Atlético: Defensive Schwächephase oder allgemeiner Formabbau zur Unzeit?
Von Guido Müller
Zwei gegenläufige Entwicklungen sind in den letzten Spielen von Spaniens Tabellenführer Atlético Madrid auszumachen: zum einen (und positiven) eine erhöhte Trefferquote bei Torjäger Luis Suárez, zum anderen (und negativen) aber auch eine stärkere Durchlässigkeit für gegnerische Treffer.
Wo ist das Problem?, könnte man jetzt salopp fragen. Solange der Uruguayer knipst wie zuletzt und somit dafür sorgt, dass die Mannschaft immer mindestens einen Treffer mehr erzielt, als sie sich hinten einfängt, ist doch alles chico. Oder?
Der Defensiv-Spezialist Diego Simeone, als Spieler während seiner aktiven Karriere auch eher dafür zuständig, das gegnerische Spiel im Mittelfeld zu zerstören (bisweilen im Wortsinn interpretiert!), wird eine solch nonchalante Interpretation der Fakten wohl eher nicht zulassen. Zumal sie beim Heimunentschieden am Montag gegen Celta de Vigo schon nicht mehr aufrechtzuerhalten war.
Irgendwas ist in den letzten Spielen passiert. Ja - Suárez trifft momentan wie er will. Brauchte er für seine ersten neun Saisontore noch zwölf Spiele, hat er allein in den letzten vier Partien (in Eibar, gegen den FC Valencia, beim FC Cádiz und zuhause gegen Celta) sieben Tore geschossen.
Doch in genau diesen letzten vier Begegnungen haben die colchoneros auch - für ihre Verhältnisse - satte sechs Tore kassiert. Soviel wie in den vorangegangen Spielen zusammen. Ein Teilaspekt ist dabei die nun verstärkt zu beobachtende Schlafmützigkeit der Mannschaft zu Beginn der Spiele.
Vor besagter Zwischenetappe der letzten vier Spiele war Atlético nur im Stadtderby bei Real Madrid in Rückstand geraten - und verlor am Ende auch völlig verdient mit 0:2.
Plötzlich fängt sich Atlético frühe Gegentore
In drei der letzten vier Partien lagen die rojiblancos hingegen schon nach wenigen Minuten in Rückstand: in Eibar nach zwölf Minuten, gegen Valencia nach elf und am Montag gegen die Galizier nach 13. Für Kapitän Koke offenbar mehr als nur eine statistische Randerscheinung: "Diese frühen Gegentore zu Spielbeginn können wir uns nicht erlauben!" (Quelle: as.com)
Gründe für die schleichenden Nachlässigkeiten im defensiven Bereich könnte man im Personal selbst suchen. In drei der letzten vier Spiele fehlte mit Mario Hermoso einer der in dieser Saison zuverlässigsten Abwehrspieler.
Aufgrund einer Stauchung des Sprunggelenks verpasste der bei Real Madrid ausgebildete Defensivmann, der im Sommer 2019 für 25 Millionen Euro von Espanyol Barcelona verpflichtet worden war, das Spiel in Eibar.
Gegen den FC Valencia war er dann wieder zur Stelle, ehe ihn eine Corona-Infektion bei den letzten beiden Spielen zum Zuschauen zwang. Sein Back-up Felipe konnte nicht annähernd an Hermosos starke Form heranreichen.
Auch Oblak zur Zeit nicht auf Weltklasse-Niveau
Und auch Torwart Jan Oblak repräsentiert in den letzten Wochen nur guten Durchschnitt. Was an und für sich nicht schlecht ist, aber halt unter dem Weltklasse-Niveau früherer Phasen. Kurz gesprochen: der Slowene wehrt zur Zeit keine der sogenannten "Hundertprozenter" des Gegners ab.
Beim 2:2 gegen den in diesem Jahr noch sieglosen Tabellenzehnten aus Vigo fehlten den Madrilenen neben Hermoso auch noch zusätzlich die Offensivkräfte Moussa Dembélé, João Félix, Tomas Lemar sowie Mittelfeldspieler Héctor Herrera (allesamt Corona-bedingt). Dem Spiel der Hausherren war dies durchaus anzumerken.
Am Ende musste sich der aktuelle Liga-Primus mit einem Unentschieden begnügen - und konnte sich dafür, wieder einmal, bei seinem Torjäger Suárez, der zweimal traf, bedanken. Nicht auszudenken, wenn nun, ausgerechnet vor den wegweisenden Wochen in Liga und Champions League, auch noch der charrúa außer Form geraten würde.