'Never change a winning team' - verzockt sich Englands Nationaltrainerin Sarina Wiegman?

Am Freitagabend trafen Deutschland und England aufeinander. Während Christian Wück einen positiven Start in seine Amtszeit erlebte, hatten die Engländerinnen große Probleme. Liegt ein Teil des Problems bei Trainerin Sarina Wiegman oder war die deutsche Mannschaft einfach so viel besser?
Alex Pantling/GettyImages
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Ein Spiel verlieren, das will keine Mannschaft. Doch wenn England die deutsche Nationalmannschaft im berühmten Wembley-Stadion empfängt, dann wollen sich die Engländerinnen auf eigenem Boden auf keinen Fall geschlagen geben. Doch genau das geschah am Freitagabend, denn Deutschland besiegte sie mit einem furiosen 4:3.

Die Kritik an den Leistungen der Engländerinnen wird langsam, aber sicher lauter. Das Team von Sarina Wiegman qualifizierte sich - anders als die deutsche Nationalmannschaft - nicht für die Olympischen Spiele. Welche Probleme hatten die Engländerinnen gegen Deutschland und wie nutzen die Deutschen diese aus? 

‘Never change a winning team’ heißt es oft - diese Weisheit scheint die Nationaltrainerin der Engländerinnen, Sarina Wiegman, gern zu befolgen. Sie startet oft mit der gleichen Elf, und sie ist eher zurückhaltend mit Wechseln während des Spiels, oft dann, wenn Spielerinnen nicht gut in Form sind. So auch am Freitagabend. In Leah Williamson und Ella Toone standen Spielerinnen auf dem Platz, die derzeit nicht viel zum Spiel ihrer Nationalmannschaft beitragen können.

Die Kontinuität lässt sich auch daran ablesen, dass am Freitag sieben Spielerinnen in der Startelf zu finden waren, die schon vor bald zweieinhalb Jahren im EM-Finale gegen Deutschland auf dem Platz standen. Und es war die gleiche Mannschaft, die im Juli gegen Schweden von Beginn an spielte. Das Spiel endete torlos. Natürlich braucht eine Mannschaft eine gewisse Konstanz, Abläufe zu entwickeln, aber gerade Testspiele bieten sich dafür an, anderen Spielerinnen eine Chance zu geben. Dies tut die Niederländerin kaum. Verzockt sich Wiegman? Viele Fans der Lionesses beschweren sich jedenfalls über die fehlende Rotation und Experimentierfreudigkeit der Niederländerin, für die diese schon während ihrer Amtszeit als Nationaltrainerin der Niederlande kritisiert worden war. 

Nach knapp 30 Minuten führte die deutsche Nationalmannschaft mit 3:0 - eine Überraschung für alle und eine Blamage für die englische Nationalmannschaft. England wurde von den Deutschen demontiert, die individuelle Fehler und eine löchrige Abwehr des Gegners ausnutzten. Der Führungstreffer nach nur einer Minute für Deutschland resultierte aus einem Fehler von Kapitänin Leah Williamson, die den Ball direkt zu Linda Dallmann spielte, die von Millie Bright zu Fall gebracht wurde und einen Elfmeter zugesprochen bekam. Auch beim zweiten Tor sah die Abwehr nicht gut aus, als Giulia Gwinn nach einem Traumpass von Klara Bühl auf der rechten Seite viel Platz hatte. 

Hervorzuheben ist die Mentalität der Lionesses nach dem frühen, hohen Rückstand. Vor allem Georgia Stanway, die für den FC Bayern spielt, Lauren Hemp und Lucy Bronze zeigten Kampfgeist. Stanway traf noch vor der Pause zweimal und verkürzte auf 3:2. England schien sich ein wenig zu fangen und die komplette Blamage aufhalten zu können.

Ähnlich wie bei den Engländerinnen haperte es auch beim DFB-Team in der Defensive. Allerdings war es das erste Spiel unter Wück mit einer Mannschaft, die in dieser Konstellation noch nie zusammengespielt hatte. So war es nicht verwunderlich, dass noch nicht alle Abläufe wie aus dem Lehrbuch klappten. Dennoch muss an der Stabilität der Abwehr gearbeitet werden, denn nach einer 3:0-Führung sollte ein Spiel nicht 4:3 ausgehen. 

In der zweiten Halbzeit ging es auf beiden Seiten nicht mehr so schnell hin und her - ein Glück aus englischer Sicht, die nur knapp einer Blamage auf eigenem Platz entgingen. Nach einem verwandelten Foulelfmeter von Sara Däbritz führte Deutschland mit 4:2 - Lucy Bronze verkürzte nach einem Fehler von Ann-Katrin Berger noch einmal, doch am Ende setzte sich die Wück-Elf gegen die von Wiegman durch. 

Positiver Start unter Wück

Es war das erste Spiel von Christian Wück - ein beeindruckendes Debüt, das Lust auf mehr macht. Seine Mannschaft spielte von Beginn an mit viel Leidenschaft, Laufbereitschaft und Offensivfußball. Taktisch schien die Mannschaft gut eingestellt zu sein, denn die vermeintlichen Schwächen konnte das DFB-Team hervorragend nutzen. Besonders in der Offensive erspielten sie sich viele Chancen und nutzen diese auch effektiv. “Wir haben analysiert, dass England mit den Außenverteidigerinnen extrem weit einrückt“, sagte Linda Dallmann nach dem Spiel. "Wir mussten dann einfach die Seite wechseln und immer den Zehnerraum besetzt haben."

Im kommenden Sommer findet die Europameisterschaft in der Schweiz statt. Wücks Team hat den Engländerinnen am Freitagabend ihre Grenzen aufgezeigt, doch abschreiben sollte man Wiegmans Team nie - nicht umsonst gewannen sie vor zwei Jahren die Europameisterschaft und standen im vergangenen Sommer im Finale der Weltmeisterschaft. Wücks Aufgabe wird es sein, sich mit seiner Mannschaft zu finden und bis zum nächsten Sommer eine Einheit zu formen, die auf und neben dem Platz funktioniert, damit Deutschland nach der verkorksten WM wieder um den Titel mitspielen kann.