Dr. Müller-Wohlfahrt rechnet mit dem FC Bayern ab - und zeigt sich "tief getroffen"

Dr. Müller-Wohlfahrt blickt mit Sorge auf den FC Bayern. Der langjährige Mannschaftsarzt vermisst das 'Mia san Mia' und die Identifikation der Spieler mit dem Verein. Zudem zeigt er sich aus mehreren Gründen auch persönlich enttäuscht vom Verein.
Dr. Müller-Wohlfahrt war über Jahrzehnte hinweg Mannschaftsarzt der Bayern.
Dr. Müller-Wohlfahrt war über Jahrzehnte hinweg Mannschaftsarzt der Bayern. / CHRISTOF STACHE/GettyImages
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Über 40 Jahre lang hat Dr. Müller-Wohlfahrt den FC Bayern als Mannschaftsarzt betreut. Der inzwischen 82-Jährige war über Jahrzehnte hinweg Teil der Bayern-Familie und blickt mit großer Sorge auf den aktuellen FC Bayern. "Wenn ich mir die Mannschaft heute ansehe, fehlt mir die Identifikation zahlreicher Spieler mit dem Verein", monierte der Star-Doc im Interview mit dem Münchner Merkur.

Müller-Wohlfahrt zufolge unterscheidet sich der FC Bayern von heute wesentlich mit dem Verein, den er früher über Jahrzehnte angehört hatte. "Es ist ein Gefühl! Der FC Bayern war eine Familie, heute ist er aber mehr und mehr zu einem Großunternehmen geworden. Die Spieler rangieren auf einer Werteskala je nach Ablösesumme", legte er den Finger in die Wunde. Nur noch wenige spüren Müller-Wohlfahrt zufolge das Gefühl, das "mit Stolz, Selbstbewusstsein und Zusammenhalt einhergeht". All das gehöre "eher der Vergangenheit an".

Für den FC Bayern war es stets wichtig, dass 'Mia san Mia' zu leben und sich deutlich von anderen Top-Klubs zu unterscheiden. "Wenn ich an 'Mia san Mia' denke, erinnere ich mich vor allem an die Zeiten von Ottmar Hitzfeld und Jupp Heynckes", teilte der ehemalige Mannschaftsarzt sein Empfinden. Immer wieder erklären Kritiker wie Müller-Wohlfahrt, dass genau dieses Gefühl immer mehr auf der Strecke bleibt. In einem Geschäft, bei dem es um so viel Geld geht, jeder versucht, das Maximale für sich herauszuholen und zahlreiche Personen und Unternehmen mitwirken, ist eine solche Entwicklung wohl auch gar nicht aufzuhalten. "Als ich in den 70er Jahren anfing, waren es 16 Mitarbeiter - jetzt sind es mehr als 1.000. Man kannte sich, man hat sich geschätzt, einer war für den anderen da", beschrieb er.

Bayern-Zeit nicht immer einfach: Vom Klinsmann-Ärger bis zum Guardiola-Riesenkrach

Voller Harmonie war die Zusammenarbeit zwischen den Bayern und Müller-Wohlfahrt aber auch nicht immer. Die ersten Risse gab es in der Saison 2008/2009, in der Jürgen Klinsmann Bayern-Trainer war und als solcher sein Unwesen getrieben hatte. "Unter Klinsmann wollte ich schon mal hinschmeißen, da hat Uli gesagt: Kommt nicht infrage! Halt dich vorübergehend etwas zurück aber du bleibst bei uns", erinnerte sich Müller-Wohlfahrt an die Saison zurück, die wohl jeder Bayern-Fan gerne vergessen würde.

Einige Jahre später konnte aber auch Hoeneß nicht verhindern, dass Müller-Wohlfahrt sein Amt beim FC Bayern zumindest vorübergehend niederlegte. Die Rede ist vom inzwischen schon fast berühmten Krach mit Pep Guardiola. Dieser hatte sich immer wieder darüber beklagt, dass seine Spieler nicht schnell genug nach Verletzungen zurückkommen und machte Müller-Wohlfahrt dafür verantwortlich. Letztlich kam es bei der 1:3-Niederlage im Champions-League-Viertelfinal-Hinspiel in Porto zur Eskalation. "Der fürchterliche Eklat von Porto hat mich tief getroffen. Von der anwesenden Vereinsführung hätte ich mir aufgrund meiner Verdienste mehr Rückendeckung erwartet. Ich hätte Schuld an der Niederlage, lautete der Vorwurf. Das ist absurd! Das konnte ich nicht akzeptieren", beklagte sich Müller-Wohlfahrt.

Guardiola soll den Arzt vor versammelter Mannschaft zusammengeschrieben haben. Konsequenterweise trat Müller-Wohlfahrt einen Tag später zurück. Uli Hoeneß hätte die Wogen wohl als Einziger glätten können, war zu dieser Zeit jedoch nach seiner Haftstrafe nicht in der Verantwortung. Erst nach dem Guardiola-Abschied im Jahr 2017 kehrte Müller-Wohlfahrt zum FC Bayern zurück, ehe er 2020 seine Tätigkeit endgültig beendete.

Den FC Bayern verfolgt er aber auch heute noch. "Ich sehe mich als stiller Beobacheter. Wiederholt hätte ich gerne eingegriffen, um bei medizinischen Problemen zu helfen. Das waren so meine Gedankenspiele", schilderte er. Unklar bleibt, ob er sich hierbei womöglich auf Leroy Sané oder Kim min-jae bezieht, die der FC Bayern über Monate hinweg angeschlagen auf den Platz geschickt hat. Inzwischen stehen in München allerdings andere in der Verwantwortung.

Dr. Müller-Wohlfahrt über Bayern-Abschied enttäuscht

Heute blickt Müller-Wohlfahrt mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. "Zu Uli und einigen anderen besteht nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis", erläuterte er. Zudem habe er sich "mit dem Verein identifiziert und das 'Mia san Mia' verinnerlicht" und fühle sich durch sein Tun "als Teil der Geschichte, des Aufbaus und des Erfolgs des FC Bayern".

Trotzdem lief nicht alles glatt. "Tief getroffen haben mich menschliche Enttäuschungen", gab er zu. Zudem ist er noch immer verstimmt darüber, keinen gebührenden Abschied erhalten zu haben. "Wissen Sie, wie oft ich von Bayernmitgliedern die Frage gehört habe, warum es keine Standing Ovations, keine Blasmusik, kein Abschiedsgeschenk, kein Essen, keine Geste gegeben hat? Meine Reaktion darauf: die Antwort kann nur der Verein geben", machte er klar.


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