Barça überzeugt bei seinem Eintritt in die neue Ära
Von Guido Müller
Später einmal wird es in die Geschichte eingehen, dieses Liga-Spiel zwischen dem FC Barcelona und der Real Sociedad. Als das erste Spiel nach der glorreichen Messi-Ära. Doch für Nostalgie ist im Tagesgeschäft des Profi-Fußballs für gewöhnlich kein Platz.
Tatsächlich wurde das Post-Messi-Syndrom am gestrigen Sonntagabend durch andere, positivere Aspekte erfolgreich beiseite geschoben.
Zum einen wäre da natürlich die Rückkehr der Stadionzuschauer (nicht nur in Barcelona) zu nennen. Gut 20.000 Fans im weiten Rund des Nou Camp machten den Liga-Auftakt für die Azulgrana auch für deren Trainer Ronald Koeman zu "einem Genuss".
Man habe gar nicht gemerkt, so der holländische Coach (via as.com), "dass es nur 20.000 waren. Es schienen viel mehr zu sein."
Starke Vorstellung der Debütanten
Wohl auch deshalb, weil sie sich gestern nahezu von Beginn an gut unterhalten fühlten. Und damit sind wir schon bei der zweiten guten Nachricht des Abends: den Neuverpflichtungen. Also die unter ihnen, die gestern zu ihrem Pflichtspieldebüt im blau-roten Dress kamen. Die wussten nämlich zu überzeugen.
In der Innenverteidigung spielte "Rückkehrer" Eric García, als wäre er nie weggewesen. Als wären die vier Jahre nie gewesen, die seit seinem Abschied von La Masia in Richtung Manchester im Sommer 2017 ins Land gegangen sind.
Der 20-Jährige beging keinen einzigen Abspielfehler, eroberte sieben Mal das Leder und bestach zudem mit einer akkuraten Spieleröffnung.
García überzeugt - und lobt Nebenmann Piqué
Und blieb nach seinem gelungenen Debüt trotzdem bescheiden: "Es ist ein Genuss, an der Seite eines der besten Innenverteidiger der Geschichte zu spielen. Mit ihm an der Seite ist es einfach zu spielen."
Gemeint war Gerard Piqué, der offensichtlich begriffen hat, was es heißt, Säulenspieler des FC Barcelona zu sein. Vorbildlich schon sein Verhalten in der leidigen Gehaltskürzungs-Affäre, ging der Routinier auch in den rein sportlichen Dingen voran - und besorgte die Führung der Hausherren in der 19. Minute.
Doch die glänzenden Protagonisten des Spiels waren andere. Wie der neben García zweite Debütant in der Startelf: Memphis Depay. Der führte sich bereits nach wenigen Minuten mit einem "sombrero" (einem Lupfer über den Gegner hinweg) ein - und ließ die erwartungsvollen Fans somit gleich zu Beginn vor Entzücken jauchzen.
Im weiteren Spielverlauf ließ der holländische EM-Fahrer noch weitere qualitativ hochwertige Aktionen folgen, war an vielen Offensivaktionen der Gastgeber beteiligt. Marca spricht deshalb schon von einer "Vitaminspritze für den Klub" - und prophezeit den Barça-Fans, "noch viel Freude an Memphis" (wie er von der spanischen Presse meist nur genannt wird) zu haben.
Braithwaite der Mann des Spiels
Doch der Star des Spiels war eindeutig Martin Braithwaite. Zwei Tore (zum 2:0 und zum vorentscheidenden 3:0) erzielte der Däne höchstselbst, das Tor zum 4:2-Endstand durch Sergi Roberto bereitete er vor.
Drei Scorerpunkte gleich im ersten Spiel - da könnten die sportlichen Verantwortlichen durchaus noch mal ins Grübeln kommen, ob das wirklich eine so gute Idee wäre, den 30-Jährigen in diesem Transfersommer zu verkaufen.
Sein Trainer jedenfalls zeigte sich begeistert vom Angreifer: "Er ist ein Beispiel dafür, wie man als Profi aufzutreten hat. Zudem hat er sein Spiel nochmal verbessert. Er hilft uns in so wahnsinnig vielen Dingen, bringt vorne einen unglaublichen Speed rein und ist nur schwer zu verteidigen. Ich bin froh, Spieler wie ihn zu haben."
Auffällig, wenn auch nicht in den Torstatistiken erwähnt, war auch der Auftritt von Antoine Griezmann. Und zwar im positiven Sinne. Vor allem harmonierte der Franzose gut mit Depay und hatte auch ohne direkte Torbeteiligungen gute Offensivszenen. So auch beim 4:2, als er einen genialen vorletzten Pass auf Vorlagengeber Braithwaite gab.
Dabei hatte Koeman noch am Samstag medienwirksam die Verpflichtung eines Stürmers gefordert. Angesichts der katastrophalen Finanzlage der Katalanen kommt dieses Unternehmen allerdings der Quadratur des Kreises gleich.
Denn um Geld für einen Offensiv-Transfer in die Hand zu nehmen, muss dieses erstmal erwirtschaftet werden. Verkaufskandidaten bleiben in diesem Zusammenhang weiterhin die französischen Defensivspieler Clément Lenglet und Samuel Umtiti, Mittelfeldspieler Miralem Pjanic sowie Dauer-Sorgenkind Philippe Coutinho.
Der wurde zuletzt mit einem Wechsel zu Lazio Rom in Verbindung gebracht. Doch soll der Brasilianer selbst bereits abgewunken haben. Ein Klub auf Champions-League-Level sollte es dann schon sein für den 29-jährigen Brasilianer. Die Laziali indes können ihm in dieser Spielzeit lediglich Europa League anbieten...
Ist ein weiterer Stürmer wirklich notwendig?
Überhaupt erscheint die Verpflichtung eines weiteren Angreifers zur Zeit nicht wirklich dringend erforderlich. Das dänisch-französisch-holländische Offensivtrio, das gestern auf dem Platz stand, hat durchaus überzeugt.
Koeman sprach nach dem Spiel, und mit Verweis vor allem auf die erste halbe Stunde, vom "besten Spiel seit langer Zeit".
Darüber hinaus hat man in Sergio Agüero ja noch einen weiteren Hochkaräter im Kader, und perspektivisch mit den derzeit verletzten Ansu Fati und Ousmane Dembélé zwei weitere starke Alternativen in der Hinterhand.
Andererseits ist es der alljährliche Anspruch des FC Barcelona, auf allen drei Hochzeiten (Liga, Pokal und Champions League) bis zum Schlussakkord zu tanzen, was wiederum für eine gewisse Breite im Kader spricht.
Doch damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt: dem lieben Geld. Ohne Transfereinnahmen wird es nahezu unmöglich sein, weiteres frisches Blut in den Kader zu holen. Und wie sich der Markt in den noch verbleibenden fünfzehn Tagen entwickeln wird, kann ebenfalls niemand voraussagen.
Eigentlich könnten die Macher nach den gestrigen Eindrücken die Entwicklungen recht entspannt beobachten. Allerdings gehört auch zur Wahrheit, dass gerade einmal ein Liga-Spiel absolviert worden ist.
Messi-Ovation der Fans in der 10. Minute
Ach, und übrigens: so ganz konnten dann am gestrigen Abend die Reverenzen gegenüber dem abwesenden Ex-Superstar des Vereins doch nicht fehlen. In der 10. Minute ließen es sich die culés nicht nehmen, in einer Art Requiem den Namen des einstigen Messi-As zu besingen.
Doch neun Minuten später wurde dieser kurze Exkurs in die Vergangenheit auch schon vom tagesaktuellen Geschehen wieder eingeholt. Da hatte nämlich Piqué zur Führung getroffen. Natürlich mit Kuss auf das aufgestickte Vereinsemblem. Ein bisschen Nostalgie geht ja immer.