Dominante Bayern straucheln defensiv: Muss Kompany endlich auf Palhinha setzen?
Von Lennart Sörnsen
Profifußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Jüngstes Beispiel: der FC Bayern München. Noch vor gut zwei Wochen wurden die Münchner von allen Seiten bewundert und mit Komplimenten überhäuft. Teilweise wurde Vincent Kompany schon als neuer Pep Guardiola gefeiert. Nach der 0:1-Niederlage gegen Aston Villa und dem 3:3-Remis gegen Eintracht Frankfurt kommen aber erste Zweifel auf. Zumal der Rekordmeister zuvor beim 1:1 gegen Leverkusen die erhoffte Revanche gegen den amtierenden Titelträger verpasste.
Ausgerechnet der dominante Offensivfußball, der die Bayern zunächst so stark gemacht hatte, führte zur jüngsten Sieglos-Serie. Auch gegen Frankfurt zeigten die Bayern über weite Strecken eine dominante Leistung. 26:4 Torschüsse und 74 Prozent Ballbesitz sprechen eine deutliche Sprache. Doch der Kompany-Fußball bringt auch ein gewisses Risiko mit sich. Ein Risiko, das die Frankfurter zu nutzen wussten. Mit zwei Kontertoren stellte die Eintracht den Spielverlauf in der ersten Halbzeit auf den Kopf. Und auch beim erneuten Ausgleich in der Schlussminute sah die Bayern-Abwehr nicht gut aus. Auch wenn der Punktgewinn für das Team von Dino Toppmöller sicherlich glücklich war - die Entstehung der Tore war kein Zufall.
Unter Kompany spielt der Rekordmeister einen extrem offensiven Fußball. Die Abwehr steht hoch, weil die Bayern ein mannorientiertes Angriffspressing spielen. Gegen Mannschaften wie Holstein Kiel, Dinamo Zagreb und Werder Bremen funktionierte diese Spielweise in Perfektion. Die überforderten Gegner hatten dem Druck nichts entgegenzusetzen, es gab Kantersiege - teils ohne einen einzigen Torschuss des Gegners. Bayer Leverkusen, Aston Villa und Eintracht Frankfurt waren zuletzt aber andere Kaliber, die eine höhere defensive Qualität mitbringen und das Pressing auch mal überspielen können.
Braucht das Bayern-Spiel einen Sechser wie Palhinha?
Grund zur Panik sollte man in München dennoch nicht haben. Thomas Müller meinte nach dem Remis in Frankfurt, eine solche Krise habe er gerne. "Die Spielweise ist überragend", so der Raumdeuter.
Mit etwas mehr Spielglück und einer besseren Chancenverwertung hätte der FC Bayern jedes dieser letzten drei Spiele gewonnen. Vor allem gegen Frankfurt waren mehr als genug Chancen dazu da. In den Duellen mit Leverkusen und Aston Villa taten sich die Münchner zwar schwerer, Chancen herauszuspielen, ließen dafür aber hinten wenig anbrennen.
Und doch gibt es Anlass zu vorsichtiger Sorge. Die offensive Ausrichtung offenbarte defensive Schwächen, die schon unter Thomas Tuchel zu beobachten waren. Es stellt sich erneut die Frage, ob man mit Kim Min-jae und Dayot Upamecano - zumindest in dieser offensiven Ausrichtung - wirklich gegen große Gegner bestehen kann. Dazu kommt, dass wohl jeder Innenverteidiger der Welt Probleme bekommt, wenn er im Eins-gegen-eins solch große Räume verteidigen muss.
Aktuell ist vor den Innenverteidigern das Duo Kimmich-Pavlovic gesetzt. Mit dem Ball wohl die Idealbesetzung, gegen den Ball könnten beide zusammen aber etwas zu offensiv ausgerichtet sein. Vor allem eben gegen größere und konterstärkere Gegner. Palhinha dagegen gilt als klassische 'Holding Six', die ihre Rolle vor allem dadurch definiert, die Position vor der Abwehr zu halten und für defensive Stabilität zu sorgen.
So könnte der 29-Jährige das offensiv ausgerichtete Bayern-Spiel besser absichern und im Zentrum als Anker fungieren. Mit dem Portugiesen im Team müsste Kompany sein Pressing aber womöglich leicht anpassen. Soll Palhinha die Position vor der Abwehr konsequent halten, würde das zulasten des Mann-gegen-Mann-Pressings gehen.
Dass sich Kompany auf einen solchen Kompromiss einlässt, dürfte jedoch weniger wahrscheinlich sein. Beim FC Burnley galt der Belgier als eigensinnig. Der 38-Jährige versuchte, sein taktisches System aus der zweiten Liga auch in der Premier League beizubehalten. Der Ballbesitzfußball scheiterte in der höchsten englischen Spielklasse deutlich und Burnley musste den erneuten Abstieg hinnehmen.
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