Klara Bühl: Bereit für den großen Schritt ins Ausland? Ein Pro & Kontra
Von Helene Altgelt
Die Verantwortlichen des FC Bayern mussten in den letzten Wochen einige Transfergerüchte kommentieren, die meisten davon zu Klara Bühl. Zunächst wurde die Stürmerin mit dem FC Barcelona in Verbindung gebracht, dann auch mit fast sämtlichen internationalen Topklubs: Die besten englischen Vereine würden um sie werben, hieß es, und auch aus den USA und Frankreich gebe es von den besten Adressen aus Interesse.
Der Vertrag von Bühl läuft im Sommer aus, und der Bedarf an Flügelspielerinnen auf Topniveau ist größer als die Nachfrage - dass die 24-Jährige über einen Wechsel nachdenkt, ist also kaum überraschend. Wäre ein Transfer für Bühl zum nächsten Sommer der konsequente nächste Schritt oder eine verfrühte Entscheidung? Pro und Kontra.
Pro: Ein anderer Spielstil würde Bühl guttun
Seit 2020 ist Klara Bühl in München, der Wechsel vom beschaulichen Freiburg an die Isar schien dabei wie der logische nächste Schritt für das hoch gehandelte Talent. Und rückblickend dürfte Bühl mit ihrer Entscheidung zufrieden sein. In München etablierte sie sich bald, wurde zu einer Stütze im Nationalteam, nahm eine gute Entwicklung. Mit 24 ist Bühl Stammspielerin bei Bayern und im Nationalteam, ist also da angelangt, wo viele hinwollen.
Und trotzdem wäre ein Wechsel, raus aus der Komfortzone, die richtige Entscheidung. Zumindest, wenn Bühl nochmal einen weiteren Schritt gehen will. Wenn sie sich nochmal selbst als Spielerin neu erfinden will, neue Ideen bekommen will.
Keine Frage, ein Verbleib beim FC Bayern würde nicht schaden, sie würde wohl Stammspielerin bleiben, weiterhin Titel gewinnen, als gute Bundesliga-Spielerin angesehen werden. Aber vielleicht nicht als eine wirklich besondere Spielerin, als eine der Großen. Denn das ist Bühl aktuell bei all ihren Stärken noch nicht.
Die 24-Jährige ist technisch hochbegabt, zirkelt Freistöße, die allen Geometrie-Professorinnen gefallen, sie hat einen starken Schuss und viel Mut, etwas zu versuchen. Aber Bühl hat bei der Entscheidungsfindung weiter Schwächen, obwohl sie dort Fortschritte gemacht hat, und sie ist noch nicht zu einer komplett unabhängigen Spielerin gereift.
Spielt Bayern stark auf, tut sie das oft auch, sie wird vom Schwung getrieben und treibt dadurch auch die anderen an, wird zum Verstärker des Flows. Aber wenn es gerade nicht so läuft, dann ist auch Bühl die Frustration anzusehen, und sie läuft an und versucht einiges, aber vermag es noch nicht immer, das Team aus dem Loch zu holen.
Für eine 24-Jährige ist das sicherlich ein hoher Anspruch, und dass Bühl den aktuell noch nicht erfüllt, ist normal. Aber bei ihren Anlagen scheint es möglich, dass sie eines Tages zu so einer Spielerin werden kann - nur braucht es dafür vielleicht einen Impuls- und Tapetenwechsel.
Unter Alexander Straus spielt Bayern bereits anders als unter seinem Vorgänger Jens Scheuer, aber ein ganz neuer Stil könnte Bühl guttun. Wie das funktionieren kann, zeigte etwa der Wechsel von Caroline Graham Hansen von Wolfsburg zu Barcelona, die nochmal zu einer ganz anderen Spielerin wurde, im Tiki-Taka aufblühte und heute die wohl beste Eins-gegen-eins-Spielerin im Frauenfußball ist. Oder der von Sjoeke Nüsken zu Chelsea, wo sie plötzlich ihre Torgefahr neu entdeckte.
Ein ganz neuer Ansatz, ob es der Ballbesitz von Barça oder die überfallartigen Konter eines amerikanischen Teams sind, könnte aus Bühl ganz neue Stärken hervorholen. Ein Risiko wäre es - aber die Bereitschaft dazu braucht es, wenn man eine der ganz Großen werden will.
Kontra: Ein unnötiges Risiko
Klar ist ein Wechsel ins Ausland reizvoll. Neuer Fußball, neue Kultur, auch wahrscheinlich ein deutlich höherer Gehaltsscheck - all das kann in die Entscheidung hereinspielen. Aber dass ein Wechsel aus Deutschland weg unbedingt nötig ist für die persönliche Weiterentwicklung, das kann bezweifelt werden.
Schließlich haben Spielerinnen wie Alexandra Popp, Kathrin Hendrich oder Sara Doorsoun ihre gesamte Karriere in Deutschland - oder gar bei nur einem Verein - verbracht, und agieren trotzdem auf Topniveau. In der Kontinuität kann auch eine Chance liegen.
Bühl spielt bei einem Verein, der trotz seiner starken Entwicklung in den letzten Jahren stets human mit seinen Spielerinnen umgegangen ist. Verbalattacken auf einzige Spielerinnen nach Niederlagen wie beim Männerfußball (Juan Bernat!!) gibt es nicht, Bayern lässt ihnen die nötige Zeit zur Entwicklung.
Bei einem Wechsel ins Ausland wäre die Aufmerksamkeit um ein Vielfaches höher, und auch der Druck. Bühl hätte dann das Etikett "Achtung, Hochtalentiert!" auf der Stirn kleben, müsste konstantere Leistungen bringen. Und bei Vereinen wie Real Madrid oder dem FC Arsenal ist die Gedult bei sportlichen Krisen oft mal schneller aufgebraucht, als das in München der Fall ist.
Zu alldem kommt noch die ungleich höhere Konkurrenz bei anderen Vereinen. Bei Barcelona müsste sich Bühl etwa mit Spielerinnen wie Graham Hansen, Pina, Rolfö, Paralluelo und Brugts messen. Letztere wurde übrigens 2023 zu Barcelona geholt, als großes Talent gehandelt spielt seitdem vernünftig, aber ist nicht immer Stammspielerin - und jetzt überlegt ihr Klub schon, noch eine weitere Spielerin auf ihrer Position zu holen. So kann es bei Vereinen wie Barça schnell gehen.
Bühl hat ein gutes Niveau, aber keins, bei dem man sagen kann, dass ein Wechsel nun unbedingt erforderlich ist und ein Verbleib in München ein faules Steckenbleiben in der Komfortzone wäre. Auch bei Bayern kann sie noch einige Entwicklungsschritte machen, ohne komplett in das Feintuning zu gehen, für das vielleicht ein noch größerer Klub notwendig wäre.
All das heißt nicht, dass ein Wechsel zu einem späteren Zeitpunkt nicht sinnvoll sein kann - aber im nächsten Sommer wäre er für Bühl mehr Risiko als Bereicherung. Dazu sollte nicht vergessen werden, dass Bühl aktuell in einer der stärksten Ligen weltweit spielt.
Das geht bei all dem Understatement und Diskussionen zum Entwicklungsbedarf der Frauen-Bundesliga stets etwas unter. Vier Teams sind zur Halbzeit noch im Rennen um die Meisterschaft, und auch Mittelfeldteams sind eine Gefahr für die Großen.
In Spanien oder Frankreich ist das nicht der Fall: Bei Barcelona mit seiner absurd hohen Qualität scheinen die meisten Spiele wie ein Showlaufen, bei dem nur die Frage, ob vier, fünf oder mehr Tore fallen, offen ist. Regelmäßig wirklich gefordert zu werden, hat auch einen Wert. Für die Frauen-Bundesliga wäre es schade, wenn Bühl wechseln würde - für sie selbst vielleicht auch.