DFB-Frauen: Diese drei Positionen sind die großen Baustellen
Von Helene Altgelt

Bundestrainer Christian Wück hat noch drei Monate, um einige schwierige Fragen zur eigenen Aufstellung zu klären. Auf manchen Positionen steht schon fest, wer gesetzt ist - dort sind die DFB-Frauen gut aufgestellt. Es zeichnet sich aber auch schon ab, dass es auf manchen Positionen schwierig werden dürfte.
Unter Wück kamen in wenigen Monaten bereits mehr als 30 Spielerinnen zum Zug, darunter viele Debütantinnen. So langsam wird es Zeit, sich auf eine ungefähre Startelf festzulegen - aber Wück, das hat der Bundestrainer selbst offen gesagt, ist nicht überall mit seinen Auswahlmöglichkeiten zufrieden.
Oberstes Ziel ist natürlich der Titelgewinn bei der Europameisterschaft 2025. Das Turnier findet im Juli in der Schweiz statt - bis dahin bleiben nur noch wenige Spiele. Das Gerüst ist noch nicht gefunden - gleichzeitig bleibt wenig Zeit, um verschiedene Kombinationen auszuprobieren. Eine knifflige Situation - und auf diesen Positionen bekommen Bundestrainer und Fans besonders Kopfzerbrechen.
Linksverteidigung
In der Linksverteidigung, das gilt allgemein im Fußball, herrscht oft Fachkräftemangel. Die Fachkräfte müssen nämlich gleich zwei Qualifikationen mitbringen. Erstens sind sie idealerweise Linksfüßler, und zweitens müssen sie zumindest ein bisschen verteidigen können. Zumindest an einer der zwei Grundvoraussetzungen scheitert es oft, und dann wäre eigentlich noch erwünscht, dass sich die Linksverteidigerinnen ins Spiel nach vorne einschalten.
Kein Zufall, dass auch bei den europäischen Konkurrentinnen wie Spanien oder England nicht die ganz großen Namen links hinten spielen. Auch im Auswahlkreis der DFB-Frauen scheint es keine Spielerin zu geben, die zum Anforderungsprofil perfekt passt.
Felicitas Rauch war einige Zeit dort gesetzt, hat aber Defensivschwächen und wurde von Wück zuletzt nicht mehr berücksichtigt. Mit Sarai Linder, die unter Horst Hrubesch gesetzt war, gibt es einen Gegenentwurf - defensiv meist solide, aber im Stellungsspiel auch mit Schwächen, und nach vorne weniger auffällig.
Daher griff Wück in den zwei Nations-League-Spielen gegen Schottland auf eine unorthodoxe Variante zurück: Bayern-Spielerin Franziska Kett kam mit ihren 20 Jahren direkt bei ihrer ersten Einladung zu zwei Startelfeinsätzen. Kett hat Talent, aber ist eigentlich keine Verteidigerin. Bei der Europameisterschaft könnte dieses Experiment fürchterlich in die Hose gehen.
Innenverteidigung
Auch in der Innenverteidigung wurde unter Wück fleißig rotiert, das war aber vor allem der großen Not auf dieser Position geschuldet: Marina Hegering hat ihre Karriere beendet, Bibiane Schulze-Solano und Rebecca Knaak sind verletzt. Aus der Not eine Tugend machen, war da die Devise.
Aktuell läuft es auf ein Innenverteidigungs-Duo aus Janina Minge und Sophia Kleinherne hinaus, so scheint es - aber Frankfurts Sara Doorsoun wäre auch eine Kandidatin. Minge ist eigentlich gelernte Mittelfeldspielerin, hat in den letzten Jahren aber viel Erfahrung in der Verteidigung gesammelt. Ihre Ernennung zur Vizekapitänin zeigt auch: Wück vertraut der Wolfsburgerin. Sophia Kleinherne dagegen wurde lange nicht eingeladen, scheint also nicht die erste Wahl gewesen zu sein. Gegen Schottland machte die Frankfurterin ihren Job über beide Spiele gut.
Für das Duo bleibt nun aber sehr wenig Zeit, um sich einzuspielen. Abstimmungsfehler scheinen daher bei der EM wahrscheinlich - und beide sind in der Spieleröffnung nicht auf Weltklasseniveau. Vergleicht man die deutsche Innenverteidigung mit den erfahrenen Akteurinnen der Konkurrenz, wie Frankreichs Wendie Renard oder Spaniens Mapi Leon, fällt die Wertung für die DFB-Frauen eher schlecht aus.
Defensives Mittelfeld
Zur Verteidigungsleistung gehört nicht nur die Innenverteidigung, sondern maßgeblich auch das defensive und zentrale Mittelfeld. Rutscht dort jeder Ball durch, kann selbst die weltbeste Verteidigung wenig ausrichten. Umso wichtiger ist daher das Zusammenspiel in der Defensivachse - aber diese Achse zeigte sich zuletzt eher wacklig.
Eigentlich müssen sich die DFB-Frauen bei der individuellen Qualität hier nicht verstecken. Elisa Senß hat eine feine Technik, ist ballsicher und hat den nötigen Überblick. Sjoeke Nüsken ist torgefährlich und reaktionsschnell, und Sydney Lohmann kann mit ihrer Dynamik und ihren Läufen überzeugen.
Das Problem: Auf der Doppelsechs müssen zwei Spielerinnen ran, aber keine der Kombinationen hat bisher so wirklich funktioniert. Bei allen Alternativen fehlt es an Zugriff im Pressing, teils auch an der Physis. Viele wünschen sich Lena Oberdorf herbei, auch Christian Wück. Aber ob die Bayern-Spielerin bis Juli fit ist, steht noch in den Sternen. Und eine angeschlagene Oberdorf würde Deutschland auch wenig weiterhelfen.
Fazit
Während das Offensivtrio (Bühl, Brand, Schüller) recht klar feststeht, gibt es in anderen Bereichen Baustellen. Auf einigen Positionen ist noch völlig offen, wer sich den Startelf-Platz schnappen kann - und keine der Alternativen konnte bisher auf ganzer Linie überzeugen.
Ob Christian Wück in der Linksverteidigung, Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld die richtigen Entscheidungen trifft, davon wird wohl auch das Abschneiden bei der Europameisterschaft abhängen. Denn gerade auf diesen Positionen war Deutschland auch beim blamablen Aus in der Gruppenphase bei der WM 2023 schlecht aufgestellt.