Barça ohne Messi: Eine Chance, den lange verpassten Umbruch einzuleiten
Von Florian Bajus
Der FC Barcelona ohne Lionel Messi - eine unwirkliche Vorstellung, und doch hat der Argentinier seinen Wechselwunsch hinterlegt. Die Verantwortlichen wehren sich gegen einen Abschied ihres Superstars, dabei könnten sie die Chance ergreifen, sich endgültig neu aufzustellen.
Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Lionel Messi das Herzstück in der Offensive des FC Barcelona. Der 33-Jährige steht für für viele Tore und Vorlagen, vielmehr aber noch für das ästhetische Fußballspiel, das die Fans Woche für Woche ins Staunen versetzt. Messi wird verehrt und gehuldigt, soll, wenn es nach den Klubbossen geht, sein ganzes Leben bei Barça verbringen. Nach der schwachen Saison 2019/20 und etlichen Streitigkeiten und Verfehlungen innerhalb des Klubs plant der sechsmalige Weltfußballer allerdings den Abflug.
Die Abhängigkeit von Messi ist größer denn je
Barça will Messi um jeden Preis halten, Präsident Bartomeu, der im kommenden Jahr ohnehin aus seinem Amt ausscheidet, soll sogar seinen Rücktritt angeboten haben, um ihn zu einem Verbleib zu bewegen. Vor einer Zukunft ohne Messi hat der Verein Angst, dabei ist es vielmehr als eine Chance zu begreifen.
In den vergangenen Jahren wurde alles nach ihm ausgerichtet - auch, weil die großen Transfers von Ousmane Dembélé, Philippe Coutinho und Antoine Griezmann wirkungslos geblieben sind. Keiner von ihnen hat es bislang geschafft, sich einen Namen im Camp Nou zu machen, keiner konnte Messi, der einst mit Xavi und Andres Iniesta harmonierte, unterstützen. In der abgelaufenen Saison konnte der Kapitän die Dinge nur noch alleine oder mit Hilfe von Luis Suarez richten - das reicht aber nicht aus, um die ganz großen Titel anzugreifen.
Ein Weggang Messis könnte eine Befreiung sein. Dann wären die Verantwortlichen losgelöst davon, eine Mannschaft zusammenzustellen, die nur auf einen Spieler ausgerichtet ist. Das liegt allerdings auch daran, dass es die Katalanen seit Jahren versäumen, die neue Generation im Hintergrund aufzubauen. Noch immer besteht der Mannschaftskern aus Spielern wie Messi, Suarez, Sergio Busquets, Gerard Pique oder Jordi Alba, die allesamt auf die letzten Jahre ihrer Karriere zusteuern. Neu zur Mannschaft stößt Miralem Pjanic (30), der im Tausch mit Arthur (23) von Juventus Turin verpflichtet wurde, um einen Spielgestalter für Messi aufbieten zu können - ein Generationswechsel sieht anders aus.
Barça braucht einen Wandel
Offenbar herrscht in der Führungsetage der Glaube, dass der Verein nur mit Messi erfolgreich sein kann. Dabei waren die Blaugrana schon vor seinem Durchbruch im Weltfußball erfolgreich, und sie werden es auch nach seinem Karriereende sein - denn ein Verein ist immer größer als ein einzelner Spieler.
Will man an die äußerst erfolgreiche Zeit unter Pep Guardiola oder Luis Enrique anknüpfen, braucht es einen radikalen Schnitt. Alte Hierarchien müssen aufgebrochen werden, die Mannschaft braucht eine neue Identität, frische Beine, die in den kommenden Jahren ihre eigene Ära prägen können. Es bringt nichts, ständig nur in den Rückspiegel zu schauen und sich daran zu erinnern, wie erfolgreich man noch vor einigen Jahren war. Man muss sich weiterentwickeln, neu erfinden und jährlich an die sich stetig ändernden Gegebenheiten des Fußballs anpassen.
Ein Weltstar allein kann eine Mannschaft nicht zu Ruhm und Glanz führen. Es braucht mehr. Unter Guardiola hatte Messi Xavi, Iniesta, Busquets, Pique, Carles Puyol, Thierry Henry und David Villa an seiner Seite. Unter Enrique fehlten Puyol, Henry und Villa, dafür waren Suarez, Neymar, Jordi Alba und Ivan Rakitic da. Gefühlt ist Messi im Jahr 2020 aber ein Einzelkämpfer. Für Fußballromantiker wäre eine Trennung beider Parteien ein Stich ins Herz, auch sportlich wäre Messi ein herber Verlust. Doch wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere - und jetzt ist die Chance größer denn je, sich endlich auf die Zukunft vorzubereiten.