Desolate Rückrunde: Das sind die Gründe für die VfB-Krise
Von Dominik Hager

Der VfB Stuttgart bleibt nach der überragenden Saison 2023/24 in der Bundesliga hinter den Erwartungen zurück. Zwar haben die Schwaben mit dem Erreichen des DFB-Pokalfinales einen großen Titel vor Augen, doch ansonsten läuft es alles andere als rund. Die 0:1-Niederlage gegen den 1. FC Heidenheim am Freitagabend war ein neuer Tiefpunkt in der Liga.
In der Rückrunde holten die Schwaben in 14 Spielen magere zwölf Punkte. Angesichts des elften Tabellenplatzes ist eine Qualifikation für Europa wohl nur noch über den Pokal möglich. Doch wo genau liegen die Probleme der Hoeneß-Elf?
1. Zu wenig Erfahrung und Qualität in der Innenverteidigung
Mit 56 erzielten Treffern stellt der VfB Stuttgart die fünftbeste Defensive der Liga, was natürlich schwer in Ordnung ist. Überhaupt nicht in Ordnung sind allerdings die 51 Gegentore: Lediglich fünf Teams in der Bundesliga verzeichnen hier eine noch schlechtere Bilanz. Schuld haben daran auch die mäßig geglückten Personalplanungen in der Abwehr.
Der VfB hat viel dafür getan, um den Verlust von Serhou Guirassy zu ersetzen und das auch einigermaßen geschafft, jedoch konnten Waldemar Anton und Hiroki Ito nicht ersetzt werden. Lediglich Jeff Chabot bringt Erfahrung mit, hat jedoch Defizite in der Geschwindigkeit und im Spielaufbau. Dies ist vor allem deswegen problematisch, weil der VfB mit viel Ballbesitz spielt und schönen Fußball zelebrieren möchte.
Mit Luca Jaquez, Finn Jeltsch und Ameen Al-Dakhil kamen talentierte Kräfte, die aber allesamt noch kein Top-Niveau haben. Spielt ein Team offensiven Fußball, fällt das natürlich besonders ins Gewicht, weil oftmals im Eins-gegen-Eins verteidigt werden muss. Der VfB hätte für sofortigen Erfolg in einen richtig starken Abwehrspieler investieren müssen, der schon jetzt Top-Niveau verkörpert.
2. Zu wenige Scorer der Flügelspieler
Im Vergleich zur Vorsaison schwächeln auch die VfB-Flügel gehörig. Vor allem Chris Führich kann nicht an seine starke letzte Runde anknüpfen. Seine Bilanz von zwei Toren und drei Assists in 30 Bundesligaspielen ist eine absolute Enttäuschung. Jamie Leweling verzeichnet ebenfalls nur zwei Tore und drei Vorlagen, war allerdings zwischendurch verletzt.
Nicht wirklich überzeugend waren bislang auch die Darbietungen von Fabian Rieder, der mit einem Tor und vier Assists ebenfalls auf fünf Scorer kommt. Winter-Neuankömmling Jacob Bruun Larsen konnte ebenfalls kaum Akzente setzen. Die Gefahr kommt beim VfB meist durch das Zentrum, wo allen voran Ermedin Demirovic und Nick Woltemade Torgefahr ausstrahlen.
3. Formkrise von Deniz Undav
Deniz Undav hat zwar in der ersten Saisonphase stark performt, ist aber vor allem in der Rückrunde weit von seiner besten Verfassung entfernt. Zwischen dem 19. und 29. Spieltag verzeichnete Undav keinen Scorer und wurde damit zum Gesicht der VfB-Krise.
Die Stuttgarter gewannen seit dem 19. Spieltag nur noch die Partien gegen Dortmund und Bochum. Beim Spiel gegen den VfL war Undav zudem aufgrund von Magenproblemen außen vor. Zwar konnte der starke Woltemade die Formschwäche von Undav ein wenig kompensieren, jedoch wäre es für den Verein natürlich trotzdem von großer Wichtigkeit, wenn Undav wieder zur Form findet.
4. Konzentration auf andere Wettbewerbe
Zwar hat der VfB einen recht breiten Kader, jedoch steht außer Frage, dass die Dreifachbelastung eine Auswirkung auf die Bundesliga mit sich gebracht hat. Die Partien in der Champions League waren für die Schwaben lange vermisste Festtage, die aber natürlich abgelenkt haben.
In der Rückrunde lag der Fokus dann auch auf den Pokal-Spielen. Gewinnt der VfB das Finale gegen Bielefeld, steht die Quali für die Europa League und ein Titelgewinn. Dieses Wissen führt womöglich dazu, dass in der Bundesliga ein paar Prozent fehlen.
5. Keine Alternative im zentralen Mittelfeld
In der Vorsaison war das Duo Angelo Stiller und Atakan Karazor ein Muster an Beständigkeit und mitverantwortlich für den Erfolg. Eine wirkliche Alternative gab es schon damals nicht, jedoch war der VfB international nicht vertreten und hatte daher weniger Spiele. Gewiss hat Karazor 2023/24 auch ein wenig überperformt. Stiller konnte sein Niveau in die neue Spielzeit retten, jedoch bleibt Karazor doch ein Stück von der damaligen Form entfernt.
Angesichts der Tatsache, dass sich Neuzugang Yannik Keitel nicht wirklich als große Verstärkung herauskristallisiert hat, musste Karazor viele Spiele absolvieren. In Bezug auf die kommende Saison bräuchte der VfB definitiv noch einen dritten starken ZM-Spieler.
6. Gestiegene Erwartungshaltung
In der vergangenen Saison war der VfB in einem absoluten Flow. Niemand hätte sich vorstellen können, dass die Schwaben so weit vorne mitmischen können. Auf der Erfolgswelle schwebend, fallen gewisse Defizite nicht so ins Gewicht. Zwar war abzusehen, dass der VfB den zweiten Platz der Vorsaison nicht wiederholen kann, jedoch war die Erwartungshaltung trotzdem eine andere als im Sommer 2023.
Mit den ersten Misserfolgen ist die Leichtigkeit ein wenig auf der Strecke geblieben, was unter anderem auch die teilweise erschreckende Chancenverwertung zeigt. Auch am Freitagabend war der VfB wieder drückend überlegen, jedoch gelang Heidenheim am Ende der Siegtreffer.
7. Stuttgarts Spielphilosophie kann schnell nach hinten losgehen
Der VfB spielt unter Sebastian Hoeneß im Stile eines Top-Teams. Ein großes Augenmerk liegt auf Struktur, ein sauberes Pass- und Aufbauspiel und viel Spielkontrolle. Eine solche Taktik zu meistern ist allerdings deutlich schwieriger, als den Bus in der Defensive zu parken und auf Konter zu setzen.
Stuttgart hat zwar in der letzten Saison gezeigt, den Stil meistern zu können, jedoch gelingt das in der laufenden Spielzeit nicht mehr konstant. Aus diesem Grund haben die Schwaben auch viele Spiele trotz eines deutlichen Plus an Ballbesitz verloren. Natürlich könnte man argumentieren, dass Hoeneß angesichts der Probleme in der Abwehr ein wenig destruktiver spielen hätte lassen sollen. Langfristig wäre das aber wohl auch nicht der richtige Weg.
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