Ändert Barça endlich die Transferstrategie? Defensive Stabilität vor offensivem Spektakel!
Von Guido Müller
Die Zukunft von Barcelonas Superstar Lionel Messi ist auch knapp zwei Monate vor Saisonende weiter ungeklärt. Der neue Präsident muss sein Versprechen einlösen, La Pulga von einem Bleiben zu überzeugen. Das dürfte teuer werden. Wie auch die anderen Planspiele der Katalanen, die sich bislang mehr mit kostspieligen Neuzugängen für die Offensive beschäftigen. Doch ob das die richtige Strategie ist?
Noch kann der FC Barcelona in dieser Saison zwei Titel gewinnen. Im Pokalfinale wartet bereits am 17. April Athletic Bilbao (das kurioserweise acht Tage zuvor das verschobene Finale von 2020 gegen die Real Sociedad aus San Sebastián bestreitet), in der Meisterschaft heißt es, im Schlussspurt die vier Punkte Rückstand auf Tabellenführer Atlético aufzuholen. Doch es gilt natürlich nun auch, die kommende Saison zu planen.
In diesen Plänen fällt natürlich immer wieder der Name von Lionel Messi. Gelingt es dem frischgewählten Klub-Chef Joan Laporta tatsächlich, den Fixstern von einer weiteren Zusammenarbeit zu überzeugen?
Von der Beantwortung dieser Frage hängen zwangsläufig alle anderen Planungen ab. Gesetzt den Fall, dass sich der Crack tatsächlich überreden lässt (was mit erheblichen Kosten verbunden sein dürfte), ergäbe sich ein recht optimistisch stimmendes Bild in der Offensive.
Zwar dürfte auch der argentinische Ausnahmefußballer Schwierigkeiten haben, an seine allerbesten Zeiten bei Barça anzuknüpfen - in der Saison 2011/12 gelangen ihm in 60 Pflichtspielen sagenhafte (und nie erreichte) 73 Tore, ein Jahr später sah die Bilanz nicht wesentlich schlechter aus (60 Tore in 50 Spielen!) -, doch solch stratosphärische Leistungen waren selbst in seiner Karriere die absoluten Höhepunkte.
Selbst ein "irdischer" Messi garantiert immer noch 30 Tore pro Saison
Doch auch neun Jahre nach diesen Meilensteinen des spanischen Vereinsfußballs liefert Messi immer noch mit beeindruckender Beständigkeit Tore und Torvorlagen. In der aktuellen Saison sind es schon wieder 29 Tore in 37 wettbewerbsübergreifenden Spielen. In der Vorsaison verzeichnete er ähnliche Werte, wieder ein Jahr (2018/19) zuvor kratzte er mit 51 Toren in 50 Spielen nochmal an den Marken zu Beginn der Zehner-Jahre.
All diese Statistiken zeigen: selbst ein auf "Normalmaß" gestutzter Lionel Messi garantiert dem Team immer um die 30 Tore pro Saison - von den Torvorlagen (einer Parzelle, in der er sich in den letzten Jahren immer mehr hervorgetan hat) ganz zu schweigen.
Nimmt man dann noch die Kollegen in der Offensive (Antoine Griezmann, Ousmane Dembélé, Ansu Fati, Martin Braithwaite oder auch Pedri) hinzu, erscheint der FC Barcelona in diesem Mannschaftsteil überdurchschnittlich gut aufgestellt.
Barças Problemzone ist die Defensive
Viel mehr sollten sich die Blaugrana in den kommenden Wochen und Monaten darauf konzentrieren, die Defensive zu stärken. Die 24 Gegentore in der Liga sind nämlich trügerisch. Zwar können auch nur Atlético (18 Gegentore), der FC Sevilla (21) und Real Madrid (23) eine diesbezüglich bessere Bilanz vorweisen - doch viele der verhinderten Einschläge im eigenen Kasten hat die Mannschaft nicht zuletzt Marc-André ter Stegen zu verdanken.
Denn für eine wirkliche Spitzenmannschaft lassen die Katalanen viel zu viele Chancen des Gegners zu. Weshalb ein genauerer Blick auf die Hintermannschaft geworfen muss.
Ein 34-Jähriger als Symbol für eine neue Zeit?
Ein in die Jahre gekommener Gerard Piqué (34), der darüber hinaus auch viel mit eigenen Projekten beschäftigt ist (Stichwort Davis-Cup), kann eigentlich nicht das Symbol für einen Aufbruch in bessere Zeiten sein.
Bei allen unbestrittenen Verdiensten für den Klub: Spiele wie im Champions-League-Viertelfinale des vergangenen Jahres (gegen die Bayern) oder das Achtelfinal-Hinspiel der diesjährigen Edition gegen PSG haben seine Defizite in puncto Schnelligkeit gnadenlos aufgedeckt.
Des weiteren machen dem Routinier auch zunehmende Verletzungspausen das Leben schwer. In der laufenden Spielzeit verpasste Piqué bereits 30 (!) Spiele. Zum Vergleich: im Zeitraum zwischen der Spielzeit 2012/13 und der Saison 2017/18 waren es insgesamt 32 Partien, in denen er nicht mitwirken konnte.
Die Nachwuchskräfte brauchen noch Zeit
Die immer häufiger werdenden Fehlzeiten des Welt- und Europameisters haben es in dieser Saison Nachwuchskräften wie Óscar Mingueza oder Ronald Araújo erst ermöglicht, sich in den Vordergrund zu spielen. Auf Top-Niveau sind beide jedoch - logischerweise - noch nicht.
Und wenn wir schon über Verletzungen sprechen, kann ein anderer Weltmeister (nämlich von 2018) nicht fehlen: Samuel Umtiti. Der verpasste seit seiner Debütsaison für die Spanier (2016/17) schon 83 Partien der Azulgrana. Spötter in Barcelona behaupten, er habe mehr Spiele verpasst als gespielt.
So konnte sich zwar sein Landsmann Clément Lenglet etwas mehr in den Vordergrund spielen - als Fels in der Brandung hat sich aber auch der 25-jährige frühere Sevilla-Profi nicht entpuppt.
Da aber, einem Bonmot gemäß, Defensiven Meisterschaften gewinnen (während Offensiven für einzelne Spiele entscheidend sein können), sollte hier das Hauptaugenmerk der Verantwortlichen liegen.
Und nicht darin, eine Formel zu finden, um den allerorten heißbegehrten Erling Haaland ins Nou Camp zu locken. Was nützen ein oder zwei Haaland-Treffer pro Spiel (wenn er sie denn im blauroten Trikot schießen würde), wenn hinten ebenfalls zwei oder drei fallen?
Seit sechs Jahren läuft Barça in der Champions League der Musik hinterher
Umso bemerkenswerter, wie ruhig es in dieser Beziehung beim Klub ist. Ja, den Glamour bringen vor allem die Spieler, die für Tore sorgen. Doch wohin es den Klub mit dieser Ausrichtung in den letzten fünf Jahren geführt hat, sehen wir ja.
Drei spanische Meisterschaften, ebenso viele nationale Pokale - das war es dann auch schon. Was für andere Klubs ein Riesenerfolg wäre, ist für den, der mehr als nur ein solcher sein will, reines Beiwerk. In dem wirklich wichtigen Wettbewerb, der Champions League, haben die Blaugrana seit sechs Jahren salopp gesagt nur auf die Fresse bekommen.
Die Abwehr der Katalanen beim letzten Triumph in der Königsklasse (2015 beim 3:1 über Juventus in Berlin) bildeten übrigens ter Stegen, ein sechs Jahre jüngerer Piqué, an seiner Seite ein amtierender Vize-Weltmeister (Mascherano), sowie Jordi Alba auf der linken und Dani Alves auf der rechten Seite.
Von diesem Niveau ist die Defensive anno 2021 Welten entfernt. Um so dringlicher, sich nun auch hinten adäquat zu verstärken. Ansonsten wird der FC Barcelona in der Champions League auch in den kommenden Jahren nur dabei sein - statt mittendrin.