Klopps RB-Engagement benötigt keinen Applaus - verdient aber Respekt (Ein Kommentar)

Die Meldung über das bevorstehende Engagement von Jürgen Klopp bei Red Bull hat die Fußballwelt in Deutschland in Aufruhr versetzt und neben zahlreichen Debatten auch einige unverständliche Reaktionen hervorgerufen, deren Begründungen allenfalls an der Oberfläche des Themas gekratzt haben dürften. Ein Kommentar.
Jürgen Klopp
Jürgen Klopp / Dean Mouhtaropoulos/GettyImages
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Es war wohl die größte Meldung der letzten Wochen, vielleicht Monate: Jürgen Klopp wird ab Anfang 2025 in neuer Funktion als Global Head of Soccer in den Red-Bull-Kosmos einsteigen. Nicht nur, dass Kloppo vorerst nicht mehr an der Seitenlinie stehen wird - was sich wohl fast jeder von uns gewünscht hätte -, sondern auch, dass der vielleicht volksnähste Fußballtrainer Deutschlands in das sonst so verhasste Red-Bull-Imperium einsteigt. Zu viel für fast alle, die den Volkssport Fußball traditionell und fußballromantisch betrachten.

Ich will daraus keinen Hehl machen: Auch ich bin ein Fußballromantiker durch und durch und bevorzuge Vereine mit Tradition und langer Geschichte, Vereine, in deren Stadien man die Geschichte fast riechen und schmecken kann. In denen man Gänsehaut bekommt und die Atmosphäre auf der Haut kitzelt. Über Jahre gesungene Lieder und über Generationen weitererzählte Geschichten von Helden, Triumphen und Schlachten. Vereine, deren Logo zum Mythos geworden ist und Spieler, die ihrem Verein ewig die Treue hielten. Auch für mich war die Klopp-Nachricht am Mittwochmorgen befremdlich, aber aus meiner eigenen Trainerperspektive habe ich versucht, für mich herunterzubrechen, was diese zukünftige Zusammenarbeit zwischen Red Bull und dem Weltklassetrainer rein fachlich und aus Sicht des Menschenfängers Klopp bedeutet.

Der Trainer Klopp

Jürgen Klopp hat es in seiner Videobotschaft deutlich gemacht: "Ich möchte wieder lernen. Ich möchte sehen, fühlen und herausfinden, was nützlich für den Fußball ist. Wenn man alle drei Tage spielen muss, hat man kaum Zeit dafür." Das nehme ich ihm voll und ganz ab. Klopp ist seit dem 28. Februar 2001 fast ununterbrochen als Cheftrainer einer Fußballmannschaft im Profisport tätig, hat seit seinem Amtsantritt damals beim FSV Mainz 05 1078 Pflichtspiele als Hauptverantwortlicher an der Seitenlinie verbracht, dazu kommen Turniere und Testspiele sowie unzählige Trainingseinheiten. Ein kräftezehrendes Mammutprogramm, vor allem, wenn man mit Vereinen wie Borussia Dortmund oder dem FC Liverpool ständig auf mehreren Hochzeiten tanzt und permanent im Fokus der Öffentlichkeit steht. Dass man sich als Trainer unter dem Druck liefern zu müssen dabei kaum weiterentwickeln kann und auch mal Zeit findet, den Kopf über das Geschehen um einen herum zu heben, scheint fast unmöglich. Dass Klopp, der für seine besondere Spielweise bekannt ist, sich in seiner Amtszeit keine Zeit für große Experimente nehmen konnte, dürfte ebenfalls klar und nachvollziehbar sein. Klopp liebt den Fußball über alles und in ihm steckt der Wunsch, sich in diesem Sport unvoreingenommen mit Neuem und Unbekanntem auseinandersetzen zu können. Zu wachsen und zu lernen. Diese Möglichkeit bietet sich ihm nun, da er in erster Linie die Rolle des Beobachters und in zweiter Instanz die des Gestalters einnehmen kann. Das sollte man ihm gönnen und zugestehen. Hinzu kommt, dass er auf diese Weise immer eine gewisse Distanz zum unmittelbaren Geschehen wahren kann und auch aus anderen Bereichen des Sports Eindrücke sammeln kann.

Der Lehrmeister Klopp

In seiner neuen Rolle wird Klopp einen weltweiten Austausch mit Trainern vor allem auch im Nachwuchsbereich finden. Ganze Vereine in Teilen nach seiner Ansicht umstrukturieren. Das Red Bull Imperium besteht aus mehreren Zweigen, zu denen unter anderem die Vereine RB Leipzig, RB Salzburg in Österreich, RB Bragantino in Brasilien und RB New York in den USA gehören. Wenn ich an all die Trainertalente denke, die nun von der Expertise eines Jürgen Klopp profitieren können und sehen, dass es auch einen menschlicheren Weg im Haifischbecken des Leistungssports gibt, bleibt mir fast nur große Vorfreude in die Zukunft auf das was da kommt und fast ein bisschen Neid. Ganz zu schweigen von all den Kindern und Jugendlichen, die durch dieses Projekt und die Entwicklung von Trainertalenten ebenfalls in den Genuss kommen, von Klopps großer Erfahrung zu profitieren. Ein Segen für die Fußballwelt!

Klopp im RB-Kosmos

Natürlich ist die Kombination Jürgen Klopp und Red Bull in Deutschland befremdlich. Aber wenn man die vorauseilende Wut und Enttäuschung einmal beiseite lässt und sich mit kühlem Kopf den Fakten widmet, stellt man auch fest, dass Klopp in seiner Videobotschaft auf Englisch und nicht in seiner Muttersprache Deutsch erklärt hat. Für mich ein klares Zeichen, dass es ihm um das große Ganze geht, um das Gesamtprojekt und die Entfaltungsmöglichkeiten darin. Klopp ist nicht neuer Trainer von RB Leipzig, sondern er ist das Gesicht von etwas viel Größerem, von dem jetzt auch in weniger privilegierten Bereichen profitiert werden kann. Und damit meine ich zum einen den Faktor Lebensstandard, aber auch den Zugang zu so viel Fußballexpertise in den Ländern des RB-Kosmos.

Natürlich profitiert Red Bull als Konzern jetzt davon, dass man mit dem Gesicht Klopps einen mächtigen Markenbotschafter gewonnen hat - aber viel entscheidender ist, dass dahinter bzw. darunter Menschen wie du und ich stehen und vor allem unheimlich viele junge Sportler, denen es wie Jürgen Klopp vor allem um eines geht: den Sport! Mal nebenbei erwähnt: Dass sich Klopp nicht gegen das durchaus üppige Gehalt wehrt ist doch selbstverständlich. Wer von uns würde das? Löst man sich aber von der Marke Red Bull und blickt auf die sportlichen Leistungen der Trainer und Athleten innerhalb dieses Kreises mit all ihren Möglichkeiten und Rahmenbedingungen, dann ist Klopp dort aktiv, wo er am liebsten ist: bei den Menschen und nicht im Konzern. "Vor ein paar Monaten habe ich gesagt, dass ich mich nicht mehr an der Seitenlinie sehe, und das ist nach wie vor der Fall. Aber ich liebe weiterhin den Fußball und ich liebe es, zu arbeiten. Red Bull gibt mir die perfekte Plattform dafür", sagte der 57-Jährige in seiner Videobotschaft.

Natürlich steckt hinter dem RB-Konzern viel Geld, doch darum geht es in diesem Fall nicht. Es geht um das, was daraus gemacht wird und bei wem es letztlich zum Tragen kommt. Für diese Personen ist Klopp nun der ideale Mann. Ob das RB-Imperium dadurch sympathischer oder Jürgen Klopp unsympathischer wird, ist eine irrelevante Fragestellung und verschwendete Zeit.

Nebenbei bemerkt: Auch bei anderen Vereinen auf der Welt steckt viel Geld dahinter. Auch in Deutschland. Auch bei Traditionsvereinen. Entscheidend ist aber, was man mit diesen finanziellen Mitteln macht. Das ist jedem selbst überlassen und muss auch von jedem Verein selbst verantwortet werden. Zur kompletten Wahrheit gehört daher auch, dass es RB einfach ziemlich gut macht. Das muss man anerkennen - egal, was man von dem Projekt hält. Was beispielsweise in Sachen Talentscouting und Weiterentwicklung bei RB Salzburg und dem FC Liefering passiert, sucht wohl europaweit seinesgleichen. In Sachen Traditionsvereinen kann da vielleicht noch der FC Barcelona, Ajax Amsterdam und Benfica Lissabon mithalten. Früher auch mal der FC Schalke 04. Man vergleiche nur mal den Aufwand und Ertrag der kleinen Österreicher mit dem des großen FC Bayern.

Der Mensch Klopp

Vielleicht sollten wir gerade bei diesem Thema emotional einen Schritt zurücktreten und die Dinge so sehen, wie sie sind. Da ist ein Mann, der den Fußball über alles liebt und in diesem Bereich so viel erlebt hat wie kaum ein anderer. Vor allem ein Mann, der in den letzten Jahren so viel für diesen Sport getan hat wie kaum ein anderer. Ein Mann, den wir in Deutschland über Jahrzehnte geliebt, teils vergöttert und uns als Bundestrainer gewünscht haben. Ein Mann, der sein ganzes Herzblut in die Vereine gesteckt hat, in denen er tätig war, und der mit jeder Faser seines Körpers gelebt hat, was er da getan hat. Immer nah dran an Volk und Fan. Ein Mensch, der uns in vielerlei Hinsicht ein Vorbild war und irgendwie auch die Schnittstelle zwischen den Normalos, die den Fußball als Fans verfolgen, und dem elitären Kreis derer, die ihn vor der Kamera ausüben. Ein Markenbotschafter für den Sport, für unser Land und für menschliche Werte, die gerade in diesem Geschäft an Bedeutung verloren haben und immer weiter verdrängt werden.

Mein Fazit

Diesen Menschen nun für eine berufliche Entscheidung zu verteufeln, die ihm nach all dem Leistungsdruck der letzten Jahrzehnte die Möglichkeit gibt, seiner Liebe und Leidenschaft in freier Form nachzugehen und dabei auch noch einen erheblichen Mehrwert für kommende Fußballergenerationen darstellt, finde ich als Fußballromantiker zutiefst verwerflich und viel schlimmer als die Nachricht, für wen Klopp in Zukunft arbeiten wird. Man muss seine Entscheidung nicht bejubeln, darum geht es auch nicht. Aber sie verdient großen Respekt. Jürgen Klopp ist ein hoch intelligenter Mann, dem sicherlich ganz bewusst war, was diese Entscheidung in Deutschland auslösen und mit seinem Status machen würde. Dass er sich dem trotzdem stellt, ist in gewisser Weise dann auch schon wieder groß. Klopp hat in dieser Sache entgegen vieler Behauptungen aufgebrachter BVB-Fans mit Sicherheit nicht auf seinen Geldbeutel gehört, sondern auf sein Herz als Trainer.

Aus Fansicht finde ich auch nicht viele Punkte, die mir diese zukünftige Beziehung schmackhafter machen. Zu sehr habe ich mir Klopp an der Linie eines Traditionsvereins oder Nationalmannschaft gewünscht. Aus Sicht des Trainers und rein objektiv betrachtet ist die Entscheidung jedoch komplett nachvollziehbar und im Rahmen der sportlichen Perspektiven verständlich. Nicht romantisch - aber wertfrei betrachtet nachvollziehbar.

In diesem Sinne: Viel Erfolg und vor allem viel Freude bei deiner neuen Aufgabe, Kloppo!


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