BVB: Die Mentalitäts-Debatte führt am Ziel vorbei
Von Jan Kupitz

Sobald der BVB ein paar (oder auch ein paar mehr) schlechte Ergebnisse einfährt, tauchen sie wieder auf: die Führungsspieler-Debatte und die böse M(entalitäts)-Frage. Die Quintessenz dieser Diskussionen ist in der Regel: Der BVB braucht ein paar Spieler, die das Maul aufreißen und es in den Zweikämpfe scheppern lassen, dann geht es auch wieder bergauf!
Doch das ist falsch: Der BVB braucht nicht mehr Spieler, die eklig sind, sich in Zweikämpfe werfen oder die Lunge aus dem Leib rennen - er braucht schlichtweg bessere Spieler! Denn es fehlt nicht an Mentalitätsspielern, es fehlt ganz einfach an Qualität.
Ein Beispiel: Jeder von uns würde unterschreiben, dass Nico Schlotterbeck der wichtigste Dortmunder ist. Aber warum ist das so? Ganz sicher nicht, weil er mal auf dem Platz rumschreit und dem Gegenspieler einen Check mit gibt. Und somit als "Führungsspieler" sein Team aufwecken will. Nein, Schlotterbeck ist deswegen unverzichtbar, weil er Qualität hat - im Passspiel, in Zweikämpfen, im Stellungsspiel. Weil er ein Spieler ist, auf den man sich verlassen kann. Weil er so gut wie keine Fehler macht - mit Ball und ohne Ball.
Ein anderes Beispiel: Emre Can. Ein Spieler, dem man den Einsatz selten absprechen kann. Der auch mal den Mund aufmacht. Der körperbetonte Zweikämpfe führt. Alles das, was einen Mentalitätsspieler vermeintlich ausmacht. Warum er trotzdem so kritisch gesehen wird? Weil die sportliche Qualität nunmal nicht so ist, wie sie bei einem BVB-Kapitän sein sollte. Can hat offensichtliche technische Defizite, ein unsauberes Passspiel und immer wieder dicke Klöpse in seinem Spiel.
Es bringt nichts, diesem Kader nun einen weiteren Can, Julian Ryerson oder Ramy Bensebaini hinzuzufügen. Denn wenn die sportliche Qualität - welche Laufwege du wählst, welches taktische Verständnis du hast, welche Pässe du spielen kannst - nicht stimmt, dann werden dir auch die Skills eines vermeintlichen Leitwolfs wenig bringen. Auf höchstem Niveau kommst du ohne fußballerische Fähigkeiten nicht weit - und genau die gibt es im Kader des BVB viel zu wenig.
Jude Bellingham, Erling Haaland und Jadon Sancho waren beim BVB nicht deshalb ein Erfolg und die besten Spieler im Kader, weil sie sich in Zweikämpfe geworfen oder ständig mit dem Gegner angelegt haben - sie waren deshalb so wichtig, weil sie herausragende Kicker sind. Weil sie dem Gegner immer einen Schritt voraus waren. Weil sie kaum zu fassen waren.
Diese besondere Qualität geht dem BVB mehr und mehr ab. Denn seien wir ehrlich: Welche Ausnahmespieler haben die Schwarzgelben noch? Es wäre der falsche Ansatz, zu denken, dass ein paar Leitwölfe die Probleme in Dortmund beheben würden. Ohne sportliche Qualität läuft nichts - nachzufragen beim FC Schalke, der auch über Jahre dachte, dass die Malocher-Fähigkeiten wichtiger seien als ein gepflegtes Passspiel oder ein gutes Dribbling. Wer zu wenig Spieler hat, die mit Leistung und Qualität vorangehen, hat auf lange Sicht keine Chance.
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