Olise besser als Ribery: Spektakuläre Debütsaison weckt Erwartungen
Von Hendrik Gag

Man hat es inzwischen vergessen, aber: Dass der FC Bayern im Sommer 53 Millionen Euro für Michael Olise ausgab, war durchaus ein Risiko. Der Flügelspieler hatte in der Vorsaison bei Crystal Palace zwar mit einer hervorragenden Scorerquote (Zehn Tore und sechs Vorlagen in 19 Spielen) überzeugen können, galt jedoch als verletzungsanfällig und hatte sich international noch nicht bewiesen.
Nur 19 Spiele konnte Olise in der vergangenen Premier-League-Saison bestreiten, beinahe ebenso viele (18) verpasste er wegen mehrerer Oberschenkelverletzungen. Zudem hatte er vor seinem Wechsel weder ein Europapokal- noch ein Länderspiel bestritten. Inzwischen sind jedoch alle diese Zweifel wie weggeblasen.
Olise funktionierte sofort
Schnell machte der Franzose klar, dass er eine enorme Verstärkung für den deutschen Rekordmeister ist. Bereits am vierten Spieltag zauberte Olise seinen ersten Gala-Auftritt auf den grünen Rasen. Zwei Tore und zwei Vorlagen beim 5:0 in Bremen lasen sich wie ein Versprechen: Hier kommt der neue Superstar des FC Bayern.
Und Olise hielt in der Folge Wort. Auch wenn Jamal Musiala und Harry Kane insgesamt mehr im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung stehen, ist der Linksfuß ein absoluter Schlüsselspieler in der Bayern-Offensive. Seine Mitspieler suchen ihn dauerhaft, kaum ein Angriff läuft nicht über ihn. Insgesamt verzeichnet Olise inzwischen acht Tore und 13 Vorlagen in 29 Bundesliga-Spielen.
Die starken Leistungen des 23-Jährigen wecken bei den Bayern-Fans Erinnerungen an ganz große Namen. Nicht selten wird der Franzose mit Franck Ribery und Arjen Robben verglichen. Die legendäre Flügelzange hinterlässt in München bis heute ihren Schatten. Langfristige Nachfolger hat der FCB seit den Abgängen von Robbery bislang nicht gefunden.
Immer wieder zeigen die Münchener Flügelspieler seitdem, dass sie durchaus zu Weltklasse-Leistungen fähig sind. Doch die hohen Erwartungen konnte noch niemand langfristig erfüllen, sei es wegen nicht aufhören wollender Verletzungsprobleme wie bei Kingsley Coman oder zu häufigen Formschwankungen wie bei Leroy Sané. Kann Olise nun in die großen Fußstapfen schlüpfen und die Lücke nachhaltig füllen? Das Potenzial diesselbe Entwicklung wie die beiden Bayern-Legenden zu nehmen, hat er auf jeden Fall. Das zeigt der Blick auf die Zahlen.
Mehr Scorer als Ribery 2007/08
Olises 21 Scorerpunkte übertrumpfen bereits fünf Spieltage vor Saisonende Riberys spektakuläre Debütsaison im Bayern-Trikot 2007/08, damals traf Ribery elfmal und legte acht weitere Tore auf. Für Olise spricht zudem, dass er bei seiner ersten Saison für den FCB zwei Jahre jünger ist, als es sein Landsmann war, und zuvor keine internationale Erfahrung gesammelt hatte. Ribery war im Gegensatz dazu bereits ein Jahr vor seiner Ankunft in München Vize-Weltmeister an der Seite von Zinedine Zidane und Thierry Henry geworden.
Noch besser als Olise fügte sich Arjen Robben beim deutschen Rekordmeister ein. 16 Tore und sieben Vorlagen konnte der Niederländer 2009/10 in gerade einmal 24 Einsätzen sammeln. Robben war jedoch auch bereits 25 Jahre alt, als er das erste Mal das Bayern-Trikot trug und war bereits zuvor Stammspieler beim FC Chelsea und Real Madrid.
Auch im Vergleich zu den Bayern-Flügelspielern, die zeitweise als Robbery-Nachfolger gehandelt wurden, schneidet Olise hervorragend ab. Weder Leroy Sané (Bestwert: 21 Scorerpunkte 2023/24), noch Kingsley Coman (16 Scorerpunkte 2020/21) und Douglas Costa (18 Scorerpunkte 2015/16) konnte jemals mehr Scorerpunkte sammeln als Olise bei seiner Debütsaison in München. Einzig Serge Gnabry war in der Triple-Saison 2019/20 an mehr Toren beteiligt, zwölf Tore und elf Vorlagen steuerte Gnabry damals bei.
Mit diesen spektakulären Zahlen in seiner ersten Saison ist nun auch klar: Olise wird sich fortan an den Errungenschaften der Bayern-Legenden messen lassen müssen. Neben individuellen Glanzleistungen - in seiner besten Saison war Ribery ganze 33-mal an einem Bayern-Tor beteiligt (zwölf Tore und 21 Assists 2011/12) - bedeutet das vor allem: Olise soll das Gesicht eines ganz großen Titels werden, so wie Robben und Ribery beim Champions-League-Triumph 2013.
Bereits am Mittwoch hat der Franzose die Chance, den nächsten Schritt auf diesem Weg zu gehen. Dann will der FCB bei Inter Mailand den 1:2-Rückstand aus dem Hinspiel drehen. Damit das gelingt, werden die Münchener erneut eine spektakuläre Leistung ihres Rechtsaußen brauchen. So wie im Hinspiel, als Olise wie selbstverständlich der gefährlichste Bayern-Akteur in der Offensive war.
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