Alfred Schreuder angeblich wegen zu ängstlicher Aufstellung entlassen

Zu ängstlich aufgestellt? Hoffenheims geschasster Coach Alfred Schreuder
Zu ängstlich aufgestellt? Hoffenheims geschasster Coach Alfred Schreuder / Pool/Getty Images
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Viele rieben sich bei der Meldung verwundert die Augen: Alfred Schreuder wurde nach dem 2:2 bei der abstiegsbedrohten Düsseldorfer Fortuna von den TSG-Bossen entlassen. Obwohl die Kraichgauer zu diesem Zeitpunkt auf dem siebten Rang der Tabelle standen. Offensichtlich wurde Schreuder eine zu vorsichtige Marschroute gegen die Fortunen zum Verhängnis.

Denn in der Startformation, die der holländische Coach am ersten Juni-Wochenende in der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena aufs Feld schickte, standen mit Ermin Bicakcic, Benjamin Hübner, Stefan Posch und Havard Nordtveit gleich vier gelernte Innenverteidiger. Ein Hauch von WM 2014 wehte durch die Düsseldorfer Arena: denn mit genau solch einer Defensivformation überraschte Bundestrainer Jogi Löw bekanntlich beim damaligen Achtelfinale gegen Algerien, als er mit Benedikt Höwedes, Jerome Boateng, Mats Hummels und Shkodran Mustafi eine ebenfalls aus gelernten Innenverteidigern formierte Viererkette aufbot. Damals schwamm die DFB-Elf wider Erwarten mehr als nötig und wäre beinahe gegen den Außenseiter ausgeschieden.

Rosen bat Schreuder um Erklärung - danach kam der Knall!

Vielleicht auch aus diesen negativen Erinnerungen heraus konnten die TSG-Verantwortlichen mit dieser Aufstellung ebenfalls nicht viel anfangen. Auch die Mannschaft selbst soll, einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge, von dieser Grundausrichtung nicht unbedingt begeistert gewesen sein. Und so bat Sportdirektor Alexander Rosen den Coach anschließend um Erklärungen. Der wiederum soll überrascht über ein solch direktes Eingreifen in seinen Arbeitsbereich gewesen sein. Am Ende kam der große Knall - und die Entlassung Schreuders. Im branchenüblichen Funktionärs-Sprech wurde eine "unterschiedliche Auffassung" in "wichtigen Detailfragen" als Gründe für die Trennung angegeben.

Im Sommer noch auf einer Wellenlänge: Trainer Schreuder und Manager Rosen
Im Sommer noch auf einer Wellenlänge: Trainer Schreuder und Manager Rosen / TF-Images/Getty Images

Was wiederum nicht ganz überzeugend klingt. Denn Schreuder war erst seit vergangenem Sommer der Chef der Mannschaft. Es fällt schwer zu glauben, dass sich seine Fußball-Philosophie - und das ist immer einer der ersten Punkte, die ein Verein mit seinem möglichen neuen Coach abklopft - binnen neun Monaten radikal geändert haben soll. Warum soll also jetzt auf einmal schlecht sein, was noch im Sommer für gut befunden wurde? Grundlegende Diskrepanzen tauchen nicht von heute auf morgen auf. Nebenbei wurde das Spiel in Düsseldorf ja auch nicht verloren. Und hätte Nordtveit in der 76. Minute etwas geschickter agiert, wäre es auch nicht zum Elfmeter gekommen, den Hennings zum 2:2 verwandelte. Chancen auf einen Auswärtssieg für die TSG waren also vorhanden, trotz einer nominell nur aus Innenverteidigern bestehenden Abwehr.

Aufstellung wirklich der Grund für die Entlassung?

Nebenbei bemerkt: was heißt das schon? Im heutigen Fußball werden von fast jedem Spieler eine gewisse Flexibilität und Variabilität verlangt. Es gibt heutzutage kaum noch reine Spezialisten, wenn wir von bestimmten Strafraumstürmern und natürlich den Torhütern mal absehen. Und selbst die müssen heute auch schon ein bisschen kicken können. Innenverteidiger (früher nannte man sie bezeichnenderweise Manndecker) waren noch bis in die neunziger Jahre hinein bisweilen nur dazu da, dem gegnerischen Mittelstürmer auf den Füßen zu stehen. Bisweilen wurde diese Maßgabe sogar wortwörtlich umgesetzt. Von daher rührt bis heute der Ruf der Innenverteidiger, brachiale Kicker ohne großes Spielverständnis und ohne große Technik zu sein. Doch das war einmal. Mittlerweile fühlen sich die allermeisten zentralen Defensivspieler auch auf anderen Positionen (Sechser, Außen) wohl, können sie sich flexibel auf andere Herausforderungen einstellen.

Von daher erscheint das Anführen einer zu zurückhaltenden Taktik als Grund für die Entlassung eines Trainer eher an den Haaren herbeigezogen. Am Ende kommt es auf dem Feld auch immer darauf an, wie die Spieler ihre jeweiligen Aufgaben insgesamt interpretieren und ausfüllen. Und besagte vier Spieler der TSG haben allesamt ja auch schon unter Beweis gestellt, mehr als nur reine Ausputzer (oder Manndecker) zu sein. Deshalb kann mich diese Begründung des Vereins nicht wirklich überzeugen. Und sollten tatsächlich andere Faktoren bei Schreuders Entlassung eine Rolle gespielt haben, werden wir diese ob des branchenüblichen Stillschweigens in solchen Fällen, eh nicht erfahren. Zumindest nicht in den kommenden Wochen und Monaten.