Kampf um die Champions-League-Ränge: So gelang Lazio Rom der Umbruch

Lazio Rom steht mit 36 Punkten aus 20 Spielen auf dem vierten Platz der Serie-A-Tabelle und befindet sich mitten im Rennen um die Champions-League-Ränge. Nach einem Trainerwechsel und klugen Transfers ist es dem Klub gelungen, den Umbruch zu meistern - nach vielen Schwierigkeiten in den letzten Jahren.
Matteo Guendouzi, Fisayo Dele-Bashiru & Mattia Zaccagni
Matteo Guendouzi, Fisayo Dele-Bashiru & Mattia Zaccagni / Insidefoto/GettyImages
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Lazio darf wieder von der Champions League träumen. Das liegt vor allem daran, dass der Umbruch im hellblauen Teil Roms endlich gelungen zu sein scheint.

Der neue Trainer: Marco Baroni

Lazio trennte sich im März 2024 von Maurizio Sarri, der den Verein in der Saison 2021/22 auf den fünften Platz führte und 2022/23 zur Vizemeisterschaft. Daraufhin übernahm Igor Tudor die Mannschaft und schloss 2023/24 auf dem siebten Rang ab. Doch Tudors Zeit in Rom war nur von kurzer Dauer, da die Vereinsführung sich nach Ablauf der Saison dazu entschied, den Trainer zur neuen Spielzeit zu wechseln. Am 1. Juli 2024 trat Marco Baroni sein Amt als Lazio-Trainer an.

Seit 2016 hat sich Lazio lediglich zweimal für die Champions League qualifizieren können. Die beiden Trainer, die dieses Ziel erreichten, waren Maurizio Sarri und Simone Inzaghi. Nun steht mit Marco Baroni ein weiterer Coach an der Seitenlinie, der zweifellos das Potenzial hat, ebenfalls den Einzug in die Königsklasse zu schaffen.

Mit seinen 61 Jahren bringt Baroni einiges an Erfahrung mit. Er trainierte bereits zahlreiche italienische Klubs - darunter beispielsweise die U19 von Juventus, die AC Siena, Südtirol, Benevento, Frosinone, Lecce und Hellas Verona. Bei den kleineren Vereinen konnte er immer wieder mit überzeugender Arbeit punkten. Nun ist er mit der prestigeträchtigen Station bei Lazio bei der bisher größten Aufgabe seiner Trainerkarriere angelangt.

Marco Baroni
Marco Baroni / Image Photo Agency/GettyImages

Der Italiener ist insbesondere für sein 4-2-3-1-System bekannt, das er auch in Rom eingeführt hat. Im Ballbesitz verschiebt sich dieses System jedoch meistens in ein 3-3-4/3-2-5. Der Spielaufbau erfolgt stets über eine Dreierkette, wobei sich oft einer der Sechser - Guendouzi oder Rovella - zwischen die Innenverteidiger zurückfallen lässt. Dies eröffnet den Außenverteidigern, in der Regel Lazzari und Nuno Tavares, die Möglichkeit, weiter nach vorne zu rücken. Situativ kann auch einer der Außenverteidiger die Rolle des dritten Aufbauspielers übernehmen.

Indem mindestens einer der beiden Außenverteidiger ganz nach vorne in die letzte Kette schiebt, entsteht für die Flügelspieler mehr Raum, um in die Mitte zu ziehen. Dadurch erzeugen die Außen mehr Torgefahr und bieten zusätzliche Unterstützung für den Mittelstürmer, während die Außenverteidiger die Breite halten. Da einer der Sechser meistens in den Spielaufbau involviert ist, übernimmt der Zehner in Baronis System die wichtige Aufgabe, den zweiten Sechser im zentralen Mittelfeld situativ zu unterstützen.

In Angriffssituationen formiert sich die Offensivkette in der Regel aus fünf Spielern - bestehend aus den vier nominellen Offensivkräften sowie einem aufgerückten Außenverteidiger oder alternativ aus dem Stürmer, den beiden Flügelspielern und beiden Außenverteidigern. Allein die Beschreibung von Baronis Taktik verdeutlicht, wie flexibel dieses System ist: Es erfordert eine perfekte Abstimmung zwischen den Spielern, die in der Lage sein müssen, mehrere Positionen während des Spiels übernehmen zu können. Durch diese dynamischen Positionswechsel während des Spiels gelingt es Baroni häufig, die gegnerische Mannschaft zu verwirren und vor Probleme zu stellen.

Baroni ist es gelungen, eine Spielphilosophie zu etablieren, die auf Sicherheit im Passspiel und einen kontrollierten Spielaufbau setzt - nur Milan und Inter verlieren seltener den Ball als Lazio. Gleichzeitig hat er die Offensive, die in der vergangenen Saison lediglich 49 Tore erzielte, entscheidend weiterentwickelt. Aktuell steht Lazio bereits bei 34 Treffern in der Serie A und stellt die drittbeste Offensive der Liga. Einen wesentlichen Anteil daran hat Stürmer Valentin Castellanos, der nach der Hinrunde bereits zehn Scorer verbuchte.

Doch nicht nur die Serie-A-Statistiken überzeugen: Baroni, der erstmals in seiner Karriere einen Klub trainiert, der im europäischen Wettbewerb vertreten ist, steht aktuell an der Spitze der Europa-League-Vorrundentabelle. In sechs Spielen schossen die Römer 14 Tore und kassierten nur drei Gegentore. Mit fünf Siegen und einem Unentschieden nehmen sie verdient den ersten Platz ein. Dabei schafft es Baroni, in der Europa-League-Startaufstellung im Vergleich zum vorherigen Serie-A-Spieltag viel zu rotieren: Routiniers wie Pedro oder Mathias Vecino sind in der Europa League gesetzt, während sie in der Liga kaum starten, was die Tiefe in Lazios Kader unterstreicht.

Mit Mario Gila, Nicolo Rovella und Kapitän Mattia Zaccagni, die zuvor schon im Verein waren, ist es Baroni ebenfalls gelungen, eine gewisse Achse zu formen. Doch Lazio hat im vergangenen Sommer auch einige Transfers getätigt und den Kader stark verändert. Viele der Neuzugänge spielen nun eine sehr wichtige Rolle und tragen zum Erfolg von Baronis Lazio bei.

Lazios Transfersommer 2024

Im letzten Sommer investierte Lazio 38 Millionen Euro für neue Spieler. Auf der Abgangsseite verzeichnete der Verein Einnahmen von knapp 26 Millionen Euro, was zu einem aktuellen Transferdefizit von rund zwölf Millionen Euro führt.

Lazio musste die Abgänge von Luis Alberto und Ciro Immobile verkraften, die zusammen mehr als 600 Spiele für den Verein bestritten und somit prägende Figuren der letzten Jahre waren. Dennoch befanden sich beide Spieler in einem fortgeschrittenen Alter und hatten in der vorherigen Saison nicht mehr den Einfluss, den sie einst auf das Team ausübten.

Ein entscheidender Faktor für Lazios Erfolg in dieser Spielzeit sind jedoch die Neuzugänge, die im Sommer verpflichtet wurden: Lazio holte elf neue Spieler, darunter vier ablösefreie Transfers und vier Leihen.

Der teuerste Transfer, Matteo Guendouzi, war allerdings bereits in der vergangenen Saison Teil des Teams und wurde aufgrund einer zuvor vereinbarten Kaufpflicht für 13 Millionen Euro von Olympique Marseille fest verpflichtet. Zu diesem Zeitpunkt hatte Guendouzi einen Marktwert von 25 Millionen Euro, was den Kauf des Franzosen zu einem wahren Schnäppchen für Lazio machte.

Guendouzi zählt schon seit letzter Saison zu den absoluten Leistungsträgern bei Lazio. In der Saison 2023/24 spielten nur drei Spieler mehr Minuten als er - in der laufenden Saison ist Guendouzi der Spieler mit den meisten gespielten Minuten bei Lazio. Der 25-jährige Sechser ist somit eine Art Herzstück der Römer-Startelf und unverzichtbar geworden. Der erste Transfer, der sich mehr als nur bezahlt gemacht hat.

Mit Tijjani Noslin verpflichtete Lazio für zwölf Millionen Euro einen Rechtsaußen von Hellas Verona, der zwar noch kein gesetzter Stammspieler ist, allerdings schon für Aufsehen sorgte: Im Achtelfinale der Coppa Italia erzielte Noslin einen Hattrick gegen die SSC Napoli und drei Tage später, in der Liga, bereitete er den entscheidenden Siegtreffer zum 1:0 - ebenfalls gegen Neapel - vor.

Der Niederländer ist offensiv vielseitig einsetzbar und wurde bislang nicht nur auf den Flügeln, sondern auch als Mittelstürmer aufgeboten. Seine Bilanz als Mittelstürmer: Vier Scorer in 381 Spielminuten, was etwas mehr als vier Spielen entspricht. Die von Lazio gezahlten zwölf Millionen Euro scheinen sich auf jeden Fall bezahlt zu machen. Der Verein würde mit einem Verkauf des 25-jährigen sicherlich kein Minusgeschäft machen und könnte sportlich sogar noch erheblich von diesem Transfer profitieren.

Loum Tchaouna wechselte für zehn Millionen Euro nach Rom. Der 20-jährige hat nach der Hinrunde bereits 21 Einsätze vorzuweisen, darunter 15 in der Serie A. Das junge Talent konnte sich somit schnell zu einem wichtigen Bestandteil der Mannschaft entwickeln. Trotz seiner niedrigen Scorerquote (13,6 Prozent) spielte der Rechtsaußen in jedem Vorrundenspiel der Europa League und könnte in der Zukunft mit seinem Tempo sowie seinem Potenzial zu einer echten Waffe für Lazio werden.

Fisayo Dele-Bashiru kam auf Leihbasis von Hatayspor aus der Türkei nach Italien. Seitdem hat der vielseitige Achter, der gelegentlich auch offensiver, etwa als Linksaußen oder Zehner, eingesetzt wird, mit vier Scorern in vier Europa-League-Partien auf sich aufmerksam gemacht und zuletzt ein wichtiges Tor gegen Atalanta am 18. Spieltag erzielt. Der 23-jährige Nigerianer zählt auf seiner Position zu den besten Spielern, was progressive Pässe und Berührungen im gegnerischen Strafraum angeht. Das Spielerprofil von Dele-Bashiru ähnelt dem von Milans Tijjani Reijnders oder Inters Davide Frattesi. Da der Vertrag mit einer Kaufpflicht ausgestattet ist, wird der Mittelfeldspieler im kommenden Sommer fest zu Lazio wechseln.

Samuel Gigot kam ursprünglich als Leihgabe von Marseille zu Lazio, vorgesehen als Back-up für die Innenverteidigung. Aufgrund von Ausfällen der Stammkräfte stand der 30-jährige jedoch bereits in zwölf Partien auf dem Platz. Gigot macht seine Aufgabe seither relativ zuverlässig und fällt selten mit Aussetzern auf.

Die bisher wohl besten Transfers sind die Leihen von Nuno Tavares und Boulaye Dia, die gemeinsam auf 40 Spiele und 17 Scorer für Lazio kommen - dabei ist Tavares ein nomineller Verteidiger. Der Portugiese ist der neue gesetzte Linksverteidiger in Lazios Viererkette. Auch wenn er immer wieder Schwächen im Defensivspiel zeigt, ist sein Offensivoutput herausragend: Mit acht Torvorlagen hat kein anderer Spieler der Serie A mehr Assists. Tavares überzeugt mit seinem enormen Tempo und seiner Flankenqualität. Lazio scheint die erste Station in Europas Topligen zu sein, bei der Tavares aufblühen kann. Besonders bemerkenswert: Lazio hat sich im Sommer eine Kaufpflicht in Höhe von lediglich fünf Millionen Euro gesichert, während Tavares’ aktueller Marktwert bei 25 Millionen Euro liegt.

Boulaye Dia hat sich ebenfalls als neue Stammkraft bei Lazio etabliert: Der 28-jährige Senegalese wird im Sommer 2025 für eine Ablösesumme zwischen zehn und zwölf Millionen Euro fest von Salernitana nach Rom wechseln. Mit sieben Scorerpunkten in der Serie A und zwei Treffern in der Europa League hat Dia bereits gute Zahlen vorzuweisen. Erwähnenswert ist, dass er unter Baroni in einer neuen Rolle eingesetzt wird: Anders als in seiner 22-Scorer-Saison 2022/23 bei Salernitana, in der er als Mittelstürmer agierte, spielt Dia nun als eine Art Zehner im 4-2-3-1 System von Lazio. In dieser Position fungiert er als Bindeglied zwischen Mittelfeld und Angriff. Dennoch bildet Dia situativ mit Lazios Nummer neun, Valentin Castellanos, einen Doppelsturm, um zusätzliche Torgefahr zu erzeugen.

Ausblick auf Lazios Rückrunde

Lazio ist fulminant in die laufende Serie-A-Saison gestartet und lag bis zum 15. Spieltag nur drei Punkte hinter Rang eins. Das Träumen vom Scudetto hat zwar nun ein Ende, da Napoli mit einem Vorsprung von elf Punkten sowie Atalanta und Inter als weitere Topteams deutlich davongezogen sind. Dennoch ist ein Finish unter den ersten vier möglich und greifbar.

Mit einem gut ausgewogenen Kader und einem starken Trainer, der eine klare Spielphilosophie verfolgt, hat Lazio das Potenzial, in der Europa League weit zu kommen und möglicherweise sogar um den Titel mitzuspielen. Zudem stehen die Chancen nicht schlecht, im nächsten Jahr in der Königsklasse vertreten zu sein.

Dank einer Reihe richtiger Entscheidungen im vergangenen Sommer steht Lazio Rom derzeit verdient auf dem vierten Platz der Serie A, an der Spitze der Europa-League-Vorrundentabelle und im Viertelfinale der Coppa Italia.