Aaron Hunt - das uneingelöste Versprechen!
Von Guido Müller
Nach sechs Jahren gehen Aaron Hunt (34) und der Hamburger SV fortan getrennte Wege. Die Chronologie eines nie eingelösten Versprechens.
Wechsel vom VfL Wolfsburg nach Hamburg
Ende August 2015, kurz vor der Schließung des Transfermarktes, schlug der HSV auf selbigem nochmal zu und verpflichtete für drei Millionen Euro Aaron Hunt vom Liga-Rivalen VfL Wolfsburg.
Bruno Labbadia, der die Rothosen wenige Monate zuvor über den Umweg einer dramatischen Relegation gegen den KSC vor dem erstmaligen Abstieg in die 2. Bundesliga bewahrt hatte, frohlockte an jenem Spätsommertag: "Wir sind sehr froh, dass wir kurz vor Ende der Transferphase noch einen Spieler dieser Qualität verpflichten konnten. Aaron Hunt wird uns mit Sicherheit sofort verstärken."
Verletzungspech begleitete Hunt von Anfang an
Doch schon in seiner Debütsaison für die Rothosen sollte sich das Grundproblem des gebürtigen Goslarers zeigen: die hohe Verletzungsanfälligkeit, die ihn zeit seines Fußballer-Lebens begleitete. Leider auch in Hamburg.
Fünf Bundesliga-Spiele verpasste der technisch versierte Mittelfeldspieler ob eines Muskelfaserrisses und einer Oberschenkelzerrung. Drei weitere Spiele verpasste Hunt verletzungsbedingt in der Rückrunde. Am Ende standen in 23 Spielen 1 Tor und 3 Assists für ihn zu Buche.
Die Leistungsdaten wurden auch in der folgenden Spielzeit nicht wesentlich besser (4 Tore, 2 Vorlagen), doch blieb Hunt in der Spielzeit 2016/17 wenigstens von größeren Blessuren verschont.
Die dritte Spielzeit (die letzte im Oberhaus, wie sich später erweisen sollte) begann erneut mit einem Rückschlag für den Routinier.
Nach einem gelungenen Start (mit zwei Siegen gegen Augsburg und Köln) musste Hunt in den folgenden vier Spielen (gegen Leipzig, Hannover, Dortmund und Leverkusen) aufgrund eines Muskelfaserrisses passen - und das Team verlor viermal, ohne auch nur ein einziges Tor zu erzielen.
Aus dieser Abwärtsentwicklung kam weder die Mannschaft noch Hunt bis zum Ende der Saison wieder raus. Trotz zweier Trainerwechsel (Hollerbach für Gisdol, Titz für Hollerbach) stand an ihrem Ende der erste Abstieg des Traditionsklubs.
Neu-Start in Liga 2: mit Hunt!
Im Sommer 2018 stellte sich dem HSV dann die grundsätzliche Frage: radikaler Kader-Umbruch - oder sollte man denen, die es verbockt hatten, noch mal eine Chance geben? Man entschied sich für letzteres. Und behielt die Großverdiener Lewis Holtby und eben Aaron Hunt (zu verringerten Bezügen) an Bord.
Doch bald zeigte sich, dass der weitaus physischere Fußball in der 2. Liga nicht unbedingt das Terrain des mit der eher feinen Klinge fechtenden Aaron Hunt war. In der ersten Zweitliga-Saison (2018/19) musste der Regisseur diesem Umstand Tribut zollen.
Insgesamt verpasste er 12 Spiele, konnte aber am Ende der Spielzeit seine bisher stärksten Scorerdaten beim HSV vorweisen: 5 Tore und 3 Vorlagen ließen erahnen, was mit einem fitten und verletzungsfreien Hunt möglich gewesen wäre.
An dieser Dynamik änderte sich auch in der folgenden Saison nichts. Erneut konnte Hunt die Vorjahresmarke seiner Leistungsdaten übertreffen (7 Treffer und 2 Assists) - doch abermalig scheiterte der HSV an dem Projekt "Wiederaufstieg". Nicht zuletzt auch aufgrund der acht verpassten Spiele von Aaron Hunt.
Hunts stärkste Saison beim HSV war gleichzeitig seine Abschiedsvorstellung
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Hunts letztes Jahr beim HSV, also die jüngst abgelaufene Saison 2020/21, seine persönlich stärkste (in Bezug auf die Leistungsdaten) war: 5 Tore und 5 Vorlagen stehen für ihn zu Buche.
Doch es zeigte sich auch, dass der von Daniel Thioune zu Beginn der Spielzeit entworfene Plan, Hunt als Kurzarbeiter zu nutzen, am Ende nicht aufging. Eben weil aus dem Kurzarbeiter gegen Ende der Rückrunde wieder ein Vollzeit-Arbeiter wurde - und Hunt dafür an den letzten drei Spieltagen "bestraft" wurde. Das Saison-Finale verfolgte er jedenfalls von der Tribüne aus.
Was bleibt, ist dieses unbestimmte Gefühl, dass in diesen sechs Jahren, die Aaron Hunt beim HSV aktiv war, irgendwie viel mehr möglich war.
Spielerisch gehörte der dreimalige Nationalspieler eigentlich in jedem Jahr zum Besten, was der HSV in seinem Kader zu bieten hatte. Doch alles Talent der Welt nützt nichts, wenn der Körper (oder auch der Kopf) nicht mitspielen.
Bezüglich des mentalen Aspektes, war dies über all die Jahre hinweg ein weiterer Vorwurf, der Hunt vonseiten der Fans gemacht wurde: eine gewisse Trägheit oder Lethargie auf dem Platz. Bisweilen schien dieser hochtalentierte Kicker gar nicht richtig auf dem Rasen zu sein.
Für einen Spieler seiner Klasse leistete sich Hunt über die Jahre hinweg viel zu viele Spiele, in denen er mehr durch abstruse Fehlpässe und technische Unsauberkeiten auffiel, als durch Tore oder Vorlagen.
Oder durch das Verschleppen des Spieltempos (wenn dieses denn mal sichtbar war bei den Rothosen), wenn zügiges vertikales Spiel gefragt war.
Aus diesem Grund hält sich die Anzahl von unvergesslichen (positiven) Hunt-Momenten in meiner Erinnerung auch in Grenzen. Zu nennen wäre da sein fantastisches Tor zum 3:2-Siegtreffer gegen Schalke in der Abstiegssaison. Oder auch der eine oder andere schön getretene Freistoß.
Hannover-Spiel wie ein Abbild seiner sechs Jahre in Hamburg
Bezeichnenderweise gelang ihm sein einziger Dreierpack für den HSV in einem Spiel (bei Hannover 96 in der diesjährigen Rückrunde), bei dem der HSV eine komfortable 3:0-Führung nach 55 Minuten am Ende doch noch verspielte.
Fast könnte man jenen April-Nachmittag als Versinnbildlichung seiner ganzen HSV-Zeit bezeichnen: viel versprochen, doch das meiste am Ende nicht gehalten. Aus welchen Gründen auch immer. Dennoch sollte der Respekt vor der Person immer im Vordergrund stehen. In diesem Sinne: danke für deinen Einsatz, Aaron. Und mach es gut. Wo immer das auch sein mag.