Berlusconi-Projekt droht Scheitern: Was läuft schief bei AC Monza?
Von Noah Piotrowiak
AC Monza spielt seit der Saison 2022/23 erstmals in der Vereinsgeschichte in der höchsten italienischen Spielklasse. In den letzten beiden Spielzeiten konnte der von Silvio Berlusconi finanziell unterstützte Klub vielversprechende Leistungen zeigen und ihre Saisons auf den Plätzen elf und zwölf beenden. Doch seit dem Tod Berlusconis und dem Start der dritten Serie-A-Saison steuert Monza ganz klar Richtung Abstiegskampf zu: Mit nur zehn Punkten aus 16 Spielen steht der Verein auf dem vorletzten Tabellenplatz und hat bereits fünf Punkte Abstand auf die Nicht-Abstiegsplätze. Woran liegt der sportliche Rückschritt, was läuft abseits des Platzes falsch, und wie konnte das ambitionierte Berlusconi-Projekt so schnell ins Wanken geraten?
Der kleine Verein Associazione Calcio Monza aus der Lombardei spielte von 2005 bis 2015 in der Serie C, der dritten Liga Italiens, ehe er in die vierte Liga, die Serie D, abstieg. Dort verbrachte Monza zwei Saisons, bevor dem Klub zur Saison 2017/18 der Wiederaufstieg gelang.
Der AC Monza seit der Berlusconi-Übernahme
Im September 2018 übernahm die Fininvest S.p.A., die Finanzholding von Silvio Berlusconi, den Fußballklub AC Monza. Schon im Jahr 2020 stieg der Verein nach 19 Jahren wieder in die zweite italienische Liga auf. Zu diesem Zeitpunkt war von der finanziellen Unterstützung Berlusconis noch wenig zu bemerken. Doch mit dem Aufstieg in die Serie B wurde das Ziel, die Serie A baldmöglichst zu erreichen, deutlich erkennbar. Im Sommer 2020 verpflichtete der Zweitligist 24 neue Spieler, darunter bekannte Namen wie Mario Balotelli und Kevin-Prince Boateng, die mit hochdotierten Verträgen ausgestattet wurden und die Qualität des Kaders schlagartig steigerten. Monza tätigte Transferausgaben in Höhe von über 25 Millionen Euro und erzielte gleichzeitig ein historisches Transferminus für einen Zweitligisten.
In der Saison 2021/22 gelang trotz eines vierten Platzes in der Serie B der Aufstieg in die Serie A über die Play-offs. Im Sommertransferfenster 2022 wiederholte sich die Transferoffensive; diesmal jedoch in einem noch größeren Ausmaß: Als Aufsteiger erzielte Monza ein Transferminus von fast 50 Millionen Euro, verpflichtete etablierte Serie-A-Profis, lieh Toptalente von den größten Klubs Italiens aus und stellte nach einem schwachen Saisonstart im September mit Raffaele Palladino einen vielversprechenden Trainer an den Seitenrand, der aktuell bei Florenz eines der formstärksten Teams Europas trainiert. In der ersten Serie-A-Saison konnte Monza am Ende einen guten elften Platz erreichen.
Auch in der folgenden Spielzeit 2023/24, zeigte Palladino mit seiner Mannschaft trotz der schwierigen zweiten Saison eines Aufsteigers eine sehr solide Leistung und konnte erneut im Tabellenmittelfeld auf dem zwölften Tabellenplatz einlaufen. Das gelang mit über 45 Millionen Euro an Transferausgaben und ohne nennenswerte Transfereinnahmen. In den vergangenen vier Spielzeiten (ohne die laufende Saison) hat Monza eine Transferbilanz von mehr als minus 122 Millionen Euro. Eine Bilanz, die sich ein Aufsteiger, der vor sechs Jahren noch in der vierten Liga spielte, mit "normalen" finanziellen Mitteln und Einkommensquellen nicht leisten könnte. In der aktuellen Saison jedoch scheint sich die Situation zu ändern: Der Verein steht sportlich schlecht da, hat aber im Sommer ein Transferplus von 18,75 Millionen Euro erwirtschaftet, während er lediglich sieben neue Spieler, davon sechs ablösefrei, verpflichtete.
Silvio Berlusconi und seine Zeit bei Milan und Monza
Silvio Berlusconi zählt zu den umstrittensten Persönlichkeiten in der Geschichte des italienischen Fußballs. Der Politiker, Unternehmer und viermalige Ministerpräsident Italiens war nicht nur mehrfachen Anklagen wegen Bestechung, Erpressung, Korruption, Veruntreuung und seiner Verbindungen zur Mafia ausgesetzt, sondern wurde 2013 auch wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Milliardär hatte schon immer eine große Leidenschaft für den Fußball und war von 1986 bis 2017 Besitzer der AC Milan. Vom Zeitpunkt der Übernahme bis 2004 fungierte er als Präsident des Klubs, bis ein neues Gesetz in Kraft trat, das es Regierungschefs verbot, Führungspositionen in Privatunternehmen oder Vereinen innezuhaben. Während seiner Auszeit als Ministerpräsident Italiens von 2006 bis 2008 wurde Berlusconi erneut Präsident bei Milan.
Im April 2017 verkaufte er den Verein für 740 Millionen Euro und übernahm 17 Monate später AC Monza. Der zum damaligen Zeitpunkt 82-jährige entschied sich für Monza aufgrund seiner engen Beziehung zu Adriano Galliani, seinem langjährigen Geschäftsführer bei Milan, der zuvor schon für dessen Heimatklub Monza tätig war. Berlusconi ernannte seinen Bruder Paolo zum Präsidenten des Vereins und sprach von Beginn an davon, der Stadt den Reiz des Serie-A-Fußballs bringen zu wollen -ein Ziel, das er im Jahr 2022 mit Monza erreichte und dem Verein durch seine finanzielle Unterstützung und seinen Einfluss den Aufstieg in die höchste italienische Liga ermöglichte.
AC Monza nach Berlusconis Tod
Silvio Berlusconi verstarb im Juni 2023. Seit seinem Tod liegt der Verein weiterhin in den Händen seiner Familie, insbesondere seines Sohnes Pier Silvio Berlusconi. Doch seit einiger Zeit erweckt die Familie den Eindruck, den Verein verkaufen zu wollen.
"In Monza ist es das Ziel, jemanden zu finden, der sich gemeinsam mit uns oder alleine so um den Verein kümmern kann, wie wir es uns wünschen. Der Fußball ist heutzutage eine verrückte Welt."
- Pier Silvio Berlusconi
Dass Monza in den letzten eineinhalb Jahren wenig Fortschritt gemacht hat, wird deutlich, wenn man betrachtet, dass man im vergangenen Sommer wichtige Spieler sowie einen der Hauptverantwortlichen für den bisherigen Erfolg, Trainer Palladino, den Verein verlassen ließ und dafür kaum neue Qualität in den Kader gebracht wurde. Zwar hat man mit Alessandro Nesta eine Ikone des italienischen Fußballs und Milan-Legende, der als Spieler unter Besitzer Berlusconi eine herausragende Zeit bei den Rossoneri mit verkörperte, verpflichtet, doch als Trainer konnte Nesta zuvor nur Erfahrungen in der Serie B und bei Miami FC sammeln, wo er nie einen überzeugenden Punkteschnitt vorweisen konnte.
Was in dieser Saison sportlich schiefläuft
Der Verlust von Leistungsträger Andrea Colpani an die Fiorentina, der in der vergangenen Saison wichtige Scorerpunkte beisteuerte, wurde nicht kompensiert und fehlt Monza nun spürbar. Bislang erzielte das Team nur 14 Tore in 16 Partien, was die drittschlechteste Offensive der Liga bedeutet. Durchschnittlich kreiert Nestas Team nur 1,4 Großchancen pro Spiel und hat trotz dieser bescheidenen Zahl eine relativ hohe Torschussverwertung. Der Rückgang der Kaderqualität im Vergleich zu den vorherigen Saisons zeigt sich auch in der Field-Tilt-Statistik, die den Anteil des Ballbesitzes im letzten Spielfelddrittel misst: Monza liegt hier mit einem Wert von 37,8 Prozent auf dem drittletzten Platz der Serie A.
Zudem kommt, dass Monza sehr unattraktiv unter Nesta spielt: Nur Lecce steht tiefer als die Biancorossi, die kaum pressen und dafür, dass sie so defensiv stehen, zu viele Tore kassieren. Kein Team in der Serie A lässt den Gegner durchschnittlich in der letzten Kette so hoch stehen wie Monza. Auch die Ballverluste häufen sich, kein Team verliert häufiger den Ball. Diese besorgniserregenden Statistiken machen den Trainerstuhl von Alessandro Nesta zunehmend wackelig. Sollte Monza die kommende Partie am Sonntagabend gegen Juventus verlieren, könnte dies das Ende seiner Amtszeit bedeuten. Bisher zeigte die Mannschaft unter ihm keine nennenswerte Weiterentwicklung - im Gegenteil: Den letzten Sieg feierte Monza im Oktober.
Wie geht es für AC Monza weiter?
Das Beste für den Verein wäre vermutlich zunächst ein Wechsel des Besitzers, der bereit ist, wieder in den Verein zu investieren - auf eine gesunde Art und Weise. Zudem wäre ein Trainerwechsel nötig, um neue Impulse zu setzen, vor allem in der Offensive und frischen Wind in den eher uninspirierten Fußball der Norditaliener zu bringen. Trainer wie Ivan Juric, Alberto Gilardino oder Gabriele Cioffi wären hierbei mögliche Optionen. Sollte es Monza gelingen, die Klasse zu halten - was eine enorme Herausforderung darstellt - und zur neuen Saison eine klare Strategie auf dem Transfermarkt zu verfolgen, könnte der Klub noch einmal die Kurve kriegen. Doch eines steht fest: Silvio Berlusconi hat es zwar geschafft, AC Monza in die Serie A zu führen - wenn auch mit einem hohen finanziellen Aufwand. Nach seinem Tod jedoch scheint es, als sei der Verein nicht in Hände gekommen, die bereit sind, denselben Aufwand zu betreiben. Daher steht das Projekt derzeit auf der Kippe und droht akut zu scheitern.