Als Antonio Cassano fünf Kilogramm Nutella im Monat aß

Nur 29 Spiele absolvierte Antonio Cassano für Real Madrid
Nur 29 Spiele absolvierte Antonio Cassano für Real Madrid / Denis Doyle/Getty Images
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Fantantonio oder Maradona aus Bari nannten ihn seine Fans. Für Giovanni Trapattoni war er schlichtweg "die Hoffnung des italienischen Fußballs". Er selbst bezeichnete sich immer gerne als alten Straßenköter, der genau so viele weibliche Exemplare seiner Art beglückt habe, wie mancher vierbeinige Überlebenskünstler in den engen Gassen der Hafenstadt an der italienischen Adria. An Antonio Cassano scheiden sich bis heute die Geister.

Aus deutscher Sicht bleibt natürlich in unguter Erinnerung das EM-Halbfinale 2012 im Nationalstadion zu Warschau. Beim 1:0 durch Mario Balotelli, dem anderen großen enfant terrible des italienischen Fußballs der letzten Jahrzehnte, ließ er Mats Hummels und Jerome Boateng auf der rechten Abwehrseite, schon fast an der Eckfahne, so alt aussehen, wie sie es in Ihrem Leben vermutlich gar nicht mehr werden, und flankte butterweich auf sein alter ego. 1:0.

Das Gespann, das für Deutschlands Aus im EM-Halbfinale 2012 sorgte:  Antonio Cassano und Mario Balotelli
Das Gespann, das für Deutschlands Aus im EM-Halbfinale 2012 sorgte: Antonio Cassano und Mario Balotelli / CHRISTOF STACHE/Getty Images

Da Super-Mario kurze Zeit später ein weiteres Geschenk der deutschen Hintermannschaft annahm, war das Halbfinale bereits vor der Pause so gut wie entschieden. Zum ganz großen Triumph reichte es für die squadra azzurra am Ende indes nicht. Im Finale von Kiew wurden sie von den damals so gut wie unbesiegbaren Spaniern in ihre Einzelteile zerlegt und mit einem krachenden 4:0 nach Hause geschickt.

Näher sollte Cassano einem Triumph mit der italienischen Nationalmannschaft nie wieder kommen. Was vor allem an Cassano selber lag, der sich so oft in seiner Karriere selbst im Weg stand.

2006 hätte er den Weltpokal in die Höhe stemmen können. Doch Italiens Nationaltrainer Marcello Lippi, aufgeschreckt von den vielen Negativschlagzeilen aus Madrid, verzichtete auf den begnadeten Techniker. Der spätere Triumph sollte ihm recht geben.

Mit Übergewicht zu Real Madrid gekommen

Denn als Cassano, der zuvor im heimischen Bari und später bei der AS Rom für Furore gesorgt hatte, im Januar 2006 einen Fünfjahres-Vertrag bei Real Madrid unterschrieb, waren die über Weihnachten angesammelten Pfunde an seinen Hüften nicht zu übersehen.

Also wurde er vom damaligen Trainer der Königlichen, Juan Ramón López Caro, erst einmal auf Diät gesetzt, um nach eigenen Angaben "12 Kilogramm zu verlieren".

So richtig in Form kam er dann in der spanischen Hauptstadt jedoch nie. Was auch an der Rückkehr des eisernen Fabio Capello im Sommer 2006 lag. Der hatte bekanntlich für zu Indisziplin neigende Freigeister nur wenig übrig.

Bereits eineinhalb Jahre nach seiner von großem medialen Getöse (wie gesagt: Maradona von Bari!) begleiteten Ankunft im Bernabéu-Stadion, war für Cassano auch schon wieder Schluss bei den Königlichen. Sampdoria Genua lieh den Spieler zunächst aus und verpflichteten ihn ein Jahr später, im Sommer 2008, dann endgültig.

Bis zu seinem Karriereende schloss sich Cassano noch vier weiteren Serie A-Klubs an (Inter, Milan, Parma und Hellas) ehe er im Sommer 2017 sein Karriereende verkündete.

Im Pod-Cast Bobo TV (via marca.com) von Inter-Legende Christian Vieri erinnert sich Cassano nun seiner wenig glorreichen Etappe in Madrid, in welcher ihm in 29 Pflichtspielen lediglich 4 Tore (und 3 Vorlagen) gelangen - und sprach dabei auch seine Probleme mit der Ernährung an.

Cannavaro, Nutella und ein Feldwebel

"Unmittelbar nach meiner Ankunft in Madrid nahm ich zwölf Kilo ab", bestätigt Cassano die damaligen Zeugenaussagen, die ihm eine für einen Profi-Fußballer unangemessene Körperfülle attestierten. Und so schnell er die überschüssigen Pfunde auch verlor, so schnell gewann er sie wieder zurück. Stichwort: Jojo-Effekt.

Denn "dann kam Cannavaro zu Real und ich nahm wieder zu". Die Schuld ist wohl vor allem in Cassanos Disziplinlosigkeit zu suchen. Doch der Spieler zeigt mit dem anklagenden Zeigefinger indirekt auch auf seinen damaligen Arbeitgeber, wenn er sagt: "Bei Real Madrid war Nutella damals einer der Sponsoren. Und jeden Monat schenkten sie den Spielern 5 Kilogramm von ihrem Produkt."

5 Kilogramm Nutella multipliziert mit 18 Monaten ergibt etwa das heutige Körpergewicht von "Bobo" Vieri. Da war an dynamische Sprints oder explosive Körpertäuschungen natürlich nicht mehr zu denken. Und somit auch nicht an Einsatzzeiten unter einem wie Fabio Capello. Der wurde von den Real-Stars ja nicht umsonst "Feldwebel" genannt.

Dennoch hätte vielleicht auch aus dieser Beziehung (Feldwebel/übergewichtiger Soldat) noch etwas Produktives werden können. So mit persönlichen Gesprächen und so. Doch die waren die Sache Capellos noch nie.

Fast scheint es, als wolle Fabio Capello Cassano den rechten Weg weisen
Fast scheint es, als wolle Fabio Capello Cassano den rechten Weg weisen / PIERRE-PHILIPPE MARCOU/Getty Images

"Als Capello kam", so Cassano weiter, "machte ich zwei Tore in zwei Spielen und dachte ich sei der König der Welt. Doch gegen Lyon nahm er mich zur Halbzeit raus. Danach stritten wir uns in Jérez und er nahm mich aus der Mannschaft." In die er auch nicht mehr zurückkehren sollte.

In der Folge wurde Nutella wieder zu seinem treuesten Begleiter. Mit absehbaren Folgen. "In sieben Monaten nahm ich 14 Kilo zu. Ich aß Nutella direkt aus dem Glas, löffelweise. Mir war alles egal. Ich ekelte mich vor mir selbst", berichtet Cassano mit schonungsloser Offenheit.

Den Ausweg aus dieser selbstzerstörerischen Spirale suchte Cassano immer häufiger auf nächtlichen Streifzügen durch Madrid, ganz Straßenköter halt, und sorgte, wenn man dem Boulevard in Spaniens Hauptstadt glauben schenken darf, für Hochkonjunktur im horizontalen Gewerbe der Metropole.

Bis heute füllen Anekdoten über Cassanos nächtliche Eskapaden und seine unprofessionellen Ernährungsgewohnheiten die Bars in Madrid. Und bisweilen ist in den Augen der Erzählenden ein kleines Aufflammen von Begeisterung zu vernehmen. Und zwar immer dann, wenn sie sich vorstellen, was aus dem Maradona von Bari hätte werden können.