiter und weiter besser wird, obwohl auch die Ausgaben stark gestiegen sind. Inzwischen gibt Barça rund 9 Millionen Euro für die Gehälter von Spielerinnen und den Staff aus - 64% mehr als noch im letzten Jahr.
Riskantes Kalkül - Barça baut auf weiteren Boom
Barça hat also aus eigener Erfahrung in den letzten Jahren gelernt: Wer investiert, wird belohnt. Als der Klub im Frauenfußball nur das Nötigste ausgab und seine Spielerinnen auf dem Parkplatz trainieren ließ, gab es auch keine Einnahmen. In den letzten Jahren hat sich die Bilanz trotz steigender Ausgaben dagegen verbessert.
Daher wollen die Katalanen diesen Weg wohl weitergehen: Viel Geld in Weltklassespielerinnen investieren, und gleichzeitig darauf setzen, dass die Einnahmen noch weiter steigen. Mit einer Mexiko-Werbetour nahm der Klub im letzten Jahr etwa viel Geld ein - auf mehr von solchen Aktivitäten kann sich Ewa Pajor sicher verstärkt einstellen.
Es ist ein Kalkül, das angesichts der Erfahrungen der letzten Jahre Sinn ergibt - und doch ein hochriskantes ist. Damit die Strategie aufgeht, müssen die Einnahmen stets weiter steigen, die Zuschauerzahlen ebenso. Aber das ist nicht sicher - bereits in den letzten Jahren zeigten sich Anzeichen dafür, dass die Einschätzungen, wie viel Frauenfußball wert ist, auseinandergehen.
Aktuell fallen die Rekorde an allen Ecken und Enden, die amerikanische Liga NWSL hat mit ihrem neuen Vertrag nun Einnahmen, die 40 Mal so hoch sind wie zuvor. Barcelona muss sich wohl auf das Verhandlungsgeschick der spanischen Ligabosse verlassen, aber der aktuelle Vertrag mit DAZN läuft noch bis 2027. Und einfach so in die USA umziehen, wird wohl kaum möglich sein.
Der Klub wird also auch auf der Frauenseite Kreativität beweisen müssen, und weiter pfiffige Marketingstrategien entwickeln. Aktuell schreiben alle Sparten bei Barcelona - Handball, Basketball, Hockey - rote Zahlen, überall wird gespart, um wieder auf Null zu kommen. Beim Frauenfußball geht der Verein ins Risiko.
Im Vergleich zu explodierten Kosten im Männerfußball nur Peanuts
Gleichzeitig sieht der Verein das Risiko wohl als kleiner, als die erwartbaren Gewinne. Im Frauenfußball wirken Zahlen wie die 500.000 Euro Ablöse für Ewa Pajor plus dieselbe Summe als jährliches Gehalt zwar noch horrend: Noch vor nicht allzu langer Zeit dominierte Olympique Lyon schließlich mit einem jährlichen Etat von 5 Millionen Euro - mit Abstand der größte in Europa -, während Barça nun allein für eine Spielerin über vier Jahre zwei Millionen ausgibt.
Im Vergleich mit den Zahlen des gesamten Klubs sind das aber natürlich Peanuts. Allein für Provisionen im Männerfußball gab Barça 2023 schlappe 40 Millionen aus, und die Gehälter von allen Sportsparten zusammen betragen 55 Millionen - verglichen mit 571 Millionen für das erste Männerteam. Wo das große Sparpotenzial liegt, ist also klar.
Auch im Frauenfußball wird es keine astronomischen Gehälter geben, wie die zähen Verhandlungen mit Ballon-d'Or-Gewinnerin Alexia Putellas, deren Vertrag 2024 ausläuft, zeigen. Aber Barça ist durchaus bereit, weiter zu investieren, um den Vorsprung im Frauenfußball auszubauen und später zu profitieren. Ob dieses Kalkül aufgeht, wird sich noch zeigen.