Manchester City schockt mit Horror-Performances: Die Gründe für die Krise
Von Dominik Hager
Was aktuell mit Manchester City passiert, ist einfach nur grotesk. Der Premier-League-Serienmeister und die konstanteste europäische Mannschaft in den letzten Jahren, ist im November mehr oder weniger zu einer Lachnummer mutiert. Die Skyblues befinden sich aktuell in einer Krise, die - selbst wenn sie noch nicht so lange andauert - so ziemlich alle Dimensionen des Vorstellbaren übersteigt.
Nach einem eigentlich guten Saisonstart hat der amtierende Premier-League-Champions fünf Pflichtspiele in Serie verloren und sich beim 3:3 gegen Feyenoord Rotterdam in der Königsklasse wahrlich nicht viel besser angestellt. Nach der kuriosen und verheerenden Pleiten-Serie (u.a. 1:4 gegen Sporting und 0:4 gegen Tottenham) sah alles danach aus, als würde der Insel-Kub zumindest Rotterdam klar bezwingen. Tatsächlich gaben die Skyblues im eigenen Stadion aber einen 3:0-Vorsprung in der Schlussviertelstunde aus der Hand. "Welches Team seid ihr und was habt ihr aus Manchester City gemacht?", möchte man da fragen.
Wir nehmen die Situation bei den Skyblues ein wenig genauer in die Lupe und nennen sieben Gründe, warum es für Manchester City nicht läuft.
1. Weltfußballer Rodri mit Kreuzbandriss raus
Die Auszeichnung von Rodri mit dem Ballon d‘Or hat in der Fußballwelt für viel Wirbel gesorgt. Insbesondere Real Madrid hat einen Zirkus veranstaltet, der für einen solch großen Klub ziemlich peinlich war. Rodri hat sich die Auszeichnung allerdings mehr als verdient, was nun immer deutlicher wird. Wie man so schön sagt, weiß man viele Dinge erst dann so richtig zu schätzen, wenn sie fehlen - und Rodri fehlt den Skyblues gewaltig. Als Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld war Rodri sowohl im Ballvortrag der wichtigste Mann als auch für die defensive Stabilität zuständig. Der Spanier hat als Sechser die Mannschaftsteile mit seiner fußballerischen Stärke und Intelligenz optimal verknüpft. Das Fehlen des Steuermanns hat fatale Auswirkungen auf alle Mannschaftsteile.
Zwar hat Manchester City natürlich einige herausragende Fußballer, aber niemand der ein so großes strategisches Denkvermögen besitzt. Spieler wie Ilkay Gündogan, Mateo Kovacic oder auch Matheus Nunes sind allesamt gute Fußballer und insbesondere die ersten beiden geniale Akteure in engen Räumen. Keiner von ihnen ist jedoch der geborene Denker und Lenker aus einer tiefen zentralen Position heraus. Noch dazu kommt, dass keiner vergleichbare Defensiv-Skils mitbringt. Bei Rodri wird oft vergessen, wie gut er Räume schließen und sich in den direkten Duellen behaupten kann.
Neben all dem ist natürlich auch klar, dass die Verletzung eines derartigen Eckpfeilers in den Köpfen der Teamkollegen etwas macht.
2. Zu wenige Veränderungen im Kader
Manchester City ist seit sehr vielen Jahren erfolgreich und setzt dabei mehr oder weniger auf eine vertraute Achse. Pep Guardiola ist bereis seit 2016 im Amt und natürlich verändern sich die Abläufe nicht übermäßig. Je mehr Titel gewonnen werden, desto eher setzt sich ein Gefühl der Zufriedenheit in den Köpfen fest, wodurch das Feuer aber ein wenig verloren geht. Genau deswegen ist es wichtig, dass auch ein erfolgreicher Kader frische Elemente bekommt. Im Sommer hat Manchester City mit Savinho und Ilkay Gündogan aber nur zwei neue Leute geholt, wobei Gündogan ja hierbei gar nicht so wirklich mitgezählt werden kann.
Manchester City hatte bereits im letzten Herbst - wohl aus ähnlichen Gründen - einen Durchhänger. Aus diesem konnte sich das Team recht schnell wieder befreien. Die aktuelle Formkrise ist jedoch ein gutes Stück schärfer.
3. Einige alternde Stars
Wenn man auf wenige Veränderungen im Kader setzt, wird es natürlich umso problematischer, wenn einige Stars so langsam altern. Spieler wie Kyle Walker, Ilkay Gündogan und Kevin De Bruyne haben die 30er-Marke längst überschritten und müssen hart darum kämpfen, die Performance aufrecht zu erhalten. Der all die Jahre so pfeilschnelle Walker hat inzwischen mit Geschwindigkeitsproblemen und Verletzungen zu tun. Ähnliches gilt für Kevin De Bruyne. Der Belgier hatte in der vergangenen Saison mit schweren Knieproblemen zu kämpfen und musste an der Kniesehne operiert werden. "Ein Auto ist, wenn man etwas ersetzen muss, nicht mehr dasselbe Auto", wird Guadiola diesbezüglich von der Zeitung Athletic zitiert. In der laufenden Spielzeit kam beim 33-Jährigen dann auch noch eine Beinbeuger-Verletzung hinzu. Kein Wunder, dass er weit von seiner Topform entfernt ist. Ilkay Gündogan hat zwar weniger mit Verletzungen zu tun, aber auch nicht mehr ganz die Power, Effizienz und Zweikampfstärke, die er noch vor ein paar Jahren hatte. Walker, Gündogan und De Bruyne gehörten in zahlreichen erfolgreichen City-Jahren zu den absoluten Erfolgsgaranten. Ganz klar, dass das Team geschwächt wird, wenn das Trio in die Jahre kommt.
4. Die Verletzungsproblematik
Manchester City hatte auch abgesehen von De Bruyne und Rodri in den letzten Wochen mit einigen Verletzungsproblemen zu kämpfen. Besonders hart hat es die Abwehr getroffen, wo Ruben Dias und John Stones zwischenzeitlich ausfielen und auch Josko Gviardiol mit Wehwehchen zu kämpfen hatte. Doch auch in der Offensive hatte Guardiola schwerwiegende Ausfälle zu verkraften. Hierzu zählen neben De Bruyne unter anderem auch Jeremy Doku, Jack Grealish und Youngster Oscar Bobb. Insbesondere Bobb hätte nach seiner grandiosen Vorbereitung mit seinem jugendlichen Esprit eine wichtige Rolle einnehmen können.
5. Offensive zu abhängig von Erling Haaland
Einen Top-Torjäger wie Erling Haaland im Team zu haben, ist natürlich ein absolutes Geschenk. Der Norweger hat es auch in dieser Saison schon ordentlich krachen lassen. Haaland hat bis jetzt zwölf Tore in zwölf Liga-Matches sowie fünf Tore in fünf Champions-League-Spielen gemacht. Zwar knipst Haaland aktuell auch nicht so konstant wie in den ersten Saisonwochen, jedoch ist dies ganz normal, wenn sich ein Team in der Krise befindet.
Viel schlimmer ist, wie abhängig Manchester City inzwischen von seinem Mittelstürmer ist. In der laufenden Premier-League-Saison hat kein weiterer Akteur vier Tore oder mehr erzielt. Bezeichnend ist, dass mit Mateo Kovacic und Josko Gvardiol (je drei Tore) sowie John Stones (zwei Tore) keine Offensiv-Akteure, sondern ein zentraler Mittelfeldspieler und zwei Verteidiger die nächstbesten Torschützen sind. Dem offensiven Mittelfeld fehlt es einfach eklatant an Torgefahr und auch einen zweiter Stürmer, der verlässlich als Joker oder Rotationsspieler trifft, gibt es seit den Abgang von Julian Alvárez nicht mehr.
6. Quo vadis Phil Foden?
Wenn man sich die Probleme in der Offensive anschaut, bleibt man insbesondere bei Phil Foden hängen. Während es bei Kevin de Bruyne logische Gründe dafür gibt, dass er aktuell nicht auf dem höchsten Level performt, sucht man diese bei Foden vergeblich. Der Engländer hat zwar in der Champions League schon vier Scorer erzielt, in der Premier League allerdings erst einen. Wir sprechen hier im Übrigen von einem absoluten Weltklasse-Spieler, der im Vorjahr noch 27 Premier-League-Scorer erzielen konnte.
In dieser Saison zeigt er aber regelmäßig sein Three-Lions-Gesicht, in der er noch nie so wirklich zu überzeugen wusste. Nun scheint es so, als hätte ihm die Kritik während der EM nachhaltig zugesetzt. Foden fehlt aktuell das Selbstvertrauen und die Entschlossenheit, um der entscheidende Offensiv-Faktor für das Team zu sein. Angesichts der Verletzungsprobleme von Grealish, De Bruyne und Doku wäre ein starker Foden in den letzten Wochen enorm wichtig gewesen. Auf der anderen Seite sei aber auch erwähnt, dass Foden mit seinen 24 Jahren noch immer sehr jung ist und auch ein deutlich erfahrenerer Bernardo Silva in den letzten Wochen nicht wirklich geliefert hat.
7. Manchester City lässt zu viele Chancen zu
Die Gegentor-Flut in den letzten Wochen hat nicht so viel damit zu tun, dass die Gegner ihre Chancen außergewöhnlich gut nutzen, sondern vielmehr mit eigenen Unzulänglichkeiten. In der laufenden Premier-League-Saison lassen die Skyblues laut Opa-Daten 2,9 Groß-Chancen pro Partie zu. Dies klingt nicht nur viel, sondern ist für City-Verhältnisse auch eine absolut erschreckende Statistik. In den acht Saisons zuvor, verzeichneten die Skyblues pro Partie maximal 1,6 Groß-Chancen. Meist bewegte sich der Wert allerdings um 1,0.
Gründe dafür gibt es natürlich einige, vom Rodri-Ausfall und der Verletzungssorgen in der Abwehr angefangen. Natürlich fehlt in einer solchen Phase auch das Selbstvertrauen und die Ruhe im eigenen Spiel. Genau das hatte die Guardiola-Elf schließlich all die Jahre so stark gemacht. Verunsicherung ermöglicht Fehler und Fehler ermöglichen Gegentore. So schnell ist man auch schon in einem derartigen Negativ-Kreislauf gefangen.
Fazit:
Manchester City leidet ganz gewaltig unter der Verletzung von Rodri. Der Ausfall des Spaniers wird das Team zwangsläufig die gesamte Saison über schwächen. Zudem haben die Formschwäche und die Verletzungsanfälligkeit von langjährigen Leistungsträgern wie Kevin De Bruyne, Kyle Walker oder Phil Foden zu den enttäuschenden Ergebnissen beigetragen. Während bei einigen alternden Stars nicht zwingend die ganz große Besserung garantiert ist, darf man das Vertrauen in Spieler wie Foden oder auch Stones nicht verlieren. Hier ist die Rückkehr zur alten Stärke nur eine Frage der Zeit.
Nun stellt sich natürlich die Frage, ob City den Turnaround in dieser Saison noch schaffen kann. Die Antwort darauf lautet mit ein paar Einschränkungen grundsätzlich "Ja". Noch ist schließlich nichts verloren. Zwar beträgt der Rückstand in der Liga auf Liverpool schon acht Punkte, jedoch sind die Reds in der Rückrunde schon häufiger mal eingebrochen. In der Königsklasse rangiert das Team derzeit im Mittelfeld, was angesichts des neuen Formats aber auch nicht schwerwiegend ist. Manchester City hat ein klasse Team, einen starken Trainer und die großen Ziele noch im Blick. Zwar kann auch der amtierende Premier-League-Meister den Ausfall von Rodri nicht kompensieren und hat einige Probleme, jedoch haben viele andere Teams in Europa diese auch. Real Madrid ist ein Beispiel dafür. Letztlich kommt es darauf an, wie schnell City die Wende schafft und im neuen Jahr wieder in Form kommt. In Sachen Henkelpott ist man wohl nur Außenseiter, aber diese Rolle nimmt Guardiola zur Abwechslung wohl auch mal ganz gerne ein.