Alle 17 Jahre....gewinnt der FC Porto die Champions League?
Von Guido Müller
Für Nostalgiker (wie ich es bin) ist es immer wieder schön, dass inmitten der heutigen Debatten über die Schaffung neuer Wettbewerbe, die Einführung eines weltweiten salary caps oder den Sinn oder Unsinn von VAR-Entscheidungen, manche Dinge weiterhin Bestand haben wie noch vor Jahrzehnten. Wie z.B. die Tatsache, dass auch ein relativ kleiner Klub wie der FC Porto es periodisch immer wieder schafft, die Fußballwelt aus den Angeln zu heben.
Mein erstes Porto-Erlebnis war der 27. Mai 1987. Aus nicht weiter auszuführenden Gründen war ich damals noch Bayern-Fan (in der Hamburger Diaspora, sozusagen) - und blickte dem an diesem Tage stattfindenden Finale im Europapokal der Landesmeister entgegen.
Meine Münchener Helden würden nun endlich den ersten internationalen Titel während meines aktiven Fan-Daseins erobern. Das stand für mich fest. Endlich würde ich mit eigenen Augen, live und in Farbe sehen, was ich bis dato nur aus Büchern (und Schwarz-Weiß-Fotos) kannte.
Die nationale Meisterschaft (die in diesem Jahr 1987 bis in die ersten Juni-Tage reichte) hatten sie schon so gut wie in trockenen Tüchern, sich jedoch im DFB-Pokal (gegen den späteren Absteiger Fortuna Düsseldorf) bereits vorzeitig aus dem Wettbewerb verabschiedet.
1987: Madjer und Juary schocken die Bayern
Doch das war alles sekundär - denn nun stand der wertvollste Vereinspokal von allen auf dem Spiel. Und was war es für eine Riesenenttäuschung. Die frühe Führung durch "Wiggerl" Kögl schien die Mannschaft eher zu betäuben, denn zu beleben.
Stück für Stück kämpfte (und spielte!) sich der FC Porto zurück in die Partie und machte den amtierenden (und designierten) deutschen Meister in der zweiten Halbzeit so richtig nass. Unvergessen die Tore von Rabah Madjer (per lässigem Hackentrick) zum 1:1 und Juary zum 2:1-Endstand.
Die Bayern-Fanschar, ganz München (zumindest der rote Teil der Stadt) und ein kleiner Junge in Hamburg waren am Boden zerstört. Danach begann die von Frust und Enttäuschung gespeiste Selbstzerfleischung.
Der scheidende Trainer der Münchener, Udo Lattek, kommentierte bitterböse (via kicker-Jahrbuch 1987/88): "Gut, dass ich aufhöre. Ich bin einfach nicht mehr in der Lage, die Verantwortung dafür zu tragen, dass Spieler nicht das bringen, was sie aufgrund ihres Leistungsvermögens bringen können."
Wen er damit konkret meinte, war allen klar: Lothar Matthäus hatte mal wieder seinen damaligen Ruf als Spieler, der sich versteckt, wenn es drauf ankommt, bestätigt. Erst in Italien, bei Inter Mailand, wohin er im folgenden Jahr "flüchtete", konnte er sich wieder rehabilitieren.
Und alles wegen eines Klubs, den man hierzulande kaum auf dem Schirm hatte. Benfica war ein Begriff (wegen der glorreichen Sechziger), Sporting vielleicht auch noch - aber der FC Porto flog lange unter dem Radar. Bis spätestens zum Mai 1987.
Fast 17 Jahre später machte sich wieder eine Fußball-Mannschaft dieses Klubs auf, Geschichte zu schreiben. Mittlerweile waren astronomische Ablösesummen und Spielergehälter gang und gäbe im Profi-Fußball, zumal in der Spitze.
Doch der FC Porto war mit seinem damaligen Coach José Mourinho einen anderen Weg gegangen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil in der heimischen Liga einfach nicht so viel Einnahmen generiert werden konnten, wie in Italien, England, Spanien oder auch Deutschland.
2004: Mourinho schenkt dem FC Porto den zweiten Henkelpott
Heimlich, still und leise hatte Mourinho eine Elf geformt, deren Namen kaum einer, der nicht zu den Experten gehörte, kannte. Und sie waren es - und nicht die Galaktischen aus Madrid oder die Neureichen aus Chelsea oder der sich gegen das Alter wehrende AC Mailand -, die ins Finale der Champions League 2004 (in der Arena AufSchalke) einzogen.
Kurioserweise war der Gegner damals ähnlich unglamourös: die AS Monaco hatte im Halbfinale den haushohen Favoriten Chelsea ausgeschaltet (Mourinhos Mannen den spanischen Klub Deportivo La Coruña).
Am Ende siegten die Drachen aus Porto mit 3:0 - und vergoldeten sozusagen den ein Jahr zuvor eroberten UEFA-Cup. Wieder einmal hatte der FC Porto Freunde und Feinde überrascht. Ein Weltpokal im selben Jahr 2004 sowie eine weitere UEFA-Cup-Trophäe (freilich schon unter der neuen Bezeichnung Europa League) im Jahr 2011 runden die stolzen internationalen Erfolge dieses Klubs ab.
Eines Klubs, der sich weiterhin weigert, den Marktgesetzen zu gehorchen und der mit Fleiß, Akribie und jeder Menge Hingabe an das jogo bonito (das "schöne Spiel") es immer wieder schafft, die Welt des Profi-Fußballs zumindest ein bisschen auf den Kopf zu stellen.
Die verbleibende Konkurrenz in der diesjährigen Königsklassen-Edition dürfte also nach dem gestrigen Coup der Portugiesen gegen Juventus Turin mehr als gewarnt sein. Nicht nur angesichts der spielerischen Klasse des Teams von Sergio Marceneiro Conceicao.
2021: Wiederholt sich Geschichte?
Auch die Statistik "spricht" für die dragãos: 17 Jahre lagen zwischen dem ersten und dem zweiten Champions League-Erfolg der Nordportugiesen. Und 17 Jahre sind seit jener Nacht von Gelsenkirchen nun wieder vergangen...