Frauenfußball: Ab wann könnte die Sportart profitabel sein?
Von Helene Altgelt
Eine Runde Geschäftsleute sitzt um einen Tisch, in Anzügen und weißen Hemden, verglaste Fenster um sie herum. Sie betrachten auf einem Computer einige Graphen zum neuesten Spekulationsobjekt, wägen die nächste Entscheidung ab. Diskutiert wird die Frage: Wann wird der Frauenfußball wohl profitabel?
Klingt zunächst nach einem absurden Szenario. Tatsächlich aber hat der Frauenfußball seinen Erfolg in den letzten Jahren auch einer sehr erfolgreichen Erzählung zu verdanken: Der Erzählung, dass die Sportart zwar heute noch nicht profitabel ist – wegen historischer Hürden, jahrelangen Finanzierungsproblemen und auch Stereotypen in der Gesellschaft -, aber dass das Geld bald in Strömen fließen werde.
Frauenfußball wird in dieser Erzählung als ein Start-up gesehen, das noch einen kleinen Anschub von Investoren braucht, um dann auf eigenen Füßen zu stehen. Die Argumente sind überzeugend: Frauenfußball ist vor allem bei jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauern beliebt, und auch bei Frauen. Eine moderne Sportart mit Zukunft also.
Setzt sich das starke Wachstum fort?
Das Wachstum in den letzten Jahren, ob bei Zuschauerzahlen oder medialer Aufmerksamkeit, war fast schon exponentiell. Kaum verwunderlich also, dass viele an das Potenzial glauben, ob Investoren, Sponsoren oder TV-Sender: Der aktuelle Deal für die Medienrechte der amerikanischen Liga NWSL bringt der Liga ca. 56 Millionen Euro pro Jahr ein (abzüglich Produktionskosten), die englische Women’s Super League hat sich vom Verband, der FA, getrennt, und dafür viele Sponsoren gefunden.
Die Hoffnung folgt der klassischen Investoren-Logik: sich früh einen Teil des Kuchens sichern, während er noch klein ist, und später einen Lohn dafür bekommen, dass man so früh an das Projekt geglaubt hat. Dass der Frauenfußball eines Tages profitabel sein wird, das wird dabei als gegeben angenommen.
Die Frage ist nur: wann? Ob es sich um fünf, zehn oder fünfzig Jahre handelt, wird erstaunlich wenig diskutiert. Profitabel, das würde hier bedeuten, dass die Ligen ohne Querfinanzierung von den Männerklubs oder Verbänden auskommen, und sich selbst durch Sponsoren und Mediendeals finanziert.
USA: Investitionen auf einem neuen Level
In den USA sind die Hoffnungen in große Gewinne in den nächsten Jahren besonders ausgeprägt: als "new darling of ambitious investors" wurde die Liga schon bezeichnet, und tatsächlich nehmen die vierzehn Teams bereits deutlich mehr ein als in den europäischen Ligen. Etwa 15,4 Millionen Dollar nahm jedes Team in der Saison 2024 durchschnittlich ein. Aber auch die Ausgaben sind hoch.
Bisher passen die Einnahmen kaum zum Wert der Klubs: Angel City wurde 2024 für 250 Millionen Dollar verkauft, ein neuer Rekord. Auch andere Klubs wechselten für mehr als 50 Millionen Dollar die Besitzer. Längst hat sich die Rhetorik von Sponsoren und Investoren von einem moralisierenden "It’s the right thing to do" zu einem "It’s the smart thing to do" gewandelt. Wann dann tatsächlich die große Cash-Time ist, das bleibt schwer vorherzusehen.
Die NWSL zumindest rechnet damit, nach dem Ende des aktuellen Mediendeals 2027 noch mehr Geld im nächsten Vertrag einnehmen zu kommen. Die Medienrechte werden neben Sponsoren der wichtigste Teil der Wette auf Profitabilität sein.
Aber was, wenn es nur eine Blase ist? Die amerikanischen Klubs sind ein Vielfaches mehr wert, als die Einnahmen es aktuell rechtfertigen würden. Wenn die Zuschauerzahlen und vor allem TV-Zahlen in den nächsten Jahren nicht weiter stark steigen, würde das eine handfeste Krise bedeuten. Die Liga hat sich mit ihren offensiven Ansagen einiges an Druck geschaffen. Wenn die Rechnung aufgeht, wird sich das auszahlen.
Sollten die Zahlen hinter den Erwartungen zurückbleiben und der nächste Deal keinen Fortschritt bedeutet - etwa, weil viele TV-Sender sparen müssen, könnte schnell Skepsis dazukommen. Das Versprechen der Profitabilität ist so gesehen eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Wenn viele Unternehmen investieren, wirkt der Sport wie eine gute Anlagemöglichkeit. Denn wenn schon so viele andere investiert haben, wirkt es zwangsläufig wie ein rationales Investment. Falls einige sich zurückziehen, könnte es aber auch eine Spirale in die andere Richtung geben. Das Geschäft mit der Profitabilität ist also ein wackliges.
Deutschland: Profitabel in 15 Jahren?
In Deutschland wird es aller Voraussicht nach länger als in den USA dauern, bis der Frauenfußball profitabel ist: erstens ist der Glaube an die Investition aktuell noch längst nicht so stark wie auf der anderen Seite des Teichs, zweitens haben die deutschen Klubs in den meisten Fällen eine Männerabteilung und damit nicht die wirtschaftliche Notwendigkeit, sofort profitabel zu werden.
Dennoch: auch in Deutschland könnte die Zeit der Profitabilität nicht mehr so weit weg sein. Der DFB kündigte schließlich schon an, mit Investoren verhandeln zu wollen. Der Deal: eine kräftige Finanzspritze jetzt vom Investor, die dann in mehreren Jahren mit Zinsen zurückgezahlt wird. Für viele Fans wäre das – wie auch die ähnliche Idee für die Männer-Bundesliga – ein rotes Tuch, aber solch ein Investoren-Deal würde genau zur Logik der Profitabilität passen.
Dass die Liga wachsen wird, scheint klar – die Frage ist nur, wie sehr. Gelingt es der Frauen-Bundesliga nicht, sich bald als moderne und aufregende Liga zu inszenieren, wird es bis zur Profitabilität noch dauern. Mit zwei Millionen querfinanzieren die Männer-Abteilungen das Geschäft in der Frauen-Bundesliga pro Saison aktuell durchschnittlich.
Zunächst einmal wird dieser Betrag wohl noch weiter steigen, bevor es in Richtung Profitabilität geht. Denn die vielen Maßnahmen, die sich übermorgen auszahlen sollen, kosten morgen erst einmal Geld. Die Erweiterung der Liga auf 14 Teams beispielsweise bedeutet langfristig wohl mehr Spannung und mehr Spiele mit potenziellen Einnahmen, aber kurzfristig müssen so mehr Vereine an den Medienrechten beteiligt werden.
Die Spitze der Professionalisierung könnte daher etwa in fünf Jahren erreicht werden: Bis dahin würden die Einnahmen steigen, aber auch die Ausgaben. Ab diesem Punkt sollten dann die Ausgaben sinken. Eine Profitabilität wäre somit realistisch gesehen frühestens in zehn Jahren denkbar, vielleicht auch in fünfzehn. Geduld ist für die Investoren mit ihren Graphen und Anzügen also angesagt.
Was bedeutet die Suche nach mehr Einnahmen für den Frauenfußball?
Gleichzeitig muss sich die Liga jetzt schon fragen, was die Implikationen der Suche nach Profitabilität sind. Auf kurzer Sicht würden vermutlich, dieser Logik nach, die Interessen von kleineren Klubs denen der größeren untergeordnet. Und der sportliche Wert wohl dem der Unterhaltung. Vorbild einer Suche nach Profitabilität wären schließlich amerikanische Ligen wie die NFL oder NBA, die Geld in Strömen generieren.
Wenn einmal die berühmt-berüchtigte Schwarze Null erreicht wäre, wäre das Streben nach mehr Einnahmen kaum beendet. Der DFB und der Frauenfußball stehen damit aktuell vor einschneidenden Entscheidungen: Die Profitabilität ist, auf kurze oder lange Sicht, nicht diskutabel, da nicht für immer querfinanziert werden kann. Schon heute funktioniert das Modell eben nur mit der Hoffnung auf baldige Einnahmen.
Trotzdem müssen sich die Ligen überlegen, bis zu welchem Punkt sie die zukünftige Entwicklung auf die Interessen von Sponsoren und Investoren ausrichten – und welche Rolle Fans und kleinere Klubs in alldem spielen.