Abstiegskampf in der Bundesliga: Wem ist der Klassenerhalt am ehesten zuzutrauen?
Von Florian Bajus
Auch in dieser Saison ist der Abstiegskampf ein Kernthema in der Bundesliga. Zur Weihnachtspause wirft 90min einen Blick auf das untere Tabellendrittel und wagt eine Prognose, wie sich die Mannschaften in der Rückrunde schlagen könnten.
Es sind erst 13 Spieltage vergangen, doch schon früh hat sich abgezeichnet, welche Mannschaften die Hauptakteure im diesjährigen Kampf um den Klassenerhalt sein werden. Der FC Schalke 04, Mainz 05 und der 1. FC Köln stecken seit Saisonbeginn im Tabellenkeller fest, mittlerweile haben sich auch Arminia Bielefeld, Hertha BSC und Werder Bremen dazugesellt.
Wie in den vergangenen Jahren ist das Tabellen-Mittelfeld dicht beisammen. Werder rangiert mit vierzehn Punkten auf dem dreizehnten Tabellenplatz und hat nur vier Punkte Rückstand auf Platz sieben, der aktuell vom VfB Stuttgart bekleidet wird. Ebenso ist der Relegationsplatz nur vier Punkte entfernt - auf die direkten Abstiegsplätze haben die Bremer derweil acht Punkte Vorsprung.
Insgesamt sind noch 21 Spieltage zu absolvieren, doch alle sechs Mannschaften dürften bereits in den kommenden Wochenenden alles in die Waagschale werfen, um sich aus dem Tabellenkeller zu befreien. Die Voraussetzungen und damit einhergehend auch die Chancen sind allerdings unterschiedlich, wie die nachfolgende Übersicht verdeutlicht.
1. Werder Bremen
Spielerisch ist im Vergleich zur Vorsaison kein Unterschied bei Werder Bremen zu erkennen. Die Mannschaft von Florian Kohfeldt kann kompakt verteidigen und dem Gegner das Leben schwer machen, nach vorne gelingt den Bremern aber äußerst wenig.
In Abwesenheit des erneut lange verletzten Niclas Füllkrug fällt der Offensive das Toreschießen schwer. Allein 4 der 16 Bundesligatore gehen auf Füllkrugs Konto, der zweitgefährlichste Stürmer ist Davie Selke mit zwei Treffern - doch der 25-Jährige konnte seit dem fünften Spieltag nur in zwei Partien mitwirken.
Derzeit liegt es an Yuya Osako und Josh Sargent, Tore zu erzielen; allerdings haben sich beide Offensivkräfte noch nicht als torgefährlich erwiesen. Kohfeldt bleibt daher keine andere Wahl, als auf Füllkrugs Rückkehr zu hoffen, an Neuverpflichtungen ist aufgrund der finanziell angespannten Situation jedenfalls nicht zu denken.
Mit Blick auf die Rückrunde ist davon auszugehen, dass Werder in diesem Jahr erneut bis zum Schluss gegen den Abstieg spielen wird. Besonders eng dürfte der Kampf mit dem 1. FC Köln und Arminia Bielefeld werden, eine dieser drei Mannschaften dürfte am Ende auf dem Relegationsplatz landen. Wird es wieder Werder, das sich schlussendlich gegen den 1. FC Heidenheim retten konnte? Oder schaffen die Bremer dieses Mal den direkten Klassenerhalt, weil die Defensive größtenteils standhält?
2. Hertha BSC
Wie in der vergangenen Saison überwintert Hertha BSC auch dieses Jahr im unteren Tabellendrittel - dabei hat der Kader eindeutig Potenzial für mehr. Jedoch befindet sich die Mannschaft nach den Abgängen des erfahrenen Trios Per Skjelbred, Vedad Ibisevic und Salomon Kalou im Entwicklungsprozess, ebenso ist Bruno Labbadia noch immer auf der Suche nach einer passenden Formation inklusive spieltaktischer Herangehensweise.
Trotz vorhandener Spieler wie Matteo Guendouzi oder Matheus Cunha ist die Labbadia-Elf im Ballbesitz zu harmlos, zudem ist sie gegen den Ball immer wieder anfällig für Fehler. Auf den fulminanten Auftaktsieg über Werder (4:1) folgten vier Niederlagen in Folge, seither kassierte die Hertha nur zwei weitere Pleiten, ging aber lediglich zweimal als Sieger vom Feld.
Vom Potenzial her sollte der Kader für einen einstelligen Tabellenplatz reichen, doch Labbadia gelingt es noch nicht, das volle Potenzial abzurufen. Mit Beginn des Spielbetriebs nach Neujahr steht er vor der großen Aufgabe, eine Mannschaft zu finden und ihr eine klare Spielidee an die Hand zu geben.
In Wolfsburg hat der 54-Jährige seine Qualitäten dahingehend bewiesen. Gelingt es ihm auch in Berlin, wird sich die Hertha aus dem unteren Drittel befreien. Tritt die Mannschaft aber weiterhin auf der Stelle, bleibt der Abstiegskampf auch in den kommenden Monaten ein Thema. Nicht ausgeschlossen, dass auch die Berliner um Platz 15 kämpfen werden.
3. 1. FC Köln
Der 1. FC Köln hat einen fürchterlichen Start in diese Saison erlebt. Die Mannschaft von Markus Gisdol war offensiv völlig harmlos, offenbarte in der Defensive zu große Lücken im Zentrum und ließ zu oft jeglichen Gegnerdruck vermissen.
Besonders im Spiel gegen den Ball hat Gisdol viel korrigiert, auch hat er mittlerweile eine eingespielte Mannschaft gefunden. Jedoch trübt das harmlose Angriffsspiel die Fortschritte. Irgendwie soll es über die Außenbahnen gehen, irgendwie soll der kopfballstarke Sebastian Andersson angespielt werden. Das allein reicht auf Dauer aber nicht.
Gisdol muss noch an vielen Stellschrauben drehen. Es mangelt an Abläufen, Variabilität, Bewegung und Tempo. Kriegt er diese Probleme nicht in den Griff, wird Köln bis zum Schluss mit Werder und Bielefeld gegen den Relegationsplatz kämpfen. Jedenfalls darf man nicht davon ausgehen, dass sich die Mannschaft wie vor einem Jahr in einen Rausch spielen und auf einen einstelligen Tabellenplatz klettern wird.
4. Arminia Bielefeld
Arminia Bielefeld hat sich an den ersten dreizehn Spieltagen wacker geschlagen, profitiert selbstverständlich aber auch davon, dass Mainz und Schalke seit Monaten auf der Stelle treten. Der Aufsteiger hat seit Oktober ganze neun Niederlagen kassiert, die einzigen Erfolge stammen von den direkten Duellen gegen die oben gennante Konkurrenz: Mainz wurde am zehnten Spieltag mit 2:1 bezwungen, Schalke im letzten Liga-Spiel des Jahres mit 1:0.
Ohne diese Big Points wäre die Arminia auf einem direkten Abstiegsplatz, so überwintert sie aber zumindest auf Rang 16. Um diesen dürften Uwe Neuhaus und die Seinen auch in den kommenden Monaten kämpfen.
Zusätzlich sollte der Blick aber auch auf Mainz gerichtet werden. Nach dem Rücktritt von Rouven Schröder deutet sich auch ein Trainerwechsel an, der neue Kräfte freisetzen könnte.
Der direkte Abstieg ist ebenso realistisch wie der Gang in die Relegation. Solange die Niederlagen nicht von den Konkurrenten ausgenutzt werden, dürfen sich die Bielefelder berechtigte Hoffnungen auf Rang 16 machen.
5. Mainz 05
Zwei unglückliche Trainer-Entscheidungen, der Mannschaftsstreik nach der Suspendierung von Adam Szalai und Gespräche über eine Rückkehr von Christian Heidel. Bei Mainz 05 war in den vergangenen zwölf Monaten vieles los - ein Ende ist aber nicht in Sicht.
Die Mannschaft hat erst sechs Punkte gesammelt und befindet sich auf dem 17. Tabellenplatz, nach Achim Beierlorzer misslang es auch Jan-Moritz Lichte, die Trendwende einzuleiten. Sportvorstand Rouven Schröder hat seinen Platz mittlerweile freiwillig geräumt, die neue sportliche Führung dürfte in den kommenden Wochen einen genauen Blick darauf werfen, wo die Probleme liegen und wie diese behoben werden könnten.
Genau wie Bielefeld hat Mainz bereits neun Niederlagen auf dem Konto, doch anders als den Ostwestfalen gelang den Rheinhessen erst ein einziger Sieg (3:1 über Freiburg am achten Spieltag). Bei fünf Punkten Rückstand auf das rettende Ufer lautet das nächste Etappenziel, den Rückstand auf den Relegationsplatz (vier Punkte) zu verringern, das Programm zum Jahresauftakt hat es aber in sich.
Die Gegner an den Spieltagen 14 bis 22 lauten Bayern München, Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund, VfL Wolfsburg, RB Leipzig, VfB Stuttgart, Union Berlin, Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach. Nachdem die 05er zum Saison-Auftakt sechs Niederlagen kassiert haben, drohen im schlimmsten Fall neun Pleiten in Folge - es sei denn, die Defensive wird wieder stabiler und das Umschaltspiel nach Balleroberungen effektiver.
Im Gesamtbild geht es für Mainz einzig darum, den direkten Abstieg zu verhindern. Allerdings müssen dafür dringend Punkte her. Sollte man gegen die Mannschaften aus der oberen Tabellenhälfte sieglos bleiben, droht Bielefeld davonzuziehen.
6. FC Schalke 04
Es kriselt im Aufsichtsrat und Vorstand und keinem Trainer gelingt der sportliche Turn-Around, weil die Mannschaft mental am Ende ist und noch immer mit den Nachwirkungen von David Wagners ideenlosem Pressingfußball zu kämpfen hat. Das ist der FC Schalke 04 im Dezember 2022.
Während Sportvorstand Jochen Schneider mit Manuel Baum bereits den dritten Trainer nach Domenico Tedecso und Wagner rausgeworfen und wieder einmal Huub Stevens als Interimslösung präsentiert hat, arbeiten die Klub-Bosse im Hintergrund weiter an einer Ausgliederung der Profi-Abteilung. Die internen Machtkämpfe haben sich in der Vergangenheit extrem auf die finanzielle Lage ausgewirkt, längst aber auch auf das Sportliche, weil dringend benötigte Transfers nicht getätigt werden können.
Seit 29 Bundesligaspielen ist Schalke sieglos, nicht einmal gegen Bielefeld gelang der Befreiungsschlag. Vier Punkte aus dreizehn Spielen, 8:36 Tore - der gesamte Verein ist in allen Belangen nicht bundesligatauglich. Es braucht einen Wunderheiler, um die Relegation geschweige denn den direkten Klassenerhalt noch irgendwie realistisch wirken zu lassen. Der Abstieg ist praktisch nicht mehr zu verhindern.