Der 1. FC Köln setzt alles auf die Karte Baumgart
Von Stefan Janssen
Der 1. FC Köln hat derzeit nur einen Teilzeit-Sportchef und verkauft einige seiner besten Spieler, ohne das Geld für Ersatz zu reinvestieren. Alle Hoffnungen ruhen auf Trainer Steffen Baumgart.
Steffen Baumgart ist für seine Geradlinigkeit und seine Lautstärke am Spielfeldrand bekannt. Beim Training macht der Coach des 1. FC Köln da keine Ausnahme. So war er am Montag bei einer Einheit im Trainingslager nicht zufrieden mit seinen Spielern und brüllte sie einige Momente lang an (via kicker): "Ihr lauft zwei Minuten nur hinterher. Das tut weh. Traben reicht nicht!"
Die Reaktion der gut 150 anwesenden Fans? Zunächst Stille - und dann begeisterter Applaus. Genau das wollen sie jetzt in Köln, dass der Trainer die Mannschaft nach der furchtbaren Vorsaison ordentlich in die Mangel nimmt und ein neues Selbstverständnis implementiert. Sie haben alle ihre Hoffnungen in Baumgart gesetzt, der mit seiner Art genau der richtige Mann dafür zu sein scheint.
Teilzeit-Sportchef und Transferüberschuss
Doch dieses Denken haben die Fans längst nicht exklusiv, auch der Verein setzt alles auf die Karte Steffen Baumgart. Das beginnt schon mit der Tatsache, dass es aktuell keinen richtigen Sportchef gibt. Horst Heldt war noch derjenige, der Baumgart von einem Wechsel nach Köln überzeugte und musste dann gehen. Wohl auch zum Unmut des neuen Trainers, der jetzt mit Jörg Jakobs, der im Gespann mit Thomas Kessler arbeitet, nur einen Teilzeit-Chef hat, der den Job gerne so schnell wie möglich wieder abgeben will.
Diese Personalie hat jedoch noch Zeit. Viel wichtiger war es, mit Baumgart den absoluten Wunschtrainer zu bekommen. Da das geklappt hat, darf die Suche nach einem neuen Sportchef ruhig eine Weile dauern.
Dann ist da vor allem die Sache mit dem Kader. Bisher wurden ausschließlich ablösefreie Spieler verpflichtet, während andere für viel Geld verkauft wurden oder noch werden. Sebastiaan Bornauw soll dabei scheinbar durch Timo Hübers ersetzt werden, der gerade mal fünf Bundesligaspiele absolviert hat und 37 Partien im Profi-Bereich - mit 25. Viel Erfahrung ist das nicht.
Außerdem wird Ellyes Skhiri aller Voraussicht nach noch gehen, ihn könnte Dejan Ljubicic ersetzen, der von Rapid Wien kam. Ein vielversprechender Spieler, doch muss der auch erstmal in der Bundesliga zurechtkommen. Die einzige echte Verstärkung nach aktuellem Stand ist Mark Uth und der wird die Probleme im Angriff alleine nicht lösen können. Geld für neue Spieler ist aber grundsätzlich keines da, die Einnahmen sollen vorerst nicht reinvestiert werden. Die Kölner wollen einen üppigen Transferüberschuss erzielen, um die Corona-Verluste aufzufangen.
Baumgart muss aus wenig viel machen
Die Hoffnungen ruhen also auch von Vereinsseite komplett auf Steffen Baumgart. Sie ruhen darauf, dass der Trainer aus einem Kader, der auf dem Papier schwächer geworden ist, trotzdem mehr herausholt. Dass er aus wenig viel machen kann, hat er in Paderborn bewiesen. Dass er nicht zaubern kann, hat man aber auch gesehen. Wenn die Qualität fehlt, kann der Trainer noch so gut sein.
Nach seiner Zeit in Paderborn hatte sich Baumgart bereits beklagt, dass man nach dem Aufstieg nicht genug Mut gehabt habe. Dem Westfalenbaltt sagte er, man sei nach Verkäufen mit einer "deutlich schlechteren Mannschaft" in die Saison gegangen: "Hätten wir finanziell ein bisschen mehr riskiert, hätten wir zumindest bis zum Saisonende eine Chance auf den Klassenerhalt gehabt."
Parallelen zur aktuellen Situation können also durchaus gezogen werden. Das dürfte Baumgart nicht unbedingt gefallen. Vielleicht schmeichelt es ihm aber auch, dass man ihm so viel zutraut. Vielleicht war das auch alles so abgesprochen und der Trainer ist nicht überrascht. Oder besser gesagt: Hoffentlich. Einen unzufriedenen Trainer kann der 1. FC Köln nicht brauchen, denn alle Hoffnungen des Vereins ruhen aktuell schließlich auf Steffen Baumgart.