Aufstieg für Thioune schon abgehakt? "Brauchen nicht über Dinge zu reden, die sich nicht realisieren lassen!"

Ein (leider) gewohntes Bild: Ulreich verlässt mit hängendem Kopf den Platz
Ein (leider) gewohntes Bild: Ulreich verlässt mit hängendem Kopf den Platz / Martin Rose/Getty Images
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Bislang ist HSV-Trainer Daniel Thioune noch nach jedem Rückschlag wieder aufgestanden, um kämpferisch in die Zukunft zu blicken. Nehmerqualitäten, die seinem Team leider völlig abgehen. Nach einem abermals wie ein fußballerischer Offenbarungseid daherkommenden Auftritt im gestrigen Heimspiel gegen den Karlsruher SC (1:1) zeigt sich nun jedoch auch der Coach erstmals ratlos.

"Aufgegeben wird auf unserer Seite sicherlich nicht, wir schütteln uns und stehen wieder auf." O-Ton Daniel Thioune nach der 1:2-Niederlage gegen Darmstadt vor drei Wochen (via mopo.de).

Aus den folgenden drei Spielen (gegen Sandhausen, Regensburg und Karlsruhe) wollten er und seine Mannschaft eigentlich neun Punkte holten. Zwei (!) sind es am Ende geworden.

Thioune wirkt ratlos

"Es macht keinen Sinn mehr, über die Mannschaften um uns herum zu reden. Wir brauchen nicht über Dinge zu reden, die sich nicht realisieren lassen, wenn wir keine Fußballspiele gewinnen." O-Ton Daniel Thioune nach dem gestrigen Remis gegen den KSC (via kicker.de).

Daniel Thioune
Wirkte erstmals sichtlich angeschlagen - und ratlos: Trainer Daniel Thioune / Martin Rose/Getty Images

Vorbei die kämpferischen Durchhalteparolen. Vorbei der Verweis darauf, dass ja noch genügend Punkte zu vergeben seien. Das gestrige Statement von Daniel Thioune riecht nach einer Aufgabe. Ohne Konditionen, könnte man sarkastisch hinzufügen.

Sekundiert wird die Desillusion des Trainers von der Sicht seines Torwarts Sven Ulreich, der nach der abermaligen Enttäuschung davon sprach, dass der Mannschaft die "Grundtugenden wie Zweikämpfe und zweite Bälle gefehlt" haben (via kicker.de).

Dem widersprach sein Trainer zwar umgehend. Doch vielmehr sollte dieser sich vielleicht fragen, warum einer seiner Schlüsselspieler auf dem Rasen diesen Eindruck hat. Als Trainer ist er schließlich Hauptverantwortlicher dafür, eben diese Grundtugenden von seinem Team einzufordern.

Kann man in gleicher Konstellation zuversichtlich in die neue Saison gehen?

Die sportliche Führung des Klubs hatte nach dem Spiel gegen Regensburg dem Trainer demonstrativ den Rücken gestärkt. Dennoch wollte man in den restlichen Spielen genau darauf achten, wie die Mannschaft auf die jüngsten Rückschläge reagiert.

Was die Herren Boldt und Mutzel allerdings gestern zu sehen bekamen, dürfte sie an ihrem Unternehmen, am Trainer festhalten zu wollen, schwer zweifeln lassen. Nicht nur, dass die Mannschaft eine abermalige spielerische Bankrotterklärung abgegeben hat.

Es fehlte über die gesamte Spieldauer auch der Elan, der unbedingte Wille, die Gegenentwicklung notfalls über den Kampf herbeizuzwingen. Grundtugenden halt.

Jonas Boldt
Wieviel Geduld hat er noch mit dem Trainer? Sportvorstand Jonas Boldt / Pool/Getty Images

Sprich: all das, was der Trainer seit Wochen an Reaktion fordert, wird ebenso regelmäßig auf dem grünen Rasen vom kickenden Personal konterkariert. Hat der Coach seine Spieler womöglich schon verloren?

Man braucht schon sehr viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass dieses Gerüst aus Coach und Spielern, die zu einem Großteil ja auch im kommenden Jahr noch beim HSV spielen werden, in der nächsten Saison plötzlich zur Erfolgskombination wird.

Zumal der finanziell nicht auf Rosen gebettete HSV ja auch nicht unbedingt die Spieler verpflichten kann, die er gerne hätte, sondern die, die er sich leisten kann. Die Differenz zwischen beiden Konzepten entscheidet am Ende dann meistens über den Verlauf einer Saison. Im Guten wie im Schlechten.

Jetzt könnte man Thioune eben dies zugute halten. Dass er nämlich aus einem den gegebenen Möglichkeiten entsprechend zusammengestellten Kader bis zur Ende der Hinrunde das scheinbar Maximale herausgeholt hat.

Erneuter Einbruch in der Rückrunde

Nur zur Erinnerung: nach 17 Spieltagen lagen die Rothosen mit drei Punkten Vorsprung auf den VfL Bochum und deren vier auf Holstein Kiel auf dem ersten Tabellenplatz.

Selbiger, nunmehr in Besitz der Bochumer, ist vierzehn Spieltage später acht Punkte entfernt. Die SpVgg Greuther Fürth, zur Saisonhalbzeit noch fünfter, ist mittlerweile auch schon am HSV vorbeigezogen.

Und auch die Kieler sind nur noch virtuell Vierter. Und haben bis zum nächsten Spiel des HSV (am 10. Mai um 20.30 Uhr gegen den Club) in drei Heimspielen (gegen Sandhausen, St. Pauli und Hannover) die Gelegenheit, den Zweipunkte-Rückstand auf die Hamburger wettzumachen.

Irgendwann in der Rückrunde also ist der HSV, mit Daniel Thioune am Steuer, ganz offensichtlich falsch abgebogen. Wo genau und weshalb - das zu analysieren gehört zum primären Aufgabenfeld eines Coaches. Und auch, aus der Analyse die richtigen Schlüsse zum Gegensteuern zu ziehen.

Beides scheint Thioune zur Zeit nur bedingt zu gelingen. Ob sich seine Vorgesetzten auf Dauer damit zufrieden geben und in selber Konstellation zuversichtlich in die neue Saison gehen können, erscheint anhand der wöchentlich eher schlechter denn besser werdenden Leistungen immer fraglicher.