Challenge als VAR-Alternative? DFB-Projektleiter Drees sieht kein "Allheilmittel"

Der Videobeweis sorgt seit Jahren für reichlich Diskussionsstoff bei Fans, Spielern und Verantwortlichen. Ein immer wieder vorgeschlagenes Modell mit Trainer-Challenges sieht Ex-Schiedsrichter und VAR-Projektleiter Jochen Drees skeptisch.
Jochen Drees
Jochen Drees / INA FASSBENDER/GettyImages
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Die ewigen Diskussionen um den VAR, sie werden wohl nie aufhören. Seit der Saison 2017/18 ist das technische Hilfsmittel bereits im Einsatz. Sieben Spielzeiten voller hitziger Debatten über den richtigen Einsatz, die uneinheitliche Auslegung und die generelle Sinnhaftigkeit. Dabei sollte der VAR genau das verhindern. Doch so richtig fair hat der VAR den Fußball nach Meinung vieler nicht gemacht. Zu inkonsequent, zu unklar, zu undurchsichtig waren oft die Entscheidungen der Videoschiedsrichter.

Man muss nicht weit zurückblicken, um auf diese oder ähnliche Kritikpunkte zu stoßen. Erst am vergangenen Wochenende, beim Spiel zwischen Union Berlin und Eintracht Frankfurt am späten Sonntagnachmittag, wurde die Diskussion um den VAR erneut entfacht. Insbesondere Union-Manager Horst Heldt und Stürmer Benedict Hollerbach beschwerten sich nach dem Spiel deutlich über Schiedsrichter Harm Osmers und den VAR, nachdem der späte Siegtreffer wegen einer äußerst knappen Abseitsentscheidung zurückgenommen worden war. Die kurze Nachspielzeit sorgte bei Trainer Bo Svensson für zusätzlichen Ärger.

Nicht wenige Fans wünschen sich deshalb mittlerweile seine Abschaffung oder zumindest eine Reform. Eine Idee, die dabei immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist die Trainer-Challenge. Die Idee stammt aus anderen Sportarten. Vor allem in amerikanischen Sportarten wie American Football oder Basketball kommt diese Form des Videobeweises zum Einsatz. Dabei hat ein Trainerteam oder alternativ ein Spieler die Möglichkeit, bei Verdacht auf eine Fehlentscheidung eine Challenge zu ziehen. Der Schiedsrichter schaut sich die strittige Szene dann noch einmal auf Video an und entscheidet, ob er die Entscheidung korrigiert oder aufrechterhält.

Die Vorteile eines solchen Systems sind offensichtlich. Die Challenges wären begrenzt, die Anzahl der Interventionen könnte insgesamt reduziert werden. Vorbei wären die Zeiten, in denen nach fast jedem Tor erst eine langwierige Überprüfung stattfindet, bevor der Treffer anerkannt wird, oder ein plötzliches Eingreifen erfolgt, weil mehrere Ballwechsel zuvor etwas passiert sein soll. Beim American Football beispielsweise kann ein Trainer zweimal im Spiel die rote Flagge werfen und damit eine Videoüberprüfung veranlassen. Eingriffe würden nur bei wirklich klaren Fehlentscheidungen nach Ermessen des jeweiligen Trainerteams erfolgen. Da keine permanente Kontrolle mehr nötig wäre, wäre auch der Aufwand deutlich geringer, Personal und Technik könnten eingespart werden.

Für Jochen Drees, Projektleiter VAR und Innovationsleiter des DFB, wäre eine solche Reform dennoch "kein Allheilmittel". Vielmehr ist für den 54-Jährigen klar, dass die Diskussionen auch mit Trainer-Challenges nicht aufhören würden. "Ich glaube nicht, dass das der Fall ist", sagt Drees im Gespräch mit der dpa. Knackpunkt bleibe der Interpretationsspielraum des Offiziellen. "Auch dann bleibt die Entscheidung beim Schiedsrichter, der sich die Szene nach Aufforderung eines Trainers anschauen und dann mit fachlichen Argumenten zu einer Entscheidung kommen muss."

Dennoch prüft die FIFA inzwischen die Möglichkeiten einer Umstellung auf ein solches System, hat dieses in der Vergangenheit bereits mehrfach getestet. Der deutsche Fußball sei auf eine solche Umstellung jedenfalls gut vorbereitet, bestätigt Drees. "Wenn das Okay von der FIFA käme, dann wären wir hier in Deutschland sehr zügig in der Lage, den Video-Support umzusetzen. Wir müssten die Schiedsrichter natürlich schulen. Allerdings sind die meisten Schiedsrichter bei uns ohnehin als Videoassistenten im Einsatz. Die kennen sich also damit aus."

Kommt es also wirklich bald zu einer solch grundlegenden Reform? In anderen Sportarten funktioniert das System jedenfalls weitgehend zufriedenstellend. Im Gegensatz zum vergleichsweise einfachen Regelwerk im Tennis und beim American Football, mit seinen vielen Spielunterbrechungen, dürfte die Umsetzung im Fußball allerdings schwieriger werden. Zumindest besteht die Befürchtung, dass ein Challengesystem genutzt werden könnte, um beispielsweise Zeit zu schinden oder der gegnerischen Mannschaft den Wind aus den Segeln zu nehmen.


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