Bangemachen gilt nicht: Warum Atlético weiter vom Meistertitel träumen darf
Von Guido Müller
Real Madrid hatte am Samstag vorgelegt. Nicht nur, dass die Königlichen den prestigeträchtigen Clásico gegen den Erzrivalen aus Barcelona gewannen. Sie erhöhten gleichzeitig auch den Druck auf Noch-Tabellenführer Atlético - der dann am gestrigen Sonntag im Auswärtsspiel bei Betis auch gleich zwei weitere Punkte einbüßte. Doch der eine gewonnene Zähler könnte am Ende noch Gold wert sein.
Denn die colchoneros waren gestern Nachmittag ja auch nicht bei irgendjemandem zu Gast: Die béticos stehen nach nunmehr 30 gespielten Runden immerhin auf Platz sechs und haben gute Chancen, sich für die kommende Europa-League-Saison zu qualifizieren.
Zudem mussten die Madrilenen bei den Andalusiern stark ersatzgeschwächt antreten. Ohne den zuletzt so starken Thomas Lemar, der sich mit Schmerzen im Oberschenkel rumplagte, ohne den gelbgesperrten Marcos Llorente und ohne Torjäger Luis Suárez beherrschten die rojiblancos die Partie in Sevilla zwar über weite Strecken, waren jedoch vorne meistens zu harmlos.
Betis im Gegensatz zu Atlético eiskalt vor dem Tor
Da die Gastgeber zudem mit einer brutalen Effizienz aufwarten konnten (ihr erster und einziger Torschuss in Halbzeit eins landete gleich im von Oblak gehüteten Gehäuse), war das Remis am Ende nur folgerichtig.
Dennoch thront Atlético auch nach dem 30. Spieltag immer noch auf dem Platz an der Sonne. Doch der Schatten, den der nunmehr hartnäckigste Verfolger Real Madrid wirft, wird ebenfalls immer länger.
Für Atléticos Trainer ist das indes keine Überraschung. Diego Simeone sagte bereits vor Monatsfrist, dass er nicht damit rechne, dass Real in dieser Spielzeit überhaupt nochmal verlieren wird. Den zweiten Verfolger FC Barcelona schloss er damals gleich in die Prophezeiung mit ein.
Womit er spätestens seit vorgestern also schon mal falsch liegt. Ein Unentschieden im Gigantentreffen wäre dem Cholo wohl auch lieber gewesen.
Lemar und Llorente kehren ins Team zurück
Sei es wie sei: Mut für die ausstehenden acht Partien macht jedenfalls - aus Atlético-Sicht - die Rückkehr der zuletzt Fehlenden. Zwar wird Top-Torjäger Suárez dem Team noch eine Weile fehlen, doch schon am nächsten Wochenende, gegen den Tabellenletzten aus Eibar (So, 16. 15 Uhr), wird Simeone wieder auf Lemar und Llorente zurückgreifen können.
Vorbehaltlich genauerer Untersuchungen wird auch weiterhin mit einem Einsatz von João Félix gerechnet, der gestern in Sevilla zur Pause verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste.
Die Rückkehr wichtiger Spieler - und das durchaus machbare Rest-Programm sind derzeit die Hauptpfeiler, auf die sich die Hoffnungen der Atlético-Gemeinde stützen.
Es warten fast nur noch Gegner aus der unteren Tabellenhälfte
Von den kommenden acht Gegnern (Eibar, Huesca, Athletic Bilbao, Elche, Barcelona, Real Sociedad, Osasuna und Valladolid) rangieren nur zwei (Barça und Real Sociedad) in der oberen Hälfte der Tabelle.
Das will bei einem Klub, der sich in den letzten Jahrzehnten den unrühmlichen Rufnamen "pupas" (auf deutsch etwa "aua!" oder "autsch!") erworben hat, zwar nicht viel bedeuten, taugt in einem so dramatischen Saisonfinale wie dem diesjährigen aber durchaus als Hoffnungsmacher.
Verfolger Real hat die Doppel-Belastung
Und dann wäre da natürlich auch noch die unterschiedliche Belastung, vor allem im Vergleich mit dem aktuellen Tabellenzweiten Real Madrid. Ein Weiterkommen der blancos gegen die Reds aus Liverpool einfach mal vorausgesetzt, würde also mindestens eine weitere Doppelaufgabe in der Champions League auf die blancos zukommen.
Mit all den psychologischen Komponenten, die ein Champions-League-Halbfinale, egal gegen wen, immer mit sich bringt.
Und so sehr der Stadtnachbar der Königlichen auch selbst gerne noch in der diesjährigen Königsklasse vertreten wäre - von Nachteil im heimischen Liga-Endspurt sind die nun wegfallenden Termine in Europa für Atlético sicherlich nicht.