Kommentar: Torwart-Tryout auf Schalke ist riskant, aber nachvollziehbar
Von Yannik Möller
Es wurde fest davon ausgegangen, dass Kees van Wonderen auf seiner ersten Spieltags-Pressekonferenz seine Entscheidung rund um die Torwart-Position beim FC Schalke mitteilt. Die Überraschung: Seine Entscheidung ist es, dass er ausdrücklich noch keine Entscheidung getroffen hat (90min berichtete).
Der neue Cheftrainer hat sich weder auf Justin Heekeren, noch auf Ron-Thorben Hoffmann festlegen wollen. Er habe noch nicht genügend Eindrücke sammeln können, um sich für den einen oder anderen zu entscheiden, so van Wonderen. Seine Erklärung: "Um die Entscheidung begründen zu können, muss man erst einmal richtig hinschauen. Beide verdienen für mich eine faire Chance."
Mutig, riskant und äußerst ungewöhnlich - zugleich aber auch fair und nachvollziehbar
Die aktive Entscheidung einer Nicht-Entscheidung ist ein äußerst ungewöhnlicher und auch riskanter Schritt - zugleich ist sie aber durchaus nachvollziehbar.
Als Trainer, der erst kürzlich in die für ihn gänzlich neue Mannschaft gekommen ist, hätte die kurzfristige Wahl von Heekeren sowie die Wahl von Hoffmann für Probleme sorgen können. Letzterer konnte sich am vergangenen Wochenende im Testspiel zeigen, lieferte aber auch keine fehlerfreie Partie ab. Hätte er also direkt auf die Neuverpflichtung als Nummer eins gesetzt, wären bei den ersten Fehlern wieder größere Diskussionen ausgebrochen. Immerhin hat sich Heekeren, wenngleich auch nicht unbedingt als Punkte-Retter, auch nicht als per se fehlerbehafteter Keeper gezeigt. Klar erkennbare Fehler, wie etwa beim 0:1-Rückstand gegen Hertha BSC, waren auch bei ihm äußerst selten.
Es gab also angesichts der aktuellen Ausgangslage keine Wahl, die van Wonderen hätte treffen können, die absehbar Ruhe in die auf Schalke seit Jahren anhaltende Torwart-Debatte gebracht hätte. Frühzeitig wäre im Fall der Fälle nach dem jeweils anderen Keeper gerufen worden.
Nun bekommen Heekeren und Hoffmann je zwei Spiele, um sich zu zeigen. Das ist eine faire Herangehensweise, beide erhalten die exakt gleichen Chancen. Anschließend wird sich van Wonderen entscheiden - und dann wie angekündigt auch bei seiner Wahl bleiben.
Riskant ist dieser Vorgang natürlich trotzdem. Der Cheftrainer führt de facto Experimente im Tor durch, während die Saison längst angelaufen ist und sich die Mannschaft ebenso tabellarisch wie mental nicht gerade auf einem allzu sicheren Terrain aufhält. Dieses Wechselspielchen kann also durchaus für Probleme sorgen. Beispielsweise wird auf die nächsten Wochen noch keine gesicherte Abstimmung mit der Abwehrreihe möglich sein, wenn der Schlussmann mehrfach wechselt.
Dazu gilt immer die Frage, wie aussagekräftig einzelne Spiele für die Bewertung eines Spielers tatsächlich sein können. Eine sehr dominante und kontrollierte Partie etwa, bei der ein Torhüter sich kaum auszeichnen kann, wäre dahingehend ebenso ungünstig wie eine Partie, in der gefühlt im Minutentakt gute Torchancen für die gegnerische Mannschaft entstehen und mehrere Gegentore unvermeidbar sind. Daher muss auf die jeweils zwei Spiele schon eine gewisse Bewertungsgrundlage entstehen. Das ist bei einer doch sehr ausgeglichenen 2. Bundesliga aber einfach mal vorausgesetzt.
Es bleibt also dabei: Der Schritt von van Wonderen kann als ungewöhnlich, als mutig und auch als riskant bezeichnet werden. Alles würde zutreffen. Er ist, gemessen an der Gemengelage und seinem Amtsantritt inmitten der angelaufenen Saison, aber auch nachvollziehbar.
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