Nur gegen Bayern defensiv konzentriert: Hat Leverkusen ein Arroganz-Problem?
Von Lennart Sörnsen
Bereits nach acht Minuten schien Bayer 04 Leverkusen das Spiel gegen Holstein Kiel fest im Griff zu haben. Durch Tore von Victor Boniface und Jonas Hofmann führte die Werkself bereits mit 2:0. Auch danach sah es nicht so aus, als würde die Mannschaft von Xabi Alonso noch einmal ernsthaft in Gefahr geraten. Doch Kiel nutzte die wenigen Chancen, die sich boten. Am Ende stand ein 2:2 und ein ratloser Meister, der erneut eine Führung verspielt hatte.
Denn dass die Leverkusener eine Führung verspielten, war nichts Neues. Das Spiel folgte einem Muster, das bei der Werkself in dieser Spielzeit schon häufiger zu beobachten war. Bereits zum dritten Mal in dieser Saison verspielten die Leverkusener eine 2:0-Führung, insgesamt gab das Team von Alonso sogar an fünf der sechs Spieltage eine zwischenzeitliche Führung wieder aus der Hand. Dass am Ende dennoch nur eine Niederlage zu Buche steht, liegt auch an der individuellen Qualität der Werkself, die oft spät zuschlug und so doch noch Siege einfahren konnte.
Dennoch bleibt die Frage, warum sich diese Meistermannschaft so schwer tut, Führungen ins Ziel zu bringen. In der letzten Saison gelang dies noch deutlich besser, kein einziger Zähler wurde nach eigener Führung noch verspielt. Auch wenn sich in der Rückrunde die späten Siegtreffer häuften, wirkte die Mannschaft entschlossener. Ist der Hunger nach dem Double der letzten Saison bereits gestillt? Oder ist der unbedingte Glaube an die eigene Stärke, der die Leverkusener in der vergangenen Saison so stark machte, gar in Arroganz umgeschlagen?
Arroganz oder Titelmüdigkeit?
Torhüter und Kapitän Lukas Hradecky deutete es zumindest an. "Wir lassen - metaphorisch gesprochen - den Patienten am Leben. Wir nehmen den Fuß vom Gas. Heute habe ich nicht die endlose Gier, diesen endlosen Willen gesehen, um das Spiel endgültig zu entscheiden", kritisierte der 34-Jährige nach der Partie gegen Kiel die eigene Mannschaft. Zwar weigerten sich sowohl Hradecky als auch Alonso hinterher, das Wort Arroganz in den Mund zu nehmen, dennoch scheint das Problem vor allem ein mentales zu sein.
Denn die sportliche Qualität ist zweifellos vorhanden. Das haben die Leverkusener am Wochenende zuvor gegen den FC Bayern gezeigt. Auch wenn der Rekordmeister die spielbestimmende Mannschaft war - die Alonso-Elf agierte defensiv diszipliniert und schaffte es, der Bayern-Offensive den Wind aus den Segeln zu nehmen. Auch die immer wieder herausgespielten Führungen zeigen, dass diese Mannschaft immer noch zu den Besten der Liga gehört.
Die Probleme der Werkself zeigen aber auch, wie schwierig es ist, eine solche Zielstrebigkeit und Titelgier aufrechtzuerhalten. Es ist eben nicht der Normalfall, dass eine Mannschaft über ein Jahrzehnt so titelhungrig bleibt, wie es die Bayern zuletzt waren. Die aktuelle Situation beim Meister zeigt noch einmal, wie beeindruckend diese Titelserie des FC Bayern eigentlich war.
Nicht umsonst sagt man, dass der zweite Titel in Folge ungleich schwerer ist als der erste. Das bekommt derzeit auch der Titelverteidiger aus Leverkusen zu spüren. Und doch muss sich eigentlich niemand Sorgen machen, dass die Werkself auf Dauer ganz oben mitspielen wird. Dafür ist die Qualität der Mannschaft einfach zu hoch. Der jüngste Rückschlag könnte sogar dabei helfen, aufkeimende Arroganz im Team sofort wieder zu ersticken.
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