Kane-Motor stockt in Top-Spielen: Hat Hamann mit seiner Kritik doch Recht?
Von Dominik Hager
Harry Kane hat in 54 Pflichtspielen für den FC Bayern bis jetzt 54 Tore und 18 Assists erzielen können. Angesichts dieser überragenden Scorer-Werte verbietet es sich eigentlich fast schon, den Engländer in Frage zu stellen. Trotzdem muss sich Kane angesichts seiner derzeitigen kleinen Torflaute Kritik gefallen lassen. Diese wurde zuletzt insbesondere vom Chefkritiker persönlich, Sky-Experte Didi Hamann, kundgetan.
Dem früheren Mittelfeld-Profi zufolge ist Kane "den Beweis schuldig geblieben, 100 Millionen Euro wert zu sein". Er sei schließlich nicht verpflichtet worden, "um gegen Darmstadt einen Hattrick zu erzielen, sondern um gegen Leverkusen und Aston Villa ein Tor zu machen und im Viertelfinale der Champions League zu treffen. Das hat er bislang nicht getan." Demnach bleibe Hamann " beim Stürmerstar weiter skeptisch".
Zwar watschte Max Eberl den Experten jüngst kräftig ab und sprach im Zusammenhang mit Hamann über einen Tinnitus, der alle drei Tage hoch komme, jedoch mehren sich nach den letzten drei Spielen die Zweifler an Kane. Doch hat Hamann mit seiner Kritik nun Recht oder nicht?
Kane erschreckend harmlos gegen Leverkusen, Aston Villa und Frankfurt
Klar ist, dass Harry Kane absolut enttäuschende Auftritte gegen Leverkusen und Aston Villa und ein sehr mäßiges Spiel gegen Frankfurt gezeigt hat. Der Mittelstürmer verzeichnete gegen die Werkself keinen einzigen Abschluss und wurde gegen die Villans und die Eintracht ebenfalls nicht gefährlich. Zudem ließ er zwei exzellente Freistoß-Positionen mit schwachen Schüssen ungenutzt. Zwar gab Kane immerhin gegen Frankfurt einen Assist und konnte auch in den beiden anderen Matches die ein oder andere Chance mit seinen Spielmacher-Skills einleiten, jedoch blieb das Gesamtbild dürftig.
Kane-Supporter nahmen den Stürmer in Schutz, da er als Stürmer gegen die tief stehenden Abwehrreihen wenig ausrichten könne und kaum Zuspiele erhalte, allerdings greift auch das zu kurz. Als Bayern-Angreifer muss man in 90 Prozent der Spiele gegen tief stehende Abwehrreihen ran - und hat sich damit zu arrangieren. Dies kann für Kane also nicht als Ausrede gelten. Zwar mag es stimmen, dass Kane nicht gerade viele Zuspiele bekommen hat und er gegen Aston Villa einmal sträflich von Serge Gnabry übersehen worden ist, jedoch gehören auch hier normalerweise immer zwei Parteien dazu. Kane muss sich eben auch in den gefährlichen Räumen anbieten, um Zuspiele in Tornähe zu erzwingen. Problematisch ist hierbei das fehlende Tempo des Angreifers. Bedenklich war zudem, wie er bei Flanken und Ecken wiederholte Male gar nicht erst in die Kopfballduelle ging. Auch mit dem Ball am Fuß benötigte der Routinier oft zu viel Zeit und konnte sich nie entscheidend durchsetzen.
Kane war in den letzten drei Spielen für das gegnerische Tor so gefährlich wie ein Hauskätzchen für den wilden Tiger. Dies ist für einen 100-Millionen-Euro schlichtweg viel zu wenig. Berücksichtigt man also nur die letzten drei Partien, ist die Hamann-Kritik absolut gerechtfertigt. Kane hat wahrlich in dieser Spielzeit genau das Klischee erfüllt, dass er zwar gegen die vermeintlich schwächeren Gegner trifft, aber nicht, wenn die Partien gegen andere ambitionierte Klubs auf Messers Schneide stehen.
10 Tore gegen die Bundesliga-Elite: Hamann-Statement mit eklatanten Lücken
Zu berücksichtigen ist allerdings auch, dass das sinngemäße Ursprungs-Statement "Kane trifft nur gegen kleinere Klubs, aber nicht in den Top-Spielen" bezogen auf Kanes gesamte Bayern-Zeit nicht wirklich zutreffend ist. Zwar waren einige der 54 Tore von Kane gegen schwächere Teams und 13 davon Elfmeter-Tore, jedoch hat es der Engländer in der vergangenen Saison zumindest national auch gegen die Top-Teams krachen lassen. Der 31-Jährige erzielte jeweils drei Tore gegen den VfB Stuttgart, den BVB und Leipzig, wovon nur ein Treffer per Elfmeter erfolgte. Gegen Meister Leverkusen reichte es für ein Tor. Folgerichtig kommt er auf zehn Tore in acht Spielen gegen die besten Teams der Bundesliga, was eine bärenstarke Bilanz ist.
In der Champions League traf Kane gegen Manchester United und insgesamt dreimal bei den beiden knappen Partien gegen Galatasaray Istanbul. Beim Achtelfinal-Rückspiel gegen Lazio Rom erzielte er nach der Niederlage im Rückspiel zwei Tore beim 3:0-Erfolg im Rückspiel. Unter dem Strich war Kane mit seinen Buden also der Hauptverantwortliche dafür, dass die Bayern überhaupt ins CL-Viertelfinale einziehen konnten.
Bei den Viertel- und Halbfinalpartien gegen den FC Arsenal und Real Madrid fehlte es Kane aus dem Spiel heraus tatsächlich an der Gefährlichkeit, jedoch konnte er gegen beide Gegner je einmal vom Punkt verwandeln. Demnach ist die These von Hamann, Kane habe noch nicht in einem CL-Viertelfinale getroffen, auch nicht ganz richtig. Natürlich sind Elfmeter-Treffer nicht gleichzusetzen mit Toren aus dem Spiel heraus, jedoch müssen die Schüsse vom Punkt gerade in solchen Drucksituationen erstmal sitzen. Kane ist mit einer Bilanz von 13/13 im Bayern-Trikot absolut eiskalt.
Kane-Kritik nach Vorsaison unberechtigt: Zweifel jedoch in Summe legitim
Angesichts der Tatsache, dass Kane dem FC Bayern auch außerhalb des Strafraums mit seinen Pässen und Ideen hilft, kam die Kritik an seiner Person in der Vorsaison viel zu früh. Selbst wenn Kane 100 Millionen Euro gekostet hat, hat er die enorme Summe durch seine Leistungen fürs Erste gerechtfertigt. Wenn man jetzt aber die vier großen Champions-League-Partien und die jüngsten drei Auftritte aufsummiert, ist es schon auch erlaubt, Kane mal zu hinterfragen. Immerhin ist er eben der Rekord-Transfer der Bayern und folgerichtig auch mit anderen Maßstäben zu messen als andere Akteure.
Sorgen bereitet insbesondere, dass Kane zuletzt häufiger mit körperlichen Problemen zu kämpfen hatte. Diese machen sich bei ihm auf dem Feld oft gehörig bemerkbar. Zwar hat ein Stürmer mit dem Spielstil von Kane eigentlich noch einige gute Jahre im Tank, jedoch muss er eben auch fit sein. Beim FC Bayern sollte es demnach die Überlegung geben, Kane häufiger mal zu schonen. Derzeit besteht die Problematik, dass Mathys Tel im Formtief ist und kein weiterer Neuner zur Verfügung steht. Möchte man die Kane-Performance maximieren, wären aber Pausen absolut ratsam. Dies würde die Chancen steigern, dass der Engländer dann auch im März, April und Mai in Top-Form aufläuft und alle kritischen Stimmen verstummen lassen kann. Ein wirkliches Urteil über Kane im Bayern-Trikot lässt sich ohnehin erst fällen, wenn er mehrere Jahre Bundesliga und Champions League hinter sich hat.
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