Erster Sieg in Italien seit fast 40 Jahren: 5 Erkenntnisse zum 2:1
Von Hendrik Gag

Der Auftakt in das Nations-League-Viertelfinale ist dem DFB-Team geglückt. Mit 2:1 besiegte die Auswahl von Julian Nagelsmann die Squadra Azzurra in Mailand - der erste deutsche Sieg in Italien seit fast 40 Jahren. Auffällig waren dabei vor allem diese fünf Punkte.
1. Nagelsmanns Umstellung bringt den Sieg
Bereits in der ersten Halbzeit hatte die DFB-Elf mehr Spielanteile, konnte jedoch dem italienischen Tor nur selten gefährlich werden. Das änderte sich in Hälfte zwei.
Bundestrainer Julian Nagelsmann wechselte zweimal in der Pause. Tim Kleindienst und Nico Schlotterbeck kamen für Jonathan Burkardt und David Raum ins Spiel. Die Wechsel erlaubten es Leon Goretzka, sich mehr in die Offensive einzuschalten. "Wir wollten Leon weiter vorne haben", erklärte Nagelsmann nach der Partie am ARD-Mikro. In der ersten Hälfte hatte sich der Bayern-Profi noch tief fallen lassen, um sich so am Dreier-Spielaufbau zu beteiligen. Die Rolle übernahm nun Schlotterbeck.
Der Schachzug ging voll auf, durch Goretzkas Präsenz im Strafraum konnte die deutsche Mannschaft immer wieder Torgefahr erzeugen. Beim 1:1 band Goretzka durch seinen Lauf in den Strafraum einen italienischen Verteidiger, sodass Tim Kleindienst frei stand und einköpfen konnte. Kurze Zeit später hatte der Comebacker im DFB-Dress selbst eine große Möglichkeit per Kopfball. "Wir hatten in der ersten Hälfte nicht das Personal, um die Box zu besetzen. Mit Tim und Leon haben wir größere Spieler reingebracht. Ich habe Tim und Leon schon das eine und andere Mal gesucht", lobte Kapitän Joshua Kimmich den veränderten Plan im zweiten Durchgang.
Auch der Treffer zum 2:1 passt ins Bild: Nach einer Ecke von Kimmich drückte Goretzka den Ball per Kopf zum späteren Endstand über die Linie.
2. Kimmich ist der deutsche Schlüsselspieler
Beim FC Bayern zeigt sich Joshua Kimmich in dieser Saison als zentraler Mittelfeldspieler in herausragender Form, bei der DFB-Elf muss er dennoch nach wie vor als Rechtsverteidiger ran. Seiner Leistung tat die Umstellung jedoch überhaupt keinen Abbruch, im Gegenteil.
Kimmich zeigte sich gegen Italien hervorragend aufgelegt. An fast jeder gefährlichen deutschen Aktion war der Kapitän beteiligt, so auch bei beiden Toren, die Kimmich jeweils per Flanke vorlegte. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es einen Spieler gibt, der eine bessere Flanke hat als Jo Kimmich", schwärmte der Bundestrainer nach der Partie gegenüber der ARD.
Kimmich fand Bayern-Kollege Leon Goretzka im Laufe der Partie noch zwei weitere Male mit sehr schönen Hereingaben, der spätere Siegtorschütze setzte seine Abschlüsse jedoch drüber bzw. knapp vorbei. Gut und gerne hätte Kimmich sogar noch mehr Vorlagen sammeln können.
Wie das deutsche Mittelfeld nach dem Rücktritt von Toni Kroos in Zukunft besetzt sein wird, bleibt auch rund neun Monate später offen. Unabhängig davon, wer zukünftig die Doppelsechs bilden wird, ist jedoch klar: Der deutsche Spielermacher heißt Joshua Kimmich, ob weiter von der Rechtsverteidigerposition aus oder früher oder später doch wieder aus dem Mittelfeldzentrum. Zunächst wird sich der Bundestrainer jedoch angesichts solcher Leistungen kaum gezwungen sehen, etwas zu ändern. Zumal sich derzeit keine Alternative für rechts hinten aufdrängt.
3. Goretzka drängt auf den WM-Stammplatz
Von der unklaren Hierarchie im DFB-Mittelfeld könnte hingegen Leon Goretzka profitieren, bei seinem Comeback im DFB-Dress nach rund 16 Monaten stand der 30-Jährige sofort in der Startelf. Goretzka profitierte dabei - wie schon im Verein - von dem Ausfall von Aleksandar Pavlovic und davon, dass Angelo Stiller und Robert Andrich sich im Verein zuletzt nicht empfehlen konnten.
Stiller macht mit dem VfB Stuttgart eine schwierige Phase durch, die Mannschaft von Sebastian Hoeneß hat seit dem 8. Februar nicht mehr gewonnen. Andrich war hingegen in Leverkusen zuletzt nur Ergänzungsspieler. "Rob spielt aktuell zu wenig", zählte der Bundestrainer den 30-Jährigen zuletzt sogar öffentlich an.
In die Lücke stoß Goretzka mit Bravour vor. Der Siegtreffer war die Kirsche auf der Sahnetorte einer ohnehin starken Vorstellung. Mit einer solchen Leistung und angesichts der schwächelnden Konkurrenz ist es schwer vorstellbar, dass der Bayern-Profi seinen Platz in der ersten Elf zeitnah wieder verliert.
4. Oliver Baumann ist der Nummer eins würdig
Vor den Duellen gegen Italien legte sich der Bundestrainer fest, dass es nicht wie in den Länderspielpausen im Oktober und November ein Jobsharing im deutschen Tor geben soll. Nagelsmanns Wahl zwischen den Pfosten fiel auf Oliver Baumann, der Hoffenheimer erhielt den Vorzug vor dem Stuttgarter Alexander Nübel.
In Mailand zeigte der 34-Jährige eine sehr gute Leistung, mit mehreren starken Paraden hatte der Keeper einen entscheidenden Anteil am Sieg. Zwar ist dennoch klar, dass Baumann zurück auf die Bank rücken wird, sobald Marc-André ter Stegen wieder fit ist.
Sollte der Barça-Keeper nach seiner Rückkehr von der schwerwiegenden Patellasehnenverletzung aber Schwierigkeiten haben, seine alte Form wieder zu erreichen oder vor der WM erneut Verletzungsprobleme haben, hat Baumann nun eindrücklich gezeigt: Deutschland wäre im Tor dennoch gut aufgestellt.
5. Das Team entwickelt die erhoffte Siegermentalität
Dass die Nations League in Deutschland kein großes Ansehen genießt, weiß auch der Bundestrainer. Nagelsmann wird dennoch nicht müde zu betonen, wie wichtig der Wettbewerb für ihn ist. In Pflichtspielen gegen starke Gegner soll sich sein Team die Siegermentalität aneignen, die es für das große Ziel - den WM-Triumph 2026 - brauchen wird.
Folgerichtig erklärte Nagelsmann nach der Partie am ARD-Mikro, dass er mit seiner Auswahl besprochen hatte, im Viertelfinale nicht taktieren zu wollen und sich mit einem Unentschieden in Italien möglicherweise eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel zu schaffen. Stattdessen wolle die Mannschaft in Hin- und Rückspiel voll auf Sieg spielen.
Diese Einstellung setzte seine Mannschaft auf beeindruckende Art und Weise um. Die Körpersprache der Spieler strahlte besonders in der zweiten Hälfte den geforderten Siegeswillen aus. Ein Bild, das man von der DFB-Elf in der Zeit zwischen den Turnieren lange nicht kannte. Nagelsmanns Team scheint auf dem besten Weg zu sein, sich diese wichtige Ressource mit Blick auf die WM anzueignen.
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