Jahresrückblick 2024: Die erinnerungswürdigsten Spiele in der Frauen-Bundesliga
Von Helene Altgelt
Mehr als hundert Spiele wurden 2024 in der Frauen-Bundesliga ausgetragen, und doch wird ein Großteil von ihnen den meisten Fans wohl kaum länger im Gedächtnis bleiben. Zwischen biederen Unentschieden im Abstiegskampf oder klassischen 2:1-Siegen gab es 2024 aber auch mehrere erinnerungswürdige Matches.
Dramen im Tabellenkeller, Spiele mit offenem Visier, Partien mit Symbolkraft und Wendepunkte der Saison: Fünf Spiele, die uns vom Jahr 2024 in Erinnerung bleiben werden.
SGS Essen 4:4 Leipzig (13. Spieltag 2023/24, 9. Februar)
Zu lange das Handy gesucht, die Straßenbahn verpasst, zu spät zum Fußballspiel gekommen: Wer kennt's nicht? Wem das bei Essen gegen Leipzig passiert ist, der hatte leider einiges verpasst. Denn in der 30. Minute waren schon fünf Tore gefallen, drei weitere kamen noch hinzu. Im Ruhrpott leisteten sich die beiden Klubs, von ihrer Geschichte und Struktur so grundverschieden wie keine zwei anderen, ein wildes Hin und Her.
Erst legte Essen zweimal vor, dann drehte Leipzig den Spieß um: In der 40. Minute stand es 4:2 für die Sächsinnen. Für Leipzig, die als ambitionierter Aufsteiger tiefer im Abstiegskampf steckten als erhofft, wären es wichtige drei Punkte gewesen. Essen dagegen spielte eine außergewöhnliche Saison, selbst für SGS-Verhältnisse, und konnte zwischendurch sogar von der Champions League träumen.
Dass daraus nichts werden würde, war beim Spiel gegen Leipzig aber schon abgesehen. Trotzdem spuckte die SGS den Gästen nochmal in die Suppe, und glich zum 4:4 aus. Haarscharf verpassten sie mehrmals das 5:4. Natasha Kowalski brillierte als Regisseurin der jungen Wilden von Essen mit zwei Toren und einer Vorlage, auf Leipziger Seite bewies Vanessa Fudalla erneut ihre Schussfertigkeiten. Ein Spiel ohne Defensivreihen, ohne viel Relevanz für die weitere Saison, dafür mit viel Unterhaltungswert.
1. FC Köln 3:4 Nürnberg (17. Spieltag 2023/24, 23. März)
Es war ein Spiel, das wirkte wie der Topkandidat auf ein dröges 0:0. Köln gegen Nürnberg, beide im Abstiegskampf. Für den Club zählten nur drei Punkte, Köln wollte sich den ungeliebten Tabellennachbarn lieber von der Brust halten. Ein typischer Fall von "die einen können nicht, die anderen wollen nicht" also?
Weit gefehlt. Im Kellerduell war richtig was los, Köln traf schon nach drei Minuten die Latte. Danach ging für die Rheinländerinnen so ungefähr alles schief, was schiefgehen kann. Elfmeter verursacht, Tor kassiert, Verletzungen, die Stürmerin Wiankowska musste in der Verteidigung aushelfen, noch ein Gegentor und dann noch ein Eigentor. In der 55. Minute lag Köln zuhause mit 0:3 hinten, alles sah nach einem gebrauchten Tag aus.
Aber dann die späte Remontada: Drei Tore zwischen der 80. und 90. Minute stellten den Spielverlauf auf den Kopf, plötzlich lief es wie am Schnürchen für Köln und die Gegnerinnen fielen auseinander. Doch das letzte Wort hatte Nürnberg: Prompt nach dem Ausgleich fiel die erneute Führung, die Kölner Abwehr präsentierte sich erneut löchrig wie ein Schweizer Käse. In der allertiefsten Nachspielzeit verhinderte Nürnbergs Torhüterin Paulick noch heroisch das 4:4.
Ein Fußball- und Abstiegsdrama, wie es im Buche steht. Für Nürnberg ging es am Ende trotzdem runter in Liga zwei, das 4:3 gegen Köln zeigt aber perfekt, warum viele Fans den Klub aus Franken gerne noch weiter in der Bundesliga gesehen hätten.
VfL Wolfsburg 0:4 Bayern München (17. Spieltag 2023/24, 23. März)
Mitte März waren es schwere Tage für die Fans des VfL Wolfsburg. Im Februar erst hatte die Identifikationsfigur schlechthin der Wölfinnen, Lena Oberdorf, ihren Weggang verkündet. Ausgerechnet nach München würde sie im Sommer wechseln, ausgerechnet zum großen Rivalen. Es war eine Nachricht, die große Debatten und natürlich auch die ein oder andere vorschnelle Überreaktion auslöste.
Ist Wolfsburg jetzt erledigt, war's das? Um diese Frage kreisten die meisten Diskussionen, und das Topspiel, das nur wenige Wochen später stattfand, sollte darauf die eindeutige Antwort geben. Und die gab es: Mit 4:0 gewann Bayern gegen den VfL. Ein Sieg, der die neue Vormachtstellung zementierte. Bayern würde die Meisterschaft nun schwer noch zu nehmen sein, so viel stand nach Abpfiff fest.
Vor 24.437 Zuschauern in der eigenen Arena musste sich Wolfsburg klar geschlagen geben, die ultimative Demütigung. In der ersten Halbzeit war es ein ausgeglichenes Spiel, dann zeigte sich Bayern im Durchgang zwei zielstrebiger und vor allem effizienter. Aus jeder Großchance machten die Gäste ein Tor.
Aber das 4:0 war doch nicht so eindeutig zu deuten, wie es auf den ersten Blick erschien: Wolfsburg hatte sogar mehr vom Spiel, aber kreierte keine glasklaren Chancen. Dennoch markierte die Niederlage einen klaren Tiefpunkt der Stimmung in Wolfsburg, Bayern feierte sich zurecht.
In 90 Minuten kristallisierten sich alle Diskussionen der letzten Jahre, wem die Zukunft im deutschen Frauenfußball gehöre. Langfristig scheint Bayern die Nase vorne zu haben - aber schon bald lernten sie erneut, dass mit Wolfsburg immer zu rechnen ist, denn der VfL rächte sich mit Siegen im Pokalfinale und in der Hinrunde der nächsten Saison.
Turbine Potsdam 0:6 Eintracht Frankfurt (3. Spieltag 2024/25, 22. September)
Frankfurt gegen Potsdam, das war einmal, vor nicht allzu langer Zeit, die große Rivalität in der Frauen-Bundesliga. In den 2010er-Jahren waren es die beiden dominanten Vereine, damals noch beides reine Frauenvereine: Frankfurt war damals noch der FFC statt die Eintracht, mit sieben Titeln in der Liga bis heute der erfolgreichste Klub der Geschichte. Zwischen den beiden Vereinen gab es legendäre Duelle, dann nahmen beide sehr verschiedene Abzweigungen.
Der FFC am Main entschied sich unter finanziellem Druck für eine Fusion mit der Eintracht, der 1. FFC an der Havel blieb bestehen. Es folgte ein steter Aufstieg für Frankfurt, die sich vom Mittelfeld in die Spitze arbeiteten, und ein steter Abstieg für Potsdam, die, begleitet von zahlreichen unangenehmen Nebengeräuschungen und Beschwerden über die Kultur im Klub, den Gang in die zweite Liga antraten.
Potsdam schaffte gegen alle Erwartungen nochmal den Aufstieg, ein deutliches Lebenszeichen. Aber es wird nie mehr, wie es mal war - das zeigte am deutlichsten das Spiel gegen Frankfurt, inzwischen weit enteilt. Die Eintracht schlug Potsdam auswärts mit 6:0, nach einer etwas zäheren ersten Halbzeit mit 1:0-Führung wurde es gegen Ende sehr deutlich.
Potsdam zeigte sich in den Zweikämpfen und bei der individuellen Qualität erneut kaum bundesligatauglich. Weil es nur einen Absteiger diese Saison gibt und auch Köln und Jena sich nicht mit Ruhm bekleckern, besteht aber trotz allem noch Hoffnung für Potsdam,
Bayern München 2:2 SC Freiburg (9. Spieltag 2024/25, 8. November)
Der FC Bayern München ging als glasklarer Favorit in die Bundesliga-Saison 2024/25. Keine nennenswerten Verluste in der Sommerpause, eine starke letzte Saison, alles sprach für den FCB. Aber während es in der Champions League glänzend lief, konnte Bayern in der Bundesliga die Dominanz der letzten Saison nicht reproduzieren.
Nur acht Gegentore hatten die Münchnerinnen letzte Saison in der Liga gemessen, ein Fabelwert, an dem sie nun gemessen wurden - vielleicht zu Unrecht. Als die Elf von Alexander Straus die Reise gen Westen in den Breisgau antrat, hatte sie jedenfalls in acht Spielen schon acht Tore kassiert und die Rivalen Wolfsburg und Frankfurt nicht bezwingen können. Mit Freiburg wartete eine Wundertüte: Bayern musste sich bereits in der Saison zuvor auswärts mit einem 2:2 zufriedengeben, zuhause aber feierten sie ein ungefährdetes 4:0.
In der Novemberkälte war Bayern zunächst auf dem richtigen Weg, bestimmte das Spiel. Dann aber kamen sie vom Weg ab wie ein Autofahrer auf der eisigen Straße. Bayern entglitt das Spiel, kassierte ein Tor, dann ein zweites, fast aus dem Nichts. Es folgte ein Moment, bei dem Statistiken nicht mehr weiterhelfen, der Moment des Entgleitens, in dem den Spielerinnen die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben stand.
Wenn Bayern zuvor vom Weg abgekommen war, befanden sie sich nun für wenige Minuten im freien Fall, das 3:0 lag schon in der Luft. Dann aber fing sich Bayern, hatte einige Chancen noch vor der Halbzeit. Im zweiten Durchgang folgte schnell der Anschlusstreffer, dann ein mühsames Drücken und Drängen, das erst in der Nachspielzeit mit dem 2:2 belohnt wurde.
Bayern hatte Chancen für vier Tore, hatte spät einen Punkt gerettet und konnte doch nicht zufrieden sein. Trainer Straus machte es nach dem 2:2 klar, dass Veränderungen nötig seien . Im Rückblick könnte dieses Spiel noch als ein Wendepunkt der Bayern-Saison gesehen werden, zwei Wochen später zeigte sich Bayern am gleichen Ort im DFB-Pokal deutlich verbessert.