Ada Hegerbergs Rückkehr erklärt: Die Gründe für ihre Auszeit und das Comeback

Norway v Poland - 2022 FIFA Women's World Cup Qualifying - UEFA, Group Stage
Norway v Poland - 2022 FIFA Women's World Cup Qualifying - UEFA, Group Stage / Visionhaus/GettyImages
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Ada Hegerberg, die erste Gewinnerin eines Ballon d'or und Champions-League-Rekordtorschützin, ist zurück. Die Stürmerin von Olympique Lyonnais gab im Frühling nach fast fünfjähriger Pause ihr Comeback für das norwegische Nationalteam, auf sie werden bei der EM viele Augen gerichtet sein. Aber warum hat sie überhaupt eine Auszeit genommen und wie kam es zum Comeback?


"Non, je ne regrette rien", heißt es in einem bekannten Chanson von Édith Piaf. "Avec mes souvenirs, j'ai allumé le feu" - auf Deutsch: "Nein, ich bereue nichts. Mit meinen Erinnerungen habe ich das Feuer entfacht." Nun ging es Piaf in dem 1960 aufgenommenen Song sicherlich nicht um die Rückkehr von Ada Hegerberg zum norwegischen Nationalteam, aber die Zeilen würden auch auf sie zutreffen.

Hegerberg hatte nach der EM 2017 mit ihrer Entscheidung, nicht mehr für das Nationalteam aufzulaufen, ebenfalls ein wahrhaftiges Feuer entfacht - fünf Jahre später ist sie zurück, den Schritt bereut sie aber nicht: "Hinter meiner Entscheidung von 2017 stehe ich", sagte die 26-Jährige neulich in einem Interview.

Auszeit 2017 nach EM-Debakel und Kritik am Verband

2017 befand sich der norwegische Frauenfußball in einer tiefen Krise: Erst war die EM in den Niederlanden für das hochgelobte Team - vier Jahre vorher noch im Finale gegen Deutschland angetreten - zum Desaster geworden. In einer Gruppe mit den Niederlanden, Belgien und Dänemark holte die Elf von Martin Sjögren keinen einzigen Punkt, schoss nicht mal ein Tor. Auch für Torjägerin Ada Hegerberg war bei dem Turnier nichts zu holen, mal abgesehen von einer gelben Karte im Eröffnungsspiel.

Für sie, die damals bereits zwei Champions-League-Titel in ihrer Vita stehen hatte und daran mit 13 Toren in der Saison 2015/16 einen erheblichen Anteil hatte, auch eine persönliche Enttäuschung. Ihre Leistungen waren schwach und Hegerberg wirkte wie ein Fremdkörper im norwegischen Team.

Ihre kurz danach bekanntgegebene Entscheidung, nicht mehr für Norwegen zu spielen, hatte allerdings weniger mit sportlichen Gründen zu tun. Es ginge ihr um Respekt vonseiten des NFF, des norwegischen Fußballverbands, um bessere Bedingungen und darum, dass der Verband ihr nicht zugehört habe, und das nicht erst seit gestern, so Hegerberg.

"Wenn die Nationalmannschaft die gesetzten Ziele und Ergebnisse erreichen soll, sind meiner Meinung nach Verbesserungen in mehreren Bereichen erforderlich, sowohl in der Planungsarbeit, in der Umsetzungsphase als auch in der Nachbereitung. Darüber hinaus gibt es viel zu tun in Bezug auf Kommunikation und Dialog."

Hegerbergs Begründung für ihre Auszeit

Emotionale Debatte über ihre Beweggründe

Die Nachricht über ihre Entscheidung verbreitete sich wie ein Lauffeuer und löste eine emotional geführte Debatte aus: War der NFF wirklich so rückständig und ignorant, wie es Hegerberg beschrieben hatte? Oder waren es vielmehr Egoismus und gekränkter Stolz, die sie zu dem Schritt trieben, wie es einige Medien ihr vorwarfen? Der NFF selbst reagierte dünnhäutig und wies alle Anschuldigungen von sich. Trainer Sjögren und ihre Mitspielerinnen erklärten, sie haben nichts von Hegerbergs Überlegungen, zurückzutreten, gewusst. Die Entscheidung sei aus heiterem Himmel und ohne jede Absprache angekündigt worden. Andere Mitspielerinnen erklärten, sie würden Hegerbergs Kritik nicht teilen und die Situation sei deutlich besser als von ihr dargestellt.

In dieser erhitzten Debatte kam einer der wenigen abwägenden und reflektierten Texte von der ehemaligen Nationalspielerin Lise Klaveness, damals Expertin und Kolumnistin für das Turnier. Die Frage, ob Hegerberg nun egoistisch gehandelt habe oder nicht, sei irrelevant, erklärte sie, auch die Ergebnisse bei der EM zweitrangig - auch wenn die Frage gestellt werden müsse, warum Hegerberg trotz schwacher Leistungen immer spielte. Vielmehr müsse man aber über das beschädigte Vertrauensverhältnis sprechen, und über Hegerbergs strukturelle Forderungen.

Rückkehr dank Klaveness und Zeit zum Reflektieren

Heute ist Klaveness Präsidentin des norwegischen Fußballverbandes und hat in dieser Position einen maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass Hegerberg dieses Jahr in die Nationalmannschaft zurückgekehrt ist. Vorher hatte es bereits Bemühungen gegeben, sie zu einem Comeback zu bewegen, Hegerberg aber lehnte mit Verweis auf die weiterhin existierenden strukturellen Probleme ab. Zudem erklärte sie später noch, ein weiterer Grund für ihre Auszeit sei ihre mentale Gesundheit gewesen, die Zeit beim Nationalteam habe sie innerlich stark belastet. Auch das Verhältnis zwischen Hegerberg und ihren Mitspielerinnen war angeschlagen, wie diese Äußerungen zeigen, einige äußerten Unverständnis über ihren Solo-Protest.

Klaveness ist es jedenfalls gelungen, diese Wogen zu glätten. Hegerberg lobte besonders die offene Kommunikation und den Willen zu Diskussionen, auch bei unangenehmen Themen. Kein Thema sei gescheut worden. Die Gespräche trugen Früchte: Am 7. April 2022 trug Hegerberg zum ersten Mal wieder das norwegische Trikot. Und sie meldete sich eindrucksvoll zurück: Beim 5:1-Sieg gegen den Kosovo steuerte sie einen Hattrick bei.

Zu der Entscheidung für die Rückkehr trug auch ihre Verletzung bei. 21 Monate hatte Hegerberg nicht auf dem Rasen gestanden, bis sie im September 2021 zurückkam, eine Schienbeinverletzung und ihre Folgen zwangen sie zu dieser langen Pause. "Ich hatte etwas Zeit zum Reflektieren", sagt Hegerberg heute. Mit den Teamkolleginnen und Sjögren scheint sie inzwischen wieder versöhnt, die alten Vorwürfe sind augenscheinlich vom Tisch und alle bemühen sich um ein geschlossenes Auftreten.

La vie en rose?

Gerade rechtzeitig zur EM ist Hegerberg also wieder dabei, ein erfolgreiches Turnier wäre eine schöne Geschichte - auch wenn der Titel nicht besonders realistisch ist, denn Norwegen war zuletzt trotz vieler Stars nicht in der besten Form und hatte besonders defensiv Schwierigkeiten. Aber eine Überraschung ist ihnen dennoch zuzutrauen. In dem Fall würde ein anderer Edith Piaf-Chanson die Gefühlslage besser treffen: "Je vois la vie en rose".


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