Schwache BVB-Saison, fehlende Mentalität, scharfe Kritik: Emre Can äußert sich offen
Von Franz Krafczyk

Trotz zuletzt ansteigender Formkurve kann der BVB mit der laufenden Bundesliga-Saison nicht zufrieden sein. Sechs Spieltage vor Schluss stehen die Schwarz-Gelben nur im Tabellenmittelfeld und drohen damit ihre großen Saisonziele zu verfehlen. Ähnlich wie im Vorjahr läuft es dagegen in der Champions League besser: Dort stehen die Dortmunder unter den letzten acht Teams und dürfen gegen den FC Barcelona um den Einzug ins Halbfinale kämpfen.
Dass sich der BVB in der Liga im Gegensatz zur Königsklasse dermaßen schwer tut, ist wohl nicht nur für Außenstehende schwer zu erklären: "Wenn wir eine Erklärung und vor allem eine einfache Lösung hätten, hätten wir sie längst umgesetzt. Ich sehe bei uns jedenfalls kein grundsätzliches Einstellungsproblem. Aber ich kann nicht ausschließen, dass sich der eine oder andere manchmal denkt: Heute reichen in der Bundesliga vielleicht auch mal 99 Prozent… Das ist jedoch nicht so, dafür ist die Liga zu stark", erklärt Emre Can im kicker-Interview.
"Ich gebe offen zu, dass wir keine Spitzenmannschaft sind."
- Emre Can (kicker)
Can erklärt: Das kann sich der BVB von Juve abgucken
Die Schwarz-Gelben mussten sich vor allem in der Hinrunde häufig den Vorwurf gefallen lassen, zu wenige Siegertypen in den eigenen Reihen zu haben. "Ich habe anderthalb Jahre in Italien gespielt. Dort zählt es nur, dass du deine Spiele gewinnst. Die Art und Weise interessiert nach ein paar Tagen niemanden mehr. Wenn wir nach engen Siegen, bei denen wir nicht gut waren, in die Kabine kamen, hat uns der Staff gefeiert - weil wir trotzdem das eine Tor besser waren, obwohl wir keinen guten Tag hatten", erinnert sich Can an seine Zeit bei Juventus Turin und fordert in Dortmund nun ein ähnliches Vorgehen: "Das müssen wir lernen. Wir müssen kaltschnäuziger werden. Denn jeder kann mal schlecht spielen, wir sind alle nur Menschen, aber trotzdem musst du die Spiele gewinnen."
"Indem man sich immer wieder sagt, dass man gewinnen will" könne man die Sieger-Mentalität trainieren. "Ich gebe offen zu, dass wir keine Spitzenmannschaft sind, weil uns das aktuell fehlt. Wir sind aber ein großer Klub, der den Anspruch hat, Titel zu gewinnen. Deshalb müssen wir uns in diese Richtung entwickeln. Egal, wie schwer es gerade ist, körperlich oder mental: du musst gewinnen. Je mehr Spieler das verinnerlicht haben, desto stärker ist die Mannschaft. Wir dagegen vertrauen vielleicht manchmal noch zu sehr auf den Mitspieler, anstatt selbst die drei Schritte mehr zu gehen. Diese Denkweise muss sich ändern", gesteht der BVB-Kapitän.
"Am Ende liegst du mit deinem Kopf allein auf dem Kopfkissen"
Durch die Kapitänsbinde war Can in dieser Saison oft das Gesicht der schwachen Dortmunder Auftritte und musste sich in Interviews für die gesamte Mannschaft rechtfertigen. Dennoch bereut der 31-Jährige nicht, das Amt übernommen zu haben: "Es ist eine sehr große Ehre für mich, Kapitän dieses Klubs zu sein. Das werde ich definitiv später mal meinen Kindern erzählen", sagt Can, der stets versucht, auch die schwere Kritik von außen auszublenden. "Ich denke, ich kann für mich sagen, dass ich immer alles für diesen Verein gebe und auch in der Vergangenheit gegeben habe. [...] In dieser Zeit habe ich viele Gespräche geführt mit Menschen, die mir wichtig sind. Aber am Ende liegst du mit deinem Kopf allein auf dem Kopfkissen und musst die Gedanken, die dir vor dem Einschlafen durch den Kopf gehen, mit dir klären. Meine Motivation war immer, nicht aufzugeben, weiterzumachen. Ich bin der Erste, der sich über meine Fehler ärgert. Aber ich wusste, es kommen auch wieder bessere Zeiten", so Can.
Für etwas bessere Zeiten konnte auch Niko Kovac sorgen, der zuletzt mit besseren Ergebnissen dafür sorgen konnte, dass zumindest die europäischen Plätze wieder in Reichweite sind. Außerdem gelang den Dortmundern mit dem Kroaten an der Seitenlinie das Weiterkommen in der Champions League gegen Sporting und den OSC Lille. Mit dem FC Barcelona wartet nun aber eine ganz andere Hausnummer auf die Westfalen.
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