"Mittelfinger gegen Frauenfußball": Offener Brief gegen FIFA-Deal mit Saudi-Arabien

Mehr als 100 Fußballspielerinnen haben sich in einem offenen Brief gegen den FIFA-Werbedeal mit der saudi-arabischen Ölkonzern Aramco ausgesprochen. Unter den Unterzeichnerinnen sind bekannte Namen wie Vivianne Miedema, Jessie Fleming oder Paulina Krumbiegel.
Paulina Krumbiegel sprach sich gemeinsam mit mehr als 100 Profispielerinnen gegen den FIFA-Deal mit Aramco aus.
Paulina Krumbiegel sprach sich gemeinsam mit mehr als 100 Profispielerinnen gegen den FIFA-Deal mit Aramco aus. / Alex Grimm/GettyImages
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Ein Mittelfinger gegen den Frauenfußball sei es. Mit klaren Worten beginnen 106 Spielerinnen ihren offenen Brief gegen die FIFA. Sie protestieren in scharfen Worten gegen den Deal der FIFA mit dem saudi-arabischen Ölkonzern Saudi Aramco.

Saudi Aramco gehört zu 98,5% dem Staat Saudi-Arabien, dem schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Seit April ist der Ölkonzern ein Hauptsponsor der FIFA.

In ihrem offenen Brief kritisieren die Spielerinnen den Deal mit folgenden Worten: "Die saudischen Behörden geben Milliarden für Sponsoring im Sport aus, um von der brutalen Menschenrechtslage des Regimes abzulenken, aber die Behandlung von Frauen spricht für sich selbst."

Saudi-Arabien zieht mit gigantischen Gehältern Topstars wie Karim Benzema in die eigene Liga, zudem stieg der eigene Staatsfonds beim englischen Klub Newcastle ein. Auch in den Motorsport oder das Golfen hat der Staat investiert. Im Frauenfußball will Saudi-Arabien ebenfalls Topstars anlocken, mit Sara Björk Gunnarsdottir wechselte bisher eine prominente Spielerin in die Wüste.

Kritiker sehen darin eine extreme Form des Sportswashings, also dem Nutzen des Sports, um den eigenen Ruf aufzupolieren. Besonders der Mord am Journalisten Jamal Khashoggi sowie die restriktive Gesetzeslage in puncto Frauen und LGBTQ-Personen sorgt regelmäßig für Kritik von Menschenrechtsaktivisten.

Auch der offene Brief der Frauenfußball-Spielerinnen weist auf Schicksale wie das von Salma al-Shehab hin, die wegen Tweets, die Meinungsfreiheit befürworteten, zu 27 Jahren im Gefängnis verurteilt wurde.

Die Spielerinnen weisen auch auf eine weitere Schattenseite des Deals hin: Saudi Aramco ist als größtes staatliches Ölunternehmen der Welt am Klimawandel stark beteiligt. "Der Breitenfußball wird auf der ganzen Welt durch extreme Hitze, Dürre, Brände und Überschwemmungen zerstört, aber während wir alle die Konsequenzen tragen, scheffelt Saudi-Arabien mit der FIFA als Cheerleader seine Gewinne", schreiben die Spielerinnen.

Die Kritik dürfte bald noch stärker werden. Denn Saudi-Arabien wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Zuschlag für die WM 2034 der Männer bekommen. Die FIFA habe mit der Vergabe der WM 2018 nach Russland und der WM 2022 nach Katar bereits zweimal ihre eigenen Prinzipien verkauft, so die Spielerinnen.

Saudi Aramco wurde im Zug des Werbedeals auch als offizieller Sponsor der Frauen-WM 2027 vorgestellt. Besonders dagegen wehren sich die Spieleirnnen: "Saudi Aramco als Sponsor der nächsten Weltmeisterschaft 2027 wäre kein Schritt nach vorn, sondern ein Schlag in die Magengrube für den Frauenfußball, der die jahrzehntelange Arbeit von Fans und Spielerinnen auf der ganzen Welt untergräbt. Ein Unternehmen, das eine eklatante Verantwortung für die Klimakrise trägt und einem Staat gehört, der LBGTQ+-Personen kriminalisiert und Frauen systematisch unterdrückt, hat keinen Platz als Sponsor für unser schönes Spiel", so der offene Brief.

Besonders für LGBTQ-Spielerinnen, zu denen viele zu den Heldinnen der Sportart zählen würden, sei es nicht zumutbar, für Saudi Aramco werben zu müssen - schließlich sind gleichgeschlechtliche Beziehungen in Saudi-Arabien kriminalisiert.

Unterzeichnet ist das Statement von zahlreichen prominenten Spielerinnen wie der kanadischen Kapitänin Jessie Fleming, US-Star Becky Sauerbrunn, der niederländischen Stürmerin Vivianne Miedema oder der dänischen Nationalspielerin Sofie Junge Pedersen. Mit Paulina Krumbiegel unterzeichnete nur eine Spielerin aus Deutschland den Brief, keine aktive Akteurin aus der Frauen-Bundesliga ist unter den 106 Unterzeichnerinnen.

In einem Interview mit der dänischen Zeitung Politiken forderte Sofie Junge Pedersen, dass Spielerinnen in Zukunft ein Mitspracherecht bei Sponsorenverträgen haben sollten. Schließlich seien sie es, die ihr Gesicht für Spots und Poster hinhalten müssen: "Wir schlagen vor, dass es einen Überprüfungsausschuss geben sollte, in dem die Spieler vertreten sind, damit sie mit beurteilen können, ob die Sponsorenverträge mit unseren Werten übereinstimmen", so die Dänin.