Die Kompany-Bayern im Check: Was ist wirklich besser als unter Tuchel - und was nicht?

Der FC Bayern möchte mit Vincent Kompany an alte Glanzzeiten anschließen und die Tuchel-Ära vergessen machen. Doch was ist unter dem Belgier tatsächlich besser als unter dem Ex-Coach?
Vincent Kompany zeigt seinen Stars, wo es lang geht.
Vincent Kompany zeigt seinen Stars, wo es lang geht. / Stefan Matzke - sampics/GettyImages
facebooktwitterreddit

Im Sommer hat Vincent Kompany die Nachfolge von Ex-Bayern-Coach Thomas Tuchel angetreten. Der Belgier sollte der in der Saison 2023/24 teilweise leblosen Mannschaft neuen Esprit verleihen. Der neue Coach machte bereits im Rahmen der Begrüßungs-PK einen guten Eindruck und stärkte damit die Hoffnungen auf sehenswerten Offensivfußball. Seine Verpflichtung ging auch mit der Erwartung einher, dass er vor allem junge Spieler noch mehr fördern kann als Vorgänger Tuchel.

Der Auftakt in die Saison lief direkt vielversprechend, jedoch wurden die Kompany-Bayern auch von Rückschlägen eingeholt. Nach einem guten halben Jahr Vincent Kompany in München gilt es ein Zwischenfazit zu ziehen. Was ist im Vergleich zu Tuchel tatsächlich besser unter dem neuen Coach - und was nicht?

Was unter Kompany besser ist:

1. Motivation der Spieler, Freude am Fußball

Eine Sache scheint Kompany auf Anhieb geschafft zu haben. Der Spaß und der Esprit beim FC Bayern sind zurückgekehrt. Dies erkennt man anhand der Interview-Aussagen der Stars, aber auch am Auftreten auf dem Platz. Die tagtägliche Arbeit mit Kompany scheint den Profis Freude zu bereiten, was unter anderem auch dazu geführt hat, dass Alphonso Davies seinen Vertrag verlängert hat und es bei Joshua Kimmich und Jamal Musiala ebenfalls gut aussieht. Kompany versprüht Energie, die bei den Spielern ankommt und sie zu Top-Leistungen motiviert. Spieler wie Alphonso Davies oder Leroy Sané wirken wieder voller Elan und generell sind alle Offesivspieler bereit, auch die weiten und anstrengenden Wege zu gehen - sowohl offensiv wie defensiv. Beim FC Bayern ist seit der Kompany-Ankunft wieder Feuer drin.

2. Das öffentliche Auftreten

Thomas Tuchel hat es insbesondere gegen Ende seiner Zeit in München wahrlich geschafft, "über jedes Stöckchen zu springen". Der Ex-Coach wirkte auf den Pressekonferenzen häufig dünnhäutig und gereizt und legte sich gerne mit "Experten" wie Didi Hamann an. Zwar konnte man Tuchel in einigen Punkten verstehen, jedoch machte er sich damit das Leben nicht einfacher. Vincent Kompany wirkt auf Pressenkonferenzen und in Interviews hingegen absolut cool und abgezockt. Der Belgier bleibt auch an schlechteren Tagen stets positiv und stellt sich schützend vor sein Team. Die authentische, abgeklärte und sympathische Art von Kompany hinterlässt Eindruck und sorgt für Ruhe im Verein.

3. Weniger Gegentore in der Liga: Das Vertrauen in Upamecano und Kim

Zwar kann man definitiv nicht sagen, dass die Bayern-Abwehr komplett sattelfest ist, jedoch hat sich im Vergleich zur Vorsaison doch einiges verbessert. 23/24 kassierten die Münchner in der Bundesliga 1,32 Gegentore pro Partie, was für Bayern-Verhältnisse mehr oder weniger inakzeptabel war. In der laufenden Saison waren es bisher 0,9 pro Spiel, was angesichts der offensiven Spielweise zumindest ordentlich ist.

Maßgeblich Verantwortlich für die bessere Quote sind Dayot Upamecano und Kim min-jae. Beide spielen zwar nicht fehlerfrei, sorgen mit ihrer Athletik aber dafür, dass der offensiv ausgerichtete Kompany-Fußball meistens funktioniert. Insbesondere im Herbst hatten die Bayern eine Phase, in der es defensiv so richtig rund lief. Entscheidend hierbei ist, dass Kompany seinem Abwehr-Duo voll und ganz vertraut. Beide standen nach einer schwachen Vorsaison auf dem Abstellgleis, Kompany hat dem Duo dennoch auf Anhieb das Vertrauen ausgesprochen. Auch als Kim direkt im ersten Bundesliga-Spiel doppelt patzte, wich er nicht von seinem Plan ab. Der Coach stärkte dem Abwehr-Duo immer den Rücken, auch wenn es mal zwei, drei Spiele nicht so lief und der ein oder andere Trainer schon gezuckt hätte.

4. Konstantere Leistungen gegen die kleinen Gegner

Der FC Bayern hat sich in der vergangenen Spielzeit zahlreiche Ausrutscher gegen vermeintliche Underdogs geleistet. Unter anderem gab es Pleiten gegen Heidenheim, Bochum und Bremen. Diese Patzer haben neben der Traum-Saison von Leverkusen dazu geführt, dass die Münchner überhaupt keine Chance im Meisterschaftsrennen hatten. 72 Punkte bedeuteten sogar nur Rang drei. Unter Kompany holen die Münchner statt 2,11 wieder 2,54 Punkte pro Bundesligaspiel, weshalb die souveräne Tabellenführung steht. Die Bilanz ist vor allem deswegen besser, weil es gegen kleinere Teams - mit Ausnahme der Mainz-Niederlage - keine Ausrutscher gab. Die drei Punkteteilungen gab es allesamt gegen starke Gegner (Leverkusen, Frankfurt, Dortmund). Die bessere Ausbeute ist dadurch zu erklären, dass die Offensive gegen tief stehende Gegner nicht mehr ganz so statisch agiert und auch keiner der Meinung zu sein scheint, gegen die Underdogs nicht 100 Prozent abrufen zu müssen.

5. Das Mittelfeld mit Joshua Kimmich als Leader

Im Bayern-Mittelfeld herrscht definitiv wieder mehr Ordnung und Struktur als noch in der vergangenen Saison. Dies hat in erster Linie mit Joshua Kimmich zu tun. Während Tuchel den 30-Jährigen mit seinen Sechser-Forderungen und "Kimmich-ist-kein-Sechser-Aussagen" praktisch schon ab Woche eins verunsichert hat, ist er unter Kompany genau dort gesetzt. Stand Kimmich im Sommer noch vor einem Abgang, gestaltet sich die Lage nun ganz anders. Kimmich spielt konstant stark und performt wieder auf dem Level seiner besten Zeiten. Eigentlich ist der Mittelfeld-Leader überhaupt nicht mehr wegzudenken und sowohl mit als auch gegen den Ball ein absolutes Herzstück im Team. Gut für die Münchner also, dass Kimmich angab, dass die Chancen auf eine Vertragsverlängerung klar gestiegen sind. Dies ist in erster Linie seinem Standing unter Kompany zu verdanken.


Was unter Kompany nicht besser ist:

1. Kontrollverlust, wenn der Gegner den Druck erhöht

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Münchner unter der Regie von Jupp Heynckes oder Pep Guardiola in 90 Prozent der Spiele unverwundbar erschienen. Schon unter Julian Nagelsmann hat sich angedeutet, dass die Bayern gerne mal zu schwimmen beginnen, wenn sich der Gegner aus der defensiven Komfortzone herausbewegt. Dieses Problem ist unter Tuchel wesentlich schlimmer geworden und hat sich auch unter Kompany nicht verbessert.

In der laufenden Saison gab es zahlreiche Spiele, in denen die Bayern eigentlich alles im Griff hatten, dann aber trotzdem noch in Not gerieten. Das Phänomen trat gerade in den letzten Wochen vermehrt auf, denken wir nur an den 4:3-Zittersieg nach 4:0-Führung gegen Kiel oder das 2:1 gegen Celtic Glasgow, welches nach Führung sogar noch verloren hätte gehen können. Der FC Bayern offenbart vor allem auswärts Probleme, wenn der Gegner plötzlich mutig wird und es im eigenen Team zu einem leichten Spannungsverlust kommt. Oftmals geht die defensive Stabilität gefühlt von der einen auf die andere Sekunde flöten und das gesamte Team beginnt zu schwimmen. In solchen Phasen muss der FC Bayern stabiler werden, das haben die Münchner unter Kompany vor allem in der Champions League noch nicht geschafft.

2. Resultate gegen die Top-Teams

Die Resultate gegen starke Teams sind wohl das bislang größte Manko der Kompany-Ära. Gegen absolute Top-Gegner gab es bis jetzt tatsächlich kaum Siege. Zu nennen wäre der 1:0-Erfolg gegen PSG, jedoch waren die Pariser zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Top-Form und gut eine Stunde in Unterzahl. Beachtlich war gewiss auch das 5:1 gegen Leipzig, jedoch präsentieren sich die Sachsen in dieser Saison auch nicht sonderlich gefestigt. Gegen Leverkusen gab es hingegen ein Remis in der Liga und eine Pleite im Pokal, wobei bei beiden Resultaten massiv Pech mit dabei war. Zudem konnten die Münchner die Bundesligaspiele gegen Frankfurt und Dortmund nicht gewinnen.

Besonders schwer wiegen jedoch die drei Pleiten in der Champions League gegen Barça, Aston Villa und Feyenoord. Zwar hat Tuchel beispielsweise gegen Leverkusen, Dortmund und Stuttgart in der Rückrunde verloren, dafür aber in der Champions League das Halbfinale erreicht. Insbesondere die Leistungen gegen den FC Arsenal waren beachtlich und auch gegen Real Madrid hätte es fast gereicht. Hier ist also sogar eher Vincent Kompany im Hintertreffen, kann das Pendel in der Rückrunde aber natürlich noch kippen lassen.

3. Förderung der jungen Spieler

Eigentlich hatten die Bayern ein klares Vorhaben: "Wir wollen gute Spieler finden und entwickeln. Wir sind der passende Verein mit dem passenden Trainer, der passenden Philosophie und dem passenden Umfeld. Alles trägt dazu bei, dass sich junge Spieler bei uns gut entwickeln können", kündigte Max Eberl in der Sommerpause an. Jeder hätte gedacht, dass es die jungen Spieler unter Kompany leichter haben werden als unter Tuchel, der deswegen ja auch den Zorn von Uli Hoeneß abbekam. Sieht man sich aber die Talente-Situation unter Kompany an, sollte der Belgier vielleicht so langsam einen größeren Bogen um den Tegernsee machen.

Tatsächlich ist die Lage nicht besser, sondern noch ein ganzes Stück schlechter geworden. Mathys Tel kam in der laufenden Saison überhaupt nicht in die Gänge und wurde nun mit Kaufoption zu den Spurs verliehen. Vor der Saison wäre das undenkbar gewesen. Zwar schien Kompany zu Beginn voll auf Aleksandar Pavlovic zu setzen, jedoch hat sich dies seit seiner Verletzung auch geändert. Inzwischen hat der zwischendurch ausgemusterte Leon Goretzka die Nase vorne. Das hoch gehandelte Talent Adam Aznou hat zwar erste Einsatzminuten absolvieren können, jedoch wäre durchaus die Chance auf mehr da gewesen, wenn man sich ansieht, wie routinierte Konkurrenten wie Raphael Guerreiro teilweise performen. Aznou wurde nun jedoch nach Spanien ausgeliehen. Auch andere Talente wie Nestroy Irankuda, Arijon Ibrahimovic oder Javier Fernandez konnten sich nicht entscheidend näher heranarbeiten. Natürlich liegt das nicht nur an Kompany, jedoch muss man Stand jetzt eben konstatieren, dass es für die Bayern-Talente in keiner Weise besser aussieht als unter Tuchel.


Fazit:

Unter dem Strich hat sich unter Kompany schon einiges zum Positiven gewandt. Der Belgier steht für Energie und Dynamik und scheint die Stars wieder mitreißen zu können. Wichtig ist außerdem sein abgeklärtes Auftreten und sein unerschütterliches Vertrauen in die Spieler, wovon gerade Kim, Upamecano oder Kimmich enorm profitieren. All das macht sich auch in den Spielen deutlich. Die Münchner kassieren weniger Gegentore und stehen in der Bundesliga wieder wesentlich besser da.

Alle Probleme konnte aber auch Kompany nicht lösen. Insbesondere gegen starke und mutige Gegner wirkt das Münchner Kartenhaus angreifbar und zerbrechlich. Dreieinhalb Monate vor einem möglichen Finale Dahoam ist das Team sicherlich noch nicht da, wo es eigentlich sein möchte sodass ein CL-Sieg realistisch erschiene. Nachdenklich stimmt außerdem der Werdegang einiger Talente wie Mathys Tel und jüngst auch Aleksandar Pavlovic. Nach einer solch unruhigen Phase wie der Tuchel-Rückrunde wäre es wohl zu viel verlangt, dass Kompany alle Probleme auf einmal löst. Man muss festhalten, dass sich der FCB noch in einem Prozess befindet. Dieser läuft nicht geradlinig nach oben, jedoch kann der Verein mit den meisten Entwicklungen zufrieden sein.


Weitere News zum FC Bayern lesen:

feed