Ist der BVB-Kader zu klein?

Bereits früh in der Saison geht der BVB personell auf dem Zahnfleisch. Ist der Dortmunder Kader nicht breit genug aufgestellt? Eine Analyse.
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund / Ralf Ibing - firo sportphoto/GettyImages
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Der ein oder andere BVB-Fan dürfte beim Anblick der Mannschaftsaufstellung beim DFB-Pokalspiel in Wolfsburg nicht schlecht gestaunt haben. Die beiden Sechser Emre Can und Pascal Groß als Innen- bzw. Rechtsverteidiger? Was einen zunächst stutzig machte, war an diesem Abend die einzig logische Wahl für Trainer Nuri Sahin.

Durch zahlreiche Verletzungen blieben dem 36-Jährigen mit Ramy Bensebaini und Nico Schlotterbeck nur zwei etatmäßige Verteidiger, Can und Groß hatten die Positionen in der Vergangenheit wenigstens schon einmal gespielt und füllten die Viererkette auf.

Zum Wochenende hoffen die Dortmunder zwar auf die Rückkehr von Waldemar Anton, viele Optionen wird Sahin für das Spiel gegen RB Leipzig dennoch nicht haben: In Wolfsburg saßen neben dem ebenfalls angeschlagenen Marcel Sabitzer und Ersatztorwart Alexander Meyer nur Spieler aus der zweiten Mannschaft und der U19 auf der Bank.

Und so stellt sich zwangsläufig die Frage: Hat der BVB im Sommer seinen Kader zu dünn aufgestellt, um die eigenen Erwartungen erreichen zu können?

Die Positionen im Überblick

Drei Torhüter

Gregor Kobel, Alexander Meyer, Marcel Lotka

Gregor Kobel gehört als langjähriger Stammkeeper und Mannschaftsrat-Mitglied zu den Säulen der Dortmunder Mannschaft. In der Vergangenheit fiel Kobel hin und wieder mal aus und wurde von Alexander Meyer mehr als solide vertreten. Falls alle Dämme brechen, stünde Sahin immer noch Marcel Lotka zur Verfügung, der derzeit der Stammkeeper der zweiten Mannschaft ist und 2021/22 bereits zehn Bundesliga-Spiele für Hertha BSC bestritt.

Sieben Verteidiger

Waldemar Anton, Ramy Bensebaini, Almugera Kabar, Julian Ryerson, Nico Schlotterbeck, Niklas Süle, Yan Couto

Die derzeitige Problemstelle im Dortmunder Kader: In Wolfsburg standen Waldemar Anton, Julian Ryerson, Niklas Süle und Yan Couto nicht zur Verfügung. Mit Youngster Kabar, der bei seinem Bundesliga-Debüt in Augsburg sofort Gelb-Rot sah, blieben Sahin nur drei Verteidiger.

Dass die Personaldecke in der Defensive so dünn ist, liegt auch daran, dass Sahin zu Saisonbeginn noch auf eine Dreierkette setzte. Die linke Schienenposition besetzte dabei meist einer der Offensivspieler - an den ersten beiden Bundesliga-Spieltagen waren es Donyell Malen und Jamie Gittens. Und so verzichtete der BVB darauf, einen weiteren Linksverteidiger zu verpflichten.

Mit gerade einmal sechs Spielern, denen regelmäßige Bundesliga-Minuten zuzutrauen sind, ist der Kader nicht breit genug. Idealerweise ist jede Position doppelt besetzt, so wäre es auch bei der derzeitigen Verletztenmisere möglich gewesen, eine vollständige Viererkette aus gelernten Verteidigern aufzustellen.

Sieben Mittelfeldspieler

Julian Brandt, Emre Can, Pascal Groß, Felix Nmecha, Giovanni Reyna, Marcel Sabitzer, Kjell Wätjen

Im zentralen Mittelfeld muss Sahin drei Positionen besetzen, für die sich fünf Stammkräfte anbieten: Brandt, Can, Groß, Nmecha, Sabitzer. Zudem bietet sich die Möglichkeit, Maximillian Beier oder Karim Adeyemi als hängende Spitze agieren zu lassen.

Ausreichend besetzt ist der Kader im Mittelfeld also, jedoch ergänzen sich die Spieler mit ihren Stärken und Schwächen nicht. Im Sommer verpflichtete der BVB Pascal Groß, den deutschen Nationalspieler ablösefrei zu bekommen, erschien zunächst wie ein Coup. Schnell etablierte sich Groß als Mittelfeldregisseur der Schwarz-Gelben.

Jedoch bringt der 33-Jährige auch eine große Schwäche mit sich: sein Tempo, was ihn gegen den Ball anfällig macht. Um diese Schwäche auszugleichen, muss neben Groß immer ein defensiv starker Sechser aufgestellt werden - meist muss Emre Can ran, obwohl der Kapitän mit seiner Form und den Anforderungen, die Sahin an seine Spieler im Ballbesitz stellt, zu kämpfen hat. Der in der vergangenen Saison formstarke Marcel Sabitzer musste hingegen von der Doppelsechs weichen, sehr zum Frust des Österreichers.

Sechs Stürmer

Karim Adeyemi, Maximilian Beier, Julien Duranville, Jamie Gittens, Serhou Guirassy, Donyell Malen

Sechs Spieler für drei offensive Positionen - zwei Flügelpositionen und ein Mittelstürmer - klingt erst einmal optimal. Neben Serhou Guirassy hat der BVB jedoch keinen echten Neuner. Als der Guineer zu Saisonbeginn ausfiel, konnte er nicht adäquat ersetzt werden. Neuzugang Maximilian Beier - der in der vergangenen Saison als hängende Spitze 16 Tore für die TSG Hoffenheim erzielt hatte - fremdelte mit der Position des alleinigen Stürmers, ebenso wie Karim Adeyemi.

"Eine Rotation mit Qualitätsverlust ist nicht so cool", erklärte Nuri Sahin nach der ersten englischen Woche der Saison. Nur so scheint es jedoch aktuell möglich, Guirassy mal eine Pause zu verschaffen.

Und generell stellt sich die Frage, was Dortmunds Plan mit Beier ist. Rund 30 Millionen Euro zahlte der BVB im Sommer, um sich den deutschen EM-Fahrer zu sichern. Seine ideale Position - zentral hinter einer Spitze - ist von Julian Brandt fest belegt, was jedoch schon im Sommer abzusehen war. Für den Flügel und das Sturmzentrum ist Beier keine ernsthafte Alternative, das haben die ersten Saisonwochen gezeigt.


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