Ein verlorenes Jahr - Das Leih-Desaster des FC Bayern München im Überblick
Von Oliver Helbig

Die Transferpolitik des FC Bayern München steht derzeit in der Kritik wie schon lange nicht mehr. Zu viel Geld wurde für Spieler ausgegeben, die in München nicht nur nicht überzeugen konnten, sondern eigentlich gar keine Chance hatten, sich zu beweisen. So zum Beispiel Bryan Zaragoza, der inklusive Leihgebühr insgesamt 17 Millionen Euro kostete und gerade einmal 170 Spielminuten auf dem Bayern-Konto hat. Es folgte im vergangenen Sommer eine Leihe in die spanische Heimat zum La-Liga-Klub CA Osasuna. Mit letztlich mäßigem Erfolg, und leider trifft dieses Urteil auf so manche Leihgabe des FC Bayern zu.
Betrachtet man den Kern und Hintergrund von Leihgeschäften, so geht es häufig darum, dass sich hoffnungsvolle Spieler beim aufnehmenden Verein durch mehr Spielpraxis an das Niveau des abgebenden Vereins herantasten und im besten Fall besser zurückkehren, um in der nächsten Saison eine Rolle im Kader zu spielen oder ihren Marktwert so zu steigern, dass ein möglicher Verkauf nach Ablauf der Leihe zumindest auf der Habenseite des Kontos zu Buche schlägt. Diese Ziele hat der FC Bayern gleich bei mehreren Ausleihen deutlich verfehlt.
Nur ein Spieler konnte auf ganzer Linie überzeugen, doch um welche Münchner Leihgabe es sich dabei handelt, dürfte durchaus überraschen!
1. Mathys Tel
Bei seiner Leihe zu Tottenham Hotspur wollte das französische Supertalent wohl so manchem beim FC Bayern beweisen, dass es ein Fehler war, nicht auf ihn zu setzen. Doch mit 761 Einsatzminuten in seinen ersten 13 Pflichtspielen für die Spurs bleiben kurz vor Ende der Saison gut 59 Minuten pro Spiel und nur vier Torbeteiligungen für den Stürmer stehen. Das ist zwar deutlich besser als bei vielen anderen Leihgaben des Rekordmeisters, dennoch blieb Tel hinter den Erwartungen zurück.
Trotzdem gibt es Gerüchte, dass Tottenham auch in Zukunft auf den 19-Jährigen setzen will. Aufgrund der bisher nicht ganz überzeugenden Leistungen ist es aber durchaus denkbar, dass die Spurs die Kaufoption nicht ziehen und stattdessen den Preis nach unten verhandeln wollen. In diesen sauren Apfel würden die Münchner aber wohl beißen, um Tel zu Geld zu machen.
2. Arijon Ibrahimovic
Arijon Ibrahimovic galt vor allem in seiner Zeit als Jugendspieler beim FC Bayern als Ausnahmetalent und nicht wenige sahen ihn als festen Bestandteil der Bayern-Zukunft. Doch der Durchbruch bei den Profis blieb mehr oder weniger aus. Immer wieder war Ibrahimovic Teil von Leihgeschäften und so befindet sich der Mittelfeldspieler auch derzeit auf einer fußballerischen Klassenfahrt.
Bei Lazio Rom kommt der Nachwuchsstar mit dem großen Nachnamen allerdings überhaupt nicht zum Zug. Seit seinem Leihwechsel im Januar kam Ibrahimovic auf lediglich zwei Kurzeinsätze und nur 19 Spielminuten. Zuvor spielte er bei den Bayern-Profis in der Hinrunde mit 16 Einsatzminuten verteilt auf drei Joker-Einsätze kaum eine Rolle. Ein verlorenes Jahr.
3. Lovro Zvonarek
695 Spielminuten in bisher 22 Pflichtspielen für Sturm Graz bedeuten für Lovro Zvonarek rund eine halbe Stunde Einsatzzeit pro Spiel. Der kroatische Mittelfeldspieler, der in seiner Heimat bereits als Nachfolger von Luka Modric gehandelt wurde, wurde als Bayern-Transfer der Zukunft gefeiert, doch mittlerweile kann die Leihe nach Graz als verlorenes Jahr bezeichnet werden. Seit Mitte November kam Zvonarek nach einem guten Start nur noch auf drei Kurzeinsätze und insgesamt neun Spielminuten und muss regelmäßig von der Bank aus zuschauen.3
4. Armindo Sieb
Nach überzeugenden Leistungen bei der SpVgg Greuther Fürth in der vergangenen Saison holten die Bayern ihren ehemaligen Jugendspieler zurück nach München, um ihn anschließend mit einer Leihe nach Mainz den nächsten Schritt machen zu lassen. Doch bei seinen insgesamt 26 Einsätzen für die 05er kam Sieb meist nur zu Kurzeinsätzen, absolvierte keine 30 Prozent der möglichen Spielzeit und sogar nur 17 Prozent Startelfeinsätze stehen auf der Habenseite des 22-jährigen Angreifers. Kann man also sagen, dass Sieb den nächsten Karriereschritt machen und sich für die Bayern-Profis empfehlen konnte? Trotz fünf Torbeteiligungen wohl eher nicht.
5. Frans Krätzig
Im vergangenen Sommer wurde der Hoffnungsträger mit großen Erwartungen an den VfB Stuttgart ausgeliehen, doch der Aufstieg zum Shootingstar blieb aus und die Hoffnungen auf ein ähnlich erfolgreiches Leihgeschäft wie einst bei Philipp Lahm erfüllten sich nicht. Lediglich viermal durfte Krätzig für den VfB auflaufen, was bereits im Winter zu einem Ende des Leihgeschäfts führte.
Danach wechselte der 22-jährige Linksverteidiger zum 1. FC Heidenheim, wo er immerhin regelmäßig viele Einsatzminuten bekommt und phasenweise auch überzeugen kann. Ob ihn das Jahr insgesamt weitergebracht hat, darf mit Blick auf die Zukunft bei den Bayern allerdings bezweifelt werden.
6. Gabriel Vidovic
Im vergangenen Sommer lieh der FC Bayern auch Gabriel Vidovic (20) zum FSV Mainz 05 aus, doch nach nur zwei Kurzeinsätzen und 48 Spielminuten für die 05er holte der Rekordmeister den Flügelspieler Anfang Februar zurück nach München. Seitdem stehen für den 21-Jährigen allerdings auch nur 17 Spielminuten zu Buche. 16 davon zuletzt beim 4:0-Sieg gegen den 1. FC Heidenheim. Ist der Durchbruch in München endgültig gescheitert? Die Hoffnung beim Offensiv-Talent bleibt (noch).
7. Bryan Zaragoza
Nach nur 171 Einsatzminuten in sieben Spielen für den FC Bayern kehrte Bryan Zaragoza murrend in seine spanische Heimat zurück und schloss sich auf Leihbasis La-Liga-Klub CA Osasuna an, wo der flinke Flügelspieler wieder in Schwung kommen und sich für die großen Aufgaben beim FC Bayern empfehlen sollte.
Zwar stand Zaragoza regelmäßig für Osasuna auf dem Rasen, wurde aber auch von zwei mittelschweren Verletzungen ausgebremst. Neben einem Mittelfußbruch im Dezember und einer Muskelverletzung im März verlief das vergangene Halbjahr für den Spanier also eher durchwachsen und bremste ihn zu einem ungünstigen Zeitpunkt wieder aus. Ein Tor und fünf Assists stehen für Zaragoza zu Buche.
8. Paul Wanner
Die Leihe von Paul Wanner zum 1. FC Heidenheim glich zunächst einem Transfermärchen, denn der offensive Mittelfeldspieler präsentierte sich in Topform und wurde umgehend mit zahlreichen Top-Klubs der Bundesliga in Verbindung gebracht. So zum Beispiel auch als möglicher Wirtz-Ersatz bei Bayer 04 Leverkusen.
Mittlerweile durchlebt Wanner aber eine eher schwierige Phase in Heidenheim, stand zuletzt im Januar einmal 90 Minuten auf dem Platz und kam seither eher als Teilzeitkraft zum Einsatz. Wanners letzte Torbeteiligung datiert von Mitte Dezember. Seit dem 20. Spieltag kamen für Wanner nur noch 252 Einsatzminuten in der Bundesliga dazu. Im Schnitt also nur rund 25 pro Partie. Insgesamt hat das Bayern-Juwel aber durchaus einen Schritt nach vorne gemacht.
9. Adam Aznou
Kleine Teilerfolge gab es auch für Adam Aznou zu vermelden. Der hoch veranlagte Außenverteidiger absolvierte als Leihspieler bei Real Valladolid immerhin vier Spiele über die vollen 90 Minuten, zweimal stand Aznou zwar im Kader, wurde aber nicht eingewechselt. Bitter ist allerdings, dass Aznou mit seinem Leihverein noch keinen einzigen Sieg feiern konnte, seit er Anfang Februar zum La-Liga-Klub gewechselt ist. Lediglich ein Unentschieden im Februar steht zu Buche, alle anderen Spiele gingen zum Teil mehr als deutlich verloren. Mit 1:7, 1:5 und zweimal 0:4 wurden Aznou und Co. vom Platz gefegt. Beim 1:7 gegen Bilbao saß das Bayern-Talent allerdings die gesamte Spielzeit auf der Bank.
Insgesamt war die Leihe des 18-Jährigen wohl eher kein großer Erfolg. Nach der schweren Verletzung von Alphonso Davies hätte die Stunde des Abwehrjuwels vielleicht sogar beim FC Bayern schlagen können. Stattdessen muss sich Aznou in der spanischen Liga mit dem Abstiegskampf herumschlagen, was ihn in seiner persönlichen und charakterlichen Entwicklung dennoch weiterbringen könnte. Valladolid steht weit abgeschlagen mit nur 16 Zählern am Ende der Tabelle und bereits als Absteiger fest.
Der heimliche Gewinner unter Bayerns-Leihspielern:
10. Maurice Krattenmacher
Der 19-jährige offensive Mittelfeldspieler steht seit Sommer vergangenen Jahres beim Zweitligisten SSV Ulm unter Vertrag und kann das Leihgeschäft durchaus als Erfolg verbuchen. Für die Ulmer Spatzen absolvierte Krattenmacher bisher 30 Pflichtspiele, in denen er zwei Tore erzielte und acht weitere vorbereitete. Damit war Krattenmacher an einem Drittel aller Ulmer Tore in der 2. Bundesliga beteiligt - eine mehr als starke Bilanz, wenn man bedenkt, dass sich der Aufsteiger seit Saisonbeginn im harten Abstiegskampf befindet und nicht zuletzt dank der starken Unterstützung von Krattenmacher noch leise Hoffnungen auf den Klassenerhalt hegen darf.
Die Bayern-Leihgabe konnte also durchaus seinen Mann stehen und lässt so manch andere namhaftere Leihgabe der Münchner alt aussehen. Wird Krattenmacher komplett unterschätzt und könnte der Mittelfeldspieler künftig eine gewichtigere Rolle bei den Bayern spielen?
Eine Übersicht der Bayern-Leihspieler mit Profi-Kader-Perspektive:
Spieler | Leih-Einsätze | Minuten | Minuten im Schnitt pro Einsatz | Tore | Assists |
---|---|---|---|---|---|
Tel | 13 | 761 | 58,5 | 3 | 0 |
Ibrahimovic | 2 | 19 | 9,5 | 0 | 0 |
Zvonarek | 22 | 695 | 31,6 | 2 | 1 |
Sieb | 28 | 878 | 31,4 | 2 | 3 |
Krätzig | 17 | 1.144 | 67,3 | 1 | 3 |
Vidovic | 2 | 48 | 24 | 0 | 0 |
Zaragoza | 23 | 1.522 | 66,2 | 1 | 5 |
Wanner | 37 | 2.168 | 58,6 | 6 | 2 |
Aznou | 9 | 580 | 64,4 | 0 | 0 |
Krattenmacher | 30 | 1.907 | 63,6 | 2 | 8 |
*Stand 25. April 2025
Fazit
Die Leihgeschäfte des FC Bayern München können bei Spielern wie Tel, Krätzig, Zaragoza und Aznou zumindest als Teilerfolg verbucht werden, lassen aber dennoch viele Wünsche offen. Bei Spielern wie Vidovic, Ibrahimovic und Zvonarek dürften die Erwartungen zutiefst enttäuscht worden sein und stellen für alle Beteiligten fast ein verlorenes Jahr dar. Maurice Krattenmacher geht überraschend als großer Gewinner in dieser Rubrik hervor und konnte sich im hart umkämpften Profigeschäft durchaus beweisen und Fuß fassen. Auch für Paul Wanner brachte die Leihe erfreulich große Fortschritte - trotz der aktuellen Schwierigkeiten.
Auch der Aspekt der wenig erfolgreichen Leihen dürfte bei der wohl zu Recht kritisierten Transferpolitik des FC Bayern eine große Rolle spielen. Neben den vermeintlichen Fehleinkäufen ist es dem Rekordmeister nicht gelungen, bei den ausgeliehenen Spielern den richtigen Fit für eine Weiterentwicklung zu finden - zumindest nicht bei vielen. Offenbar wurde hier bei der Auswahl der Leihvereine zu oft ein scheinbar nicht optimal durchdachter Griff ins Klo getätigt, der den Sinn einer Leihe selten erfüllte. Dies sollte an der Säbener Straße durchaus kritisch hinterfragt werden.
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